AMD, ST Microelectronics, Qualcomm Chipkonzerne legen starkes Quartal hin – doch das Ende der Euphorie naht

Die Managerin verspricht für das laufende Jahr ein Umsatzplus von 60 Prozent bei dem amerikanischen Chipkonzern.
München Es sind Wachstumsraten, die sonst nur Start-ups erreichen: Der Gewinn von AMD hat sich im zweiten Quartal fast verdreifacht. Der Umsatz des amerikanischen Chipherstellers ist um 99 Prozent in die Höhe geschossen. „Wir wachsen deutlich schneller als der Markt, mit einer starken Nachfrage in allen unseren Geschäftsbereichen“, sagte Vorstandschefin Lisa Su diese Woche. AMD liefert Prozessoren für PCs und Server – sie sind das Gehirn eines jeden Rechners.
Nicht alle Chiphersteller legen so stürmisch zu wie AMD, aber die meisten sind glänzend unterwegs – und übertreffen reihenweise die Erwartungen der Analysten. „Der Nettoumsatz und die Bruttomarge im zweiten Quartal lagen am oberen Ende unserer Prognose, was auf die anhaltend starke Nachfrage weltweit zurückzuführen ist“, sagte Jean-Marc Chery, Chef von ST Microelectronics, des größten europäischen Chipherstellers.
Der Umsatz ist um 43 Prozent auf drei Milliarden Dollar gestiegen. Das sind 100 Millionen Dollar mehr, als die Analysten vorhergesagt hatten. Unterm Strich blieb mit 412 Millionen Dollar mehr als dreimal so viel übrig wie im selben Zeitraum 2020.
Selbst Apple als größter Kunde erhält nicht genügend Chips
Der Grund für den Boom der Chipindustrie: Die Nachfrage ist gewaltig. Den Herstellern werden die Bauelemente aus den Händen gerissen, von der Autobranche genauso wie von den Computerherstellern oder den Netzwerkausrüstern des neuen Mobilfunkstandards 5G. Die Hersteller können gar nicht so viel liefern, wie die Kunden bestellen. Anfang der Woche warnte Apple-Chef Tim Cook: Der iPhone-Produzent werde im zweiten Halbjahr nicht so stark wachsen wie eigentlich möglich, weil Halbleiter fehlen. Apple ist der größte Kunde der Chipindustrie weltweit.
Dennoch mischen sich in die fast schon euphorische Stimmung der Branche inzwischen auch skeptische Töne. So hat Texas Instruments (TI) mit seinem Ausblick für das laufende dritte Quartal die Erwartungen der Analysten zuletzt nicht erfüllt.
Auf Fragen der Banker, ob der gegenwärtige Branchenboom seinen Höhepunkt erreicht habe, ging das Management in einer Telefonkonferenz anlässlich der Quartalszahlen nicht ein. „Unsere Aufgabe ist es nicht, die Zukunft vorherzusagen, sondern das Unternehmen so vorzubereiten, dass wir mit allem umgehen können, und das haben wir getan“, erläuterte Finanzvorstand Rafael Lizardi in einem Interview.
Das verunsicherte die Investoren, schließlich ist auch TI zuletzt kräftig gewachsen. Der Umsatz im zweiten Quartal kletterte um 41 Prozent nach oben. Die Lieferfristen seien länger als normal, die Läger leer, teilte der Konzern mit. Der siebtgrößte Chiphersteller der Welt gilt als guter Gradmesser für Zustand und Aussichten der gesamten Branche. Die Amerikaner verfügen über das wohl breiteste Produktportfolio. Sie bedienen mehr als 100.000 Kunden – von Autobauern bis zu Waschmaschinenmarken.
Branchenbeobachter fürchten, dass die Kunden die Auftragsbücher mit Panikkäufen aufgebläht haben. In der Vergangenheit sorgten die Käufer schon häufiger für einen drastischen Einbruch der Umsätze, weil sie aus Angst, leer auszugehen, bei mehreren Anbietern doppelt und dreifach bestellt hatten. Als die Hersteller dann tatsächlich lieferten, hagelte es massenhaft Stornierungen.
Die Kurse der Chipkonzerne stehen unter Druck
Diese Befürchtungen spiegeln sich auch in den Aktienkursen wider. Nach einem kräftigen Plus im vergangenen Jahr dümpeln die Papiere vieler Hersteller seit Jahresanfang vor sich hin. So auch bei Qualcomm, dem weltgrößten Anbieter von Handychips. Dessen Kurs war seit Anfang Januar um rund sechs Prozent gefallen. Die Quartalszahlen vom späten Mittwochabend sorgten dann allerdings für etwas Erleichterung. Nachbörslich stiegen die Anteilscheine um gut drei Prozent.
Der US-Konzern rechnet im dritten Quartal mit einem Umsatz von bis zu 9,2 Milliarden Dollar; das sind 700 Millionen Dollar mehr, als Analysten im Schnitt erwartet hatten. Weltweit werden die Mobilfunknetze aufgerüstet, und die Konsumenten legen sich neue Smartphones zu, davon profitiert Qualcomm. Allerdings ist die Firma aus San Diego momentan lange nicht mehr so dynamisch unterwegs wie im Frühjahr. Erreicht der Konzern den oberen Rand der Prognose, entspricht das einem Plus von 15 Prozent gegenüber dem Vorjahr. Im zweiten Quartal waren die Erlöse noch um 63 Prozent gestiegen.

Der weltgrößte Auftragsfertiger rechnet mit weltweiten Lieferengpässen der Chipbranche bis ins nächste Jahr.
Das heißt nicht unbedingt, dass die Nachfrage sinkt. Der Branchenverband WSTS sagt für das laufende Jahr ein weltweites Umsatzplus von rund einem Fünftel voraus. Vielmehr sind die Fabriken voll ausgelastet. Bis ins nächste Jahr hinein bleibe die Chipversorgung angespannt, erklärte jüngst C.C. Wei, Chef von TSMC. Der weltgrößte Auftragsfertiger beliefert unter anderem Apple und Qualcomm. Die Taiwaner wollen 2021 rund 25 Milliarden Dollar in neue Werke stecken und in den beiden darauffolgenden Jahren weitere 75 Milliarden Dollar.
Bei Qualcomm jedenfalls bestellten die Kunden momentan mehr, als der Konzern liefern könne, sagte Vorstandschef Cristiano Amon. Aber die Lage entspanne sich, und er erwarte eine „wesentliche Verbesserung des Angebots bis Ende des Jahres.“ Nicht ausgeschlossen, dass angesichts der gewaltigen Investitionen von TSMC nächstes Jahr um diese Zeit mehr als genug Kapazitäten zur Verfügung stehen.
Bei Europas Marktführer ST Microelectronics ist unterdessen keine Flaute zu erkennen. Der französisch-italienische Konzern beliefert unter anderem Apple und Tesla und rechnet für das laufende Quartal mit einem Umsatz von 3,2 Milliarden Dollar. Das sind gut 100 Millionen Dollar mehr, als Analysten kalkuliert hatten, und etwa 20 Prozent mehr als 2020. Insgesamt rechnet Vorstandschef Chery dieses Jahr mit einem Erlösplus von 22 Prozent. „Dieses Wachstum wird voraussichtlich von einer starken Dynamik in allen von uns adressierten Endmärkten getrieben“, sagte der Franzose.
Verglichen mit AMD ist das allerdings wenig: Konzernchefin Su nimmt dem Weltmarktführer Intel im Geschäft mit PC-Produzenten und Serverherstellern rasant Marktanteile ab und verspricht für 2021 ein Umsatzplus von 60 Prozent. 52 Jahre nach der Gründung wachsen die Kalifornier weiterhin wie ein Start-up.
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