Weißrussland Henkel, Nestlé oder Carlsberg: Wie europäische Konzerne die Propaganda von Diktator Lukaschenko finanzieren

Der weißrussische Präsident ist politisch isoliert. Doch Konzerne aus dem Westen lassen sich nicht davon abhalten, im Fernsehen des Landes teure Werbekampagnen zu schalten.
Berlin In Weißrussland herrscht ein Klima der Angst – mal wieder. Zum Jahrestag der Wiederwahl des weißrussischen Diktators Alexander Lukaschenko am Montag traute sich die Opposition nach 40.000 Verhaftungen und 1800 dokumentierten Fällen von Folter nicht mehr zu demonstrieren.
Nach der offensichtlich gefälschten Wahl war es monatelang zu Protesten Hunderttausender Menschen gekommen. Der Staat schlug diese Proteste mit roher Gewalt nieder. So etwas wie eine sichtbare Opposition gibt es seither in Weißrussland nicht mehr.
Was sich aber nicht verändert hat seit der Niederschlagung der Proteste: Westliche Unternehmen schalten den Löwenanteil der TV-Werbung, mit deren Einnahmen sich die drei staatlichen Fernsehsender Belarus 1, ONT und CTV finanzieren. Eine Untersuchung der deutsch-schweizerischen Menschenrechtsgruppe Libereco ergab, dass 63 Prozent der in einer Woche ausgestrahlten 874 Werbespots von westlichen Konsumgüterkonzernen stammen.
Die meisten (11,4 Prozent) kamen von Procter & Gamble („Ariel“, „Gilette“, „Pampers“), gefolgt vom Schweizer Lebensmittelkonzern Nestlé, dem US-Süßwaren- und Tierfutterhersteller Mars und dem deutschen Waschmittel-, Klebstoff- und Körperhygiene-Produzenten Henkel. Die Düsseldorfer waren mit 43 TV-Spots auf den Staatskanälen von Weißrussland präsent.
Das saarländische Familienunternehmen Dr. Theiss Naturwaren (Marken: „Lakalut“, „Allgäuer Latschenkiefer“) ließ 32 Werbefilme im Staatsfernsehen abspielen. Auch die Getränkeriesen Coca-Cola und Pepsi, der US-Konsumgüterhersteller Colgate-Palmolive, der amerikanische Süßwarenkonzern Mondelez, der französische Shampoohersteller L‘Oréal, der dänische Brauer Carlsberg („Astra“, „Holsten“, „Wernesgrüner“) waren dabei.
Sender diffamieren die Opposition
Anzeigen geschaltet haben unter anderen auch die Pharmaunternehmen Sandoz (Schweiz), Glaxo-Smithkline (Großbritannien), Gedeon Richter (Ungarn) und Dolorgiet (Deutschland). „Das sind alles Propagandasender, wo die Opposition diffamiert und Inhaftierte öffentlich vorgeführt werden“, sagt der deutsche Libereco-Vorsitzende, Marco Fieber.
Zusammen mit 51 anderen Menschenrechtsgruppen aus 18 Ländern inklusive Weißrusslands fordert er einen Stopp westlicher Werbung in weißrussischen Staatsmedien. „Das ist eine moralische Bankrotterklärung“, sagt Fieber. Die „katastrophale Menschenrechtslage“ in Weißrussland sei westlichen Firmen „vollkommen egal. Sie haben jedwedes Unrechtsbewusstsein verloren“, so der Bürgerrechtler.
Denn westliche TV-Spots würden sogar im Umfeld politischer Programme ausgestrahlt, in denen etwa der entführte, gefolterte und inzwischen inhaftierte Blogger Roman Protasewitsch zu dem Geständnis gezwungen wurde, die Massenunruhen organisiert zu haben. Protasewitsch war festgenommen worden, nachdem ein weißrussischer Kampfjet eine zivile Ryanair-Maschine im Mai auf dem Flug von Athen nach Vilnius zur Landung in der weißrussischen Hauptstadt Minsk gezwungen hatte.
Die meisten westlichen Konsumgüterhersteller wiesen Beschuldigungen zurück. Sie hielten sich an geltende Gesetze. Nestlé und Henkel erklärten, sie hätten ihre Werbebudgets für Weißrussland schon „deutlich reduziert“ oder auf andere Werbeformen „umgeschichtet“. Henkel „betrachtet die aktuelle Entwicklung in Weißrussland mit Sorge“, so eine Unternehmenssprecherin. Das Unternehmen pflege dazu „einen systematischen Austausch mit Politikern insbesondere in Deutschland und der EU“. Dr. Theiss Naturwaren wollte auf Anfrage sein Handeln in Weißrussland nicht kommentieren.
Eine Mars-Sprecherin sagte: „Wir wollen uns nicht in die Politik einmischen.“ Procter & Gamble unterstrich, „stets im Einklang mit den gesetzlichen Vorgaben zu handeln“ und sich an den „Grundsätzen des Unternehmens zu orientieren“. Unter Unternehmenswerten steht dort allerdings: „Jede und jeder Einzelne kann dazu beitragen, dass Veränderung zum Guten möglich wird.“

Mit massiver Gewalt sind weißrussische Einsatzkräfte immer wieder gegen Demonstranten vorgegangen. Nach Festnahmen werden Oppositionelle oft gefoltert.
Menschenrechtler fordern nun, dass „die Politik ein Verbot für die finanzielle Unterstützung für das Staatsfernsehen von Diktator Lukaschenko“ verhängt. „Die EU muss so ein Verbot auf ihre Sanktionsliste setzen“, sagt Fieber. Allerdings haben westliche Firmen, wie Beiersdorf („Nivea“), die VW-Tochter Skoda und der Motorölhersteller Liqui Moly die Sorge, mit einem Importstopp belegt zu werden – so geschehen, als diese sich im Mai als Sponsoren der in Minsk geplanten Eishockey-WM zurückzogen.
Die Mehrzahl der Mitarbeiter der staatlichen TV-Sender in Weißrussland hat aus Protest gegen die Gewalt gegen Demonstranten ihre Arbeitsplätze verlassen. Lukaschenko ließ daraufhin Mitarbeiter des russischen Propagandasenders RT einfliegen, die die Berichterstattung übernahmen. Der europäische Fernsehverbund EBU, in dem 69 TV-Anstalten aus 58 Ländern vertreten sind, hat den weißrussischen Staatskanal BTRC inzwischen ausgeschlossen.
Die USA und Großbritannien verschärften am Montag die Sanktionen gegen Weißrussland. Die EU hat Flugverbote für weißrussische Airlines verhängt, Einreiseverbote und Konteneinfrierungen für weißrussische Politiker angeordnet und einen Stopp des Handels mit weißrussischen Staatsanleihen sowie Exportverbote gegen wichtige weißrussische Güter wie Kali, Holz und Ölprodukte verfügt.
Trotz der Sanktionspolitik wurden zuletzt immer wieder Fälle bekannt, in denen westliche Unternehmen den Machtapparat des Landes unterstützt haben: So hat der österreichische Mobilfunker A1, der in Weißrussland präsent ist, Internetverbindungen verlangsamt, sodass Protestaktionen der Opposition erschwert wurden.
Die weißrussische Regierung hat für mehrere Millionen Dollar von der US-Technologiefirma Sandvine Soft- und Hardware gekauft, mit der Teile des Internets abgeschaltet und oppositionelle Websites blockiert wurden.
Siemens Energy hatte bereits 2019 einen Vertrag zur Lieferung von Turbinen an staatliche Versorger in Weißrussland abgeschlossen. „Momentan kommen wir unseren vertraglichen Verpflichtungen in Belarus nach, ein Großteil der Maschinen ist bereits produziert und in Auslieferung oder schon vor Ort“, teilte Siemens Energy auf Anfrage mit.
Und Lukaschenko? Er räumte auf einer Pressekonferenz ein, dass die westlichen Sanktionen gegen sein Land wirkten. Er werde aber „nicht auf die Knie gehen“ und eine Kehrtwende einleiten. Er habe „fair gewonnen“, und die Opposition habe „einen Staatsstreich vorbereitet“.
Mehr: Lukaschenko droht EU bei neuen Sanktionen mit Gegenmaßnahmen
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Wir erleben gerade ein beispielloses Belarus-bashing. Letztes Beispiel die Olympia-Teilnehmerin. Alle Mannschaften schicken ihre Teilnehmer nach Hause, wenn der
Wettbewerb um ist - und da braucht es gar keinen Konflikt mit dem Trainer. Waere
die Dame eine Oppositionelle gewesen, haette man sie garnicht erst hingeschickt.
Reiner Opportunismus!