Immer noch wird in Deutschland weitaus breiter und tiefer über Wirtschafts- und Innovationstrends aus den USA berichtet als aus Asien. Zu Unrecht, finden wir. In unserer wöchentlichen Kolumne Asia Techonomics wollen wir Ihnen deshalb die spannendsten Innovations- und Wirtschaftstrends aus der dynamischsten Region der Welt nahebringen.
Im vergangenen Jahr hat die gesamte Region Asien dem Internationalen Währungsfonds (IWF) zufolge 1,6 Prozent ihrer Wirtschaftsleistung verloren – weitaus weniger als die USA oder Europa. Im laufenden Jahr wird dieser Rückgang mit einem erwarteten Wachstum von 7,3 Prozent weit mehr als kompensiert. Damit festigt Asien seine wirtschaftliche Bedeutung für die Welt.
Während Europa in die dritte Covid-Welle rutscht, sind die Infektions- und Todeszahlen seit Ausbruch der Pandemie in Asien weitaus besser. Nicht zuletzt die Coronakrise hat gezeigt, dass sich der genauere Blick nach Asien lohnt, um für das eigene Land zu lernen.
Wir sehen, dass unsere Leser sich für genau diese Themen interessieren. Deshalb wollen wir mit Asia Techonomics von nun an jede Woche einen Blick werfen auf neue Technologieideen aus Japan oder China, Milliardenkonzerne, die in Südkorea oder Indonesien den Börsenmarkt aufmischen, Tech-Investitionen in den indischen Markt, Tests vom Kuschelroboter bis zum Laborfleisch-Restaurant. Viel Spaß wünscht Nicole Bastian!
Kolumne Asia Techonomics Warum Roboterhund Spot nun ein ostasiatisches Herrchen hat

In der wöchentlichen Kolumne schreiben wir im Wechsel über Innovations- und Wirtschaftstrends in Asien.
Der Roboterhund Spot schart mit seinen Kunststückchen eine globale Fangemeinde um sich. Und der Android-Roboter Atlas – ebenfalls aus dem Haus Boston Dynamics – beeindruckte US-Starmoderator Anderson Cooper in einer CNN-Sendung kürzlich tief. Doch im wirklichen Leben hängt die Zukunft des US-Roboterlabors von seinen ostasiatischen Adoptiveltern ab: dem koranischen Autohersteller Hyundai Motors.
Nachdem Google 2013 zunächst Boston Dynamics kaufte, verstieß es das Roboterlabor 2017 ungeduldig wieder. Die Suchmaschine setzte lieber auf Künstliche Intelligenz, die sich schnell versilbern lässt, als auf den langfristigen Traum vom intelligenten Roboter.
Masayoshi Son, der Gründer der japanischen Telekom- und Investmentgruppe Softbank, erfüllte sich mit dem Kauf des US-Roboterlabors damals einen Traum – den jetzt aber vor allem der koreanische Autobauer zur Realität werden lassen soll.
Es ist kein Zufall, dass Boston Dynamics nun ostasiatische Besitzer hat. Kaum ein Großkonzern in Japan oder Korea folgt den Ratschlägen von Aktionärsaktivisten, sich auf ein „Kerngeschäft“ zu konzentrieren, viele schleppen verlustreiche Projekte mit sich herum, weil sie in ferner Zukunft Potenzial wittern. So leisten sich japanische Konzerne wie der Autobauer Toyota und der Elektronikhersteller Panasonic Fertighaushersteller, Toyota baut sich eine eigene digitale Stadt, die Woven City.
Familienkonglomerat Hyundai: Vom Stahlwerk bis zur Werbeagentur
Korea wiederum hat von Japan mit den Familienkonglomeraten auch deren Hang zu breiten Produktpaletten kopiert. Die Firmengruppe Samsung beispielsweise offeriert von Autoakkus über Apartments, Mode und Lebensversicherungen bis hin zum Falthandy Galaxy Z fast alles.
Auch Hyundai ist nicht nur ein Autohersteller, sondern ein Familienkonglomerat mit Stahlwerken, Logistikunternehmen, einem Baukonzern, Maschinenbauern, einer Werbeagentur und einem eigenen Reisegeschäft.
Gleichzeitig zeichnen sich die ostasiatischen Konzerne dadurch aus, dass sie oft einen längeren Zeithorizont haben als vor allem amerikanische Konzerne. Sie haben den langen Atem bei Investitionen, der für das Robotergeschäft nötig ist.
Beispiel Masayoshi Son: 2011 beschloss er, seinen Konzern zum größten Roboterhersteller der Welt aufzubauen. 2015 stellte er den Partnerroboter Pepper vor, der in Deutschland etwa die Lobby des Handelsblatts beseelt. 2017 dann kaufte er die Bostoner.

400 Roboterhunde hat das Unternehmen mittlerweile an Firmenkunden verkauft. Mindestpreis: 75.000 Dollar.
Unter Sons väterlicher Führung begann Boston Dynamics voriges Jahr, den Roboterhund Spot an Firmenkunden zu verkaufen. Inzwischen machen 400 Spots Lagerhäuser und Büros sicherer, für den stolzen Mindestkaufpreis von 75.000 Dollar. Doch selbst Son wurde offenbar die finanzielle Last zu groß, zumal chinesische Hersteller nun ähnliche Produkte wie Spot zu einem weitaus günstigeren Preis anbieten.
Und so verkaufte Son Ende vergangenen Jahres 80 Prozent des Sorgerechts, pardon, der Aktien an seinem ehemaligen Wunschkind für geschätzt 680 Millionen Euro an den südkoreanischen Autohersteller Hyundai Motor weiter. Hyundai werde den Weg zur Kommerzialisierung beschleunigen.
Hyundai hinkt Toyota in der Robotik hinterher – da soll Boston Dynamics helfen
Die Transaktion mag nun nicht gerade wie ein Vertrauensbeweis für Boston Dynamics wirken. Aber vielleicht passt die komplexe Robotik wirklich besser zu einem Hersteller wie Hyundai als zu Softbank. So erklärte es zumindest Spot-Mitschöpfer Michael Patrick Perry, der Vizepräsident von Boston Dynamics, in einem Interview mit dem Ingenieursmagazin „IEEE Spectrum“: „Robotik ist kein kurzfristiges Spiel.“ Es werde Jahre dauern, bis das Potenzial realisiert werde. „Und ich denke, Hyundai hat sich dieser langfristigen Vision verschrieben.“
Damit dürfte er richtig liegen. Anders als Softbank versteht Hyundai etwas von der Produktion. Außerdem expandiert der größte koreanische Hersteller wie sein großer japanischer Rivale Toyota über autonome Autos in andere Bereiche der Robotik. Nur hinken die Koreaner dabei hinter den Japanern her.
Toyota hat bereits 2006 eine eigene Roboterabteilung gegründet – und 2016 in Kalifornien das Toyota Research Institute, das Künstliche Intelligenz und Roboter für die Zukunft entwickelt. Hyundai setzt nun offenbar darauf, dass sein neues Adoptivkind aus den USA frisches Roboter-Know-how mit in die Familie bringt – und scheint zu akzeptieren, dass Roboter vorerst ein Zuschussgeschäft bleiben werden.
In der Kolumne Asia Techonomics schreiben Nicole Bastian, Dana Heide, Martin Kölling, Mathias Peer und Stephan Scheuer im Wechsel über Innovations- und Wirtschaftstrends in der dynamischsten Region der Welt.
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naja, vielleicht liegt es auch einfach nur daran, daß sich Son mit einigen Großinvestments wie WeWork verzockt hat, und jetzt Tafelsilber verkaufen muß, damit die Nase nicht mehr so blutet.
Das passt natürlich nicht in das schwülstige Narativ des Artikels, aber sowas passiert in der Realen Wirtschaft öfter als man denkt, gerade auch bei den Japanern (Think Toshiba/ Westinghouse/ Bain).