Konjunktur Europas Wirtschaft wächst wieder, doch das Vorkrisenniveau ist noch nicht erreicht

Es ist vor allem der private Konsum, der der Wirtschaft Schub verleiht.
Berlin Das Wachstumstempo in der Euro-Zone hat sich im zweiten Quartal deutlich beschleunigt. Nachdem die europäische Wirtschaftskraft in den ersten drei Monaten noch um 0,3 Prozentpunkt gegenüber dem Vorquartal gesunken war, gab es jetzt ein kräftiges Plus von zwei Prozent.
Damit wächst die Euro-Zone nach Ausbruch der Pandemie erstmals schneller als die Volkswirtschaften der USA und Chinas. Aufs Jahr hochgerechnet beträgt die Wachstumsrate in der Euro-Zone 8,3 Prozent, in den USA lag der Vergleichswert zuletzt bei 6,5 Prozent, in China bei 7,9 Prozent.
Allerdings hat Europa anders als die USA und China immer noch nicht sein wirtschaftliches Leistungsniveau der Vorkrisenzeit erreicht, sondern liegt noch rund drei Prozent darunter. Erst Ende des Jahres wird Europa den wirtschaftlichen Schaden der Pandemie wettgemacht haben.
Obwohl die meisten Ökonomen davon ausgehen, dass sich die Euro-Zone weiter erholt, hat die Ausbreitung der Delta-Variante ein Fragezeichen hinter die Prognosen gesetzt. Der Internationale Währungsfonds (IWF) rechnet dennoch mit einem globalen Wachstum von sechs Prozent in diesem Jahr.
Zu verdanken ist die konjunkturelle Erholung vor allem der Impfkampagne in Europa. Nach anfänglichen Schwierigkeiten haben inzwischen rund 70 Prozent aller Erwachsenen in der EU zumindest eine Impfung erhalten. Damit liegt Europa jetzt vor den USA, wo die Impfquote 69 Prozent beträgt.
„Ein starkes Bruttoinlandsprodukt (BIP) bestätigt, dass der wirtschaftliche Aufschwung in Gang gekommen ist“, kommentiert Bert Colijn, Ökonom bei der niederländischen Großbank ING, das Comeback. Wahrscheinlich habe die wirtschaftliche Erholung bereits im ersten Quartal begonnen, da die Beschränkungen der Pandemie seither gelockert worden seien.
Deutschland bleibt unter den Erwartungen
Während die Euro-Zone insgesamt und die meisten großen Volkswirtschaften die Erwartungen der Ökonomen übertrafen, blieb das Wachstum in Deutschland mit einem Plus von 1,5 Prozent hinter den Prognosen zurück. Volkswirte führten das unter anderem auf Lieferengpässe zum Beispiel in der Chipindustrie zurück.
Frankreichs Wirtschaft konnte dank reger Investitionen um 0,9 Prozentpunkte gegenüber dem ersten Quartal zulegen, in dem die Konjunktur noch auf der Stelle trat. Deutlich besser lief es in Italien mit einem Plus von 2,7 Prozentpunkten und in Spanien mit einem Zuwachs von 2,8 Prozentpunkten.
In den beiden südeuropäischen Volkswirtschaften sorgte der private Konsum für den Aufschwung, nachdem die Regierungen in Rom und Madrid im Frühjahr die Corona-Beschränkungen gelockert hatten. Allerdings haben die Behörden in Spanien und Griechenland angesichts steigender Infektionszahlen die Beschränkungen wieder verschärft.
Wie in Deutschland, ist auch in der Euro-Zone die Inflationsrate weiter gestiegen. Während das Statistische Bundesamt zuvor ein Plus bei den Verbraucherpreisen von 3,8 Prozent gemeldet hatte, kam Eurostat auf einen Zuwachs von 2,2 Prozent. Das liegt leicht über dem Zielwert der Europäischen Zentralbank.
Allerdings hatte IWF-Chefökonomin Gita Gopinath Mitte der Woche darauf hingewiesen, dass der Preisschub durch die von der Pandemie verursachten Engpässe auf der Produktionsseite verursacht werde und deshalb aller Voraussicht nach nur eine vorübergehende Erscheinung sei. Insbesondere deutsche Volkswirte sehen die Preisentwicklung jedoch kritischer.
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