Familienunternehmen Schwan-Stabilo schafft die Wende: Textmarker und Rucksäcke in der Pandemie gefragt

Stifte und Outdoor-Produkte sorgten in der Pandemie für zusätzliche Umsätze.
München In der Industrie geht derzeit der Trend in Richtung Fokussierung. Konzerne wie Siemens, General Electric und Toshiba haben sich aufgespalten oder Pläne dafür vorgestellt. Doch für das Familienunternehmen Schwan-Stabilo hat sich in der Pandemie die breitere Aufstellung ausgezahlt. Denn Stabilo-Schreibwaren und Deuter-Rucksäcke lieferten genug Geld zum Umbau der Kosmetiksparte.
„Externe Investoren wollen die Portfolio-Entscheidungen gern selber treffen“, sagt Schwan-Stabilo-Chef Sebastian Schwanhäußer im Gespräch mit dem Handelsblatt. Daher gebe es hier den Trend zu Abtrennungen. Ein Familienunternehmen könne sich das Wunsch-Portfolio gezielt zusammenstellen.
Geduld zahlt sich dabei aus: Die Kosmetiksparte schrumpfte im abgelaufenen Geschäftsjahr 2020/21, das am 30. Juni endete. Doch die anderen Geschäftsbereiche entwickelten sich besser. Während der Lockdowns kauften viele Kunden Buntstifte und Textmarker für das Homeoffice und Rucksäcke für den Urlaub vor der Haustür.
Insgesamt konnte Schwan-Stabilo die Umsätze nach drei Jahren rückläufiger Erlöse so wieder um zwei Prozent auf 623 Millionen Euro steigern.
Schwanhäußer verkündet zufrieden: „Wir haben die Trendwende dank einer starken Teamleistung geschafft.“ In den vergangenen Monaten habe die Nachfrage quer durch alle Bereiche angezogen. „Statt Kurzarbeit fahren wir jetzt teilweise Zusatzschichten.“ Wenn nichts dazwischenkomme, werde man auch 2021/22 die Umsätze weiter steigern.
Schwan-Stabilo: Zusatzschichten statt Kurzarbeit
In den vergangenen Jahren war die Kosmetiksparte das große Sorgenkind. Das hatte strukturelle, aber auch hausgemachte Ursachen. Viele Frauen verwenden schon seit Längerem weniger Kosmetik. „Zudem waren wir eine Zeit lang nicht innovativ genug“, räumt Schwanhäußer ein. Als Konsequenz baute Schwan-Stabilo massiv Stellen ab und entwickelte neue Produkte.

In fünfter Generation führt der Erbe das Unternehmen mit mehr als drei Dutzend Gesellschaftern.
Corona erschwerte die Trendwende. „Make-up-Produkte waren pandemiebedingt weniger gefragt, weil es fast keinen Anlass zum Schminken gab“, heißt es bei Schwan-Stabilo. Gerade Lippenstift war durch die Maskenpflicht vielerorts ein Ladenhüter.
Die Franken verkaufen ihre Kosmetik nicht direkt an Kunden, sondern beliefern große Kosmetikmarken. Im Geschäftsjahr 2020/21 sanken die Umsätze der Kosmetiksparte noch einmal um elf Prozent auf 227 Millionen Euro. Zum Vergleich: 2017/18 waren es noch 322 Millionen Euro.
Doch im vierten Quartal des Geschäftsjahres zog die Nachfrage nach Produkten für die Augen, aber auch nach Lippenstiften wieder deutlich an. Thomás Espinosa, neuer Geschäftsführer von Schwan Cosmetics, führt dies auch auf eine stärkere Fokussierung auf das Thema Nachhaltigkeit zurück.
Nachhaltigeres Make-up soll Umsätze steigern
So soll zum Beispiel der Anteil von fossilem Plastik an den Produkten bis Ende 2022 um ein Viertel sinken. Ein neuer Augenschminkstift benötige bis zu 70 Prozent weniger Kunststoff, weil mehr Holz eingesetzt wird. „Es kommt auf jeden Beitrag zum Schutz der Umwelt an“, sagt Espinosa, „ob Energieverbrauch, Materialien, Verpackung, Recycling, wir wollen mit unserem großen Know-how eine Vorreiterrolle in der Kosmetikbranche einnehmen.“
Eine Trennung von der Kosmetik stand laut Schwanhäußer nie zur Debatte. „Langfristig wird der Kosmetikmarkt weiter um etwa fünf Prozent pro Jahr wachsen.“ Angetrieben werde die Branche von der wachsenden Nachfrage in China.
Um die Abhängigkeit von Schminke und Stiften zu verringern, hatte der Familienkonzern lange ein drittes Standbein neben Stiften und Kosmetik gesucht. 2007 entschied man sich dann für das Outdoor-Segment und kaufte den Rucksack-Spezialisten Deuter. Später kamen auch noch die Marken Ortovox, Maier Sports und Gonso ins Portfolio.
Die Entscheidung erwies sich als visionär. „Die Pandemie gab allen vier Marken zusätzlich Rückenwind“, sagt Martin Riebel, der die Outdoor-Sparte von Schwan-Stabilo führt. Die Umsätze in dem Bereich stiegen um 17 Prozent auf 186 Millionen Euro. Damit rückt Outdoor nah an die beiden anderen Konzernbereiche heran.
Auch die Stiftsparte konnte zulegen. Die Umsätze des Teilkonzerns wuchsen um acht Prozent auf 209 Millionen Euro. Damit gelang erstmals der Sprung über die 200-Millionen-Euro-Marke.
Ein großer Verkaufserfolg war zum Beispiel eine Sonderpackung zum 50. Geburtstag des Textmarkers mit neuen Farben. In angespannten Zeiten seien „Momente der Leichtigkeit besonders gefragt – und sei dies durch den Anblick von 23 Farben auf dem Küchentisch im improvisierten Homeoffice“, sagte Horst Brinkmann, CEO der Stifte-Sparte.
Faber-Castell verzeichnet steigende Nachfrage
Beim Konkurrenten Faber-Castell waren die Umsätze im Geschäftsjahr 2020/21 währungsbereinigt um zehn Prozent auf 452 Millionen Euro gefallen. Angesichts der Herausforderungen baute das Unternehmen 1100 Arbeitsplätze ab, davon 110 in Deutschland. „Diese Maßnahmen tun weh“, sagte der Vorstandsvorsitzende Stefan Leitz.
Inzwischen spürt auch Faber-Castell aber wieder deutlich anziehende Nachfrage. Für das laufende Jahr erwartet die Gruppe wieder ein Wachstum von mindestens sechs Prozent. Auch auf der Gesellschafterseite ist wieder Ruhe eingekehrt. Die Erben arbeiteten in den vergangenen beiden Jahren eine neue Familienverfassung aus.
Bei Schwan-Stabilo herrschte in den vergangenen Jahren im Gesellschafterkreis trotz der Probleme Harmonie. „Diese Stabilität ist auch ein Grund, warum es bei uns so gut läuft“, sagt Schwanhäußer. Er steht in fünfter Generation seit mehr als einem Jahrzehnt an der Spitze des Unternehmens mit seinen mehr als drei Dutzend Gesellschaftern.
Als die Kosmetik in der Krise war, hatte er zeitweise selbst die Führung der Sparte übernommen. Ob er froh sei, dass diese Zeit vorüber sei? „Für mich war das eine gute Gelegenheit, das Kosmetikgeschäft noch deutlich besser kennenzulernen“, sagt er.
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