Mutterkonzern Alphabet Mitarbeiter von Google wollen sich in Gewerkschaft organisieren

Aus Unmut über fehlende Mitspracherechte bei unternehmenspolitischen und ethischen Fragen haben sich Mitarbeiter zur Gründung einer Gewerkschaft entschlossen.
San Francisco, Düsseldorf Mitarbeiter von Google und dessen Mutterkonzern Alphabet wollen sich in einer Gewerkschaft organisieren. „Wir schließen uns zusammen – Zeitarbeiter, Lieferanten, Auftragnehmer und Vollzeitbeschäftigte –, um eine einheitliche Arbeitnehmerstimme zu schaffen“, kündigten Parul Koul and Chewy Shaw, zwei führende Mitglieder der Bewegung, am Montag in einem Gastbeitrag in der „New York Times“ an.
Die Alphabet Workers Union vertrete über 200 Beschäftigte in den USA, teilte die Organisation später am Montag (Ortszeit) mit. Das Bündnis will sich für faire Bezahlung und Arbeitsbedingungen einsetzen. Die Mitglieder fordern zudem, dass sich der seit Jahren in der Kritik stehende Konzern strukturell verändert.
Der Schritt folgt auf einen seit Jahren wachsenden Konflikt zwischen dem US-Internetkonzern und der Belegschaft. Zwar hat sich das Unternehmen „Don’t be evil“ – sei nicht böse – in den Verhaltenskodex geschrieben. Und es galt lange als Paradies für Mitarbeiter. Kostenlose Restaurants, Massagestudios, Büchereien und Wäschereien machen ein Leben außerhalb des Google-Campus fast überflüssig.
Widerspruch von Mitarbeitern war ausdrücklich erwünscht, in einer freitäglichen Vollversammlung namens TGIF („Thank God It’s Friday“) stellten sich die Google-Gründer Larry Page und Sergey Brin lange Zeit den Fragen ihrer Angestellten.
Jetzt die besten Jobs finden und
per E-Mail benachrichtigt werden.
Doch Mitarbeiter kritisieren zunehmend, dass ihre Meinung bei der Gleichberechtigung von Menschen unterschiedlicher Geschlechter und Herkunft, bei unternehmenspolitischen Entscheidungen und ethischen Fragen bei der Entwicklung von Künstlicher Intelligenz nicht gehört würde. Mehrere Mitarbeiter, die öffentlich Widerspruch erhoben, sollen entlassen worden sein – zuletzt die Forscherin Timnit Gebru, die sich in einer Publikation kritisch mit KI-Modellen auf Basis großer Datensätze auseinandersetzen wollte.
Die Arbeitnehmervertretung wolle sich für gerechte Löhne und faire Arbeitsbedingungen einsetzen, erklärten Koul and Shaw in ihrem Beitrag. „Wir sind zu Alphabet gekommen, weil wir Technologien bauen wollten, die die Welt verbessern. Doch immer wieder hat die Unternehmensführung den Profit über unsere Belange gestellt“, schreiben sie.
Kaum Transparenzkultur im Valley
Ihren Unmut hatten Mitarbeiter des Konzerns schon früher öffentlich gemacht. Etwa mit einem Streik im November 2018, an dem nach Angaben der Organisatoren an verschiedenen Standorten weltweit etwa 20.000 Beschäftigte von Google und anderen Alphabet-Firmen teilnahmen, zum Beispiel Waymo, Hersteller von autonomen Fahrzeugen, und dem Medizinforschungsunternehmen Verily. Im Zentrum der Kritik standen damals Millionen-Dollar-Zahlungen an zwei Führungskräfte, denen sexuelle Belästigung von Mitarbeitern vorgeworfen wurde.
Viel zu lange seien die Bedenken Tausender Mitarbeiter bei Google und Alphabet von Führungskräften beiseite‧gewischt worden, schreiben Koul und Shaw. „Heute bauen wir auf jahrelangen Organisationsbemühungen bei Google auf, um eine formale Struktur für die Arbeiter zu schaffen.“
226 Beschäftigte hätten sich der Bewegung bereits angeschlossen und bei der Gewerkschaft „Communications Workers of America“ registriert. Das sei der erste Schritt auf dem Weg zu einer eigenen anerkannten Gewerkschaft nach US-Recht. Der Konflikt zwischen Managern und ihren Mitarbeitern schwelt in vielen Tech-Unternehmen des Silicon Valley. Pinterest einigte sich kürzlich außergerichtlich mit einer ehemaligen Topmanagerin, die Gründer Ben Silberman Benachteiligung von Mitarbeiterinnen bei dem vor allem von Frauen genutzten sozialen Netzwerk vorwarf.
Pinterest als weiteres Beispiel
Die meisten Unternehmen im liberalen Silicon Valley versuchen, Konflikte mit Mitarbeitern aus der Öffentlichkeit herauszuhalten. Brian Armstrong, der Chef der Kryptowährungsbörse Coinbase, ging im September in die Offensive. In einem Blogbeitrag verordnete der Gründer des von Investoren mit acht Milliarden Dollar bewerteten Unternehmens seinen Mitarbeitern eine „Company first“-Regel.
Wer politische Fragen wie die Benachteiligung von Schwarzen in den USA am Arbeitsplatz diskutieren wolle, solle lieber kündigen. „Wir sollten uns darauf konzentrieren, was uns eint. Nicht auf das, was uns spaltet“, schrieb Armstrong. Anfang Oktober berichtete das Unternehmen, das in diesem Jahr einen Börsengang planen soll, dass 60 seiner rund 1200 Mitarbeiter ein Abfindungsangebot angenommen hätten.
Allerdings deckte die „New York Times“ vor einigen Tagen auf, dass schwarze Mitarbeiter und Frauen deutlich weniger verdienen als weiße, männliche Mitarbeiter in vergleichbaren Positionen. Beschwerden schwarzer Mitarbeiter über unfaire Arbeitsbedingungen seien regelmäßig ignoriert worden, was das Unternehmen bestreitet.
Mehr: Wie Google in der Schweiz gegen Arbeitnehmerrechte arbeitet
Das Kommentieren dieses Artikels wurde deaktiviert.