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Handelsblatt-Jahrestagung „Zukunft Stahl“ „Staat ist nicht der bessere Unternehmer“: Laschet gegen Einstieg bei Thyssen-Krupp

Beim Klimaschutz hoffen Stahlunternehmen auf Unterstützung der Politik. Der NRW-Ministerpräsident sagt Hilfe zu – lehnt Staatsbeteiligungen aber ab.
11.03.2021 - 17:59 Uhr 1 Kommentar
Der Konzern ist schon länger notleidend. Quelle: dpa
Hochofen bei Thyssen-Krupp

Der Konzern ist schon länger notleidend.

(Foto: dpa)

Düsseldorf Für den nordrhein-westfälischen Ministerpräsidenten Armin Laschet (CDU) ist der Fall klar. „Der Staat ist nicht der bessere Unternehmer“, sagte der Politiker am Donnerstag auf der Handelsblatt-Jahrestagung „Zukunft Stahl“ – und erteilte damit Forderungen der Gewerkschaft IG Metall, der Staat solle sich am notleidenden Stahlkonzern Thyssen-Krupp beteiligen, zum wiederholten Mal eine Absage.

Zwar kündigte Laschet an, die Unternehmen auf ihrem Weg zur klimaneutralen Produktion finanziell zu unterstützen. Doch die Fürsorge der Politik kennt auch Grenzen. „Wir leben in einer Marktwirtschaft“, sagte Laschet. „Und das, was die Politik machen kann, ist, die sozialen Rahmenbedingungen, die unsere Marktwirtschaft kennt, um eine ökologische Variante zu erweitern.“ Nur, wenn Nachhaltigkeit auch Marktchancen biete, könne man von den Unternehmen erwarten, dass sie den Wandel meistern.

Für die Stahlindustrie liegt darin die zentrale Frage für die nächsten Jahrzehnte: Bis 2030 muss die Branche ihre CO2-Emissionen um 30 Prozent, bis 2050 sogar um 100 Prozent senken, um die Klimaziele der Europäischen Union einhalten zu können. Derzeit entstehen bei der Produktion von einer Tonne Stahl rund 1,7 Tonnen CO2. Für die Hersteller ist das eine schwere Belastung. Denn solche Einsparungen lassen sich nur mit einem tief greifenden technologischen Wandel erreichen. Der ist teuer – und birgt derzeit noch erhebliche Risiken.

Es ist das Thema, das auch die Teilnehmer auf der Handelsblatt-Jahrestagung „Zukunft Stahl“ am stärksten beschäftigte. Immer wieder fiel die Diskussion dabei auf China, das als größter Rohstahlproduzent der Welt deutlich mehr als die Hälfte aller Produktionskapazitäten auf sich vereint. Galt die chinesische Stahlindustrie lang als rückständig, was Nachhaltigkeit und Qualität anbelangt, scheint sich der Vorsprung der europäischen Konkurrenz immer weiter zu minimieren.

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So gab etwa Arnd Köfler, Technologievorstand bei Thyssen-Krupp Steel zu bedenken, dass vor allem die jüngeren Stahlwerke in China mittlerweile den höchsten technologischen Standards genügen. Dabei spiele eine nachhaltige Produktion auch in der Volksrepublik eine immer größere Rolle, so der Manager: „Mittelfristig will das Land seine Kapazitäten für erneuerbare Energien spürbar ausweiten und wird dabei mengenmäßig in den nächsten Jahren die doppelte Produktionsmenge von Europa erreichen.“

Für die europäische Stahlindustrie liegt darin eine Bedrohung. Denn eine ausreichende Versorgung mit grünem Strom, da waren sich alle Gäste einig, ist die wichtigste Grundvoraussetzung, um die Kohle in der Stahlproduktion mit klimaneutralem Wasserstoff zu ersetzen. Das Gas, das für die Reduktion von Eisenerz zu Roheisen benötigt wird, lässt sich per Elektrolyse aus Wasser gewinnen.

Hersteller wollen nicht auf grünen Wasserstoff warten

Bislang gibt es weltweit nur wenige Anlagen, mit denen das möglich ist. Doch die Nachfrage nach Elektrolyseuren steigt immens: So will die Stadt Hamburg einen der weltweit größten Elektrolyseure im Hafengebiet errichten. Bereits 2025 könnte die Produktion mit einer Windkraftleistung von 100 Megawatt anlaufen. Ähnliche Projekte gibt es auch in Saudi-Arabien oder Kanada, die über große Mengen erneuerbarer Sonnen- beziehungsweise Wasserkraft verfügen.

Doch die Hersteller wollen nicht warten, bis auch in Europa ausreichend grüner Wasserstoff verfügbar ist. Unternehmen wie Arcelor-Mittal oder Salzgitter bereiten sich deshalb auf eine Übergangszeit vor, in der sie statt Wasserstoff zunächst Erdgas einsetzen, um damit Eisenerz zu sogenanntem „Eisenschwamm“ (DRI) zu reduzieren. Der wird schließlich in einem Elektrolichtbogenofen mit Schrott zusammengeschmolzen. Schon in diesem Schritt lasse sich eine hohe CO2-Einsparung realisieren, sagte Arcelor-Mittals Deutschlandchef Frank Schulz.

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Für den Umstieg auf grüne Produktionsverfahren hat Arcelor-Mittal einen detaillierten Fahrplan ausgearbeitet. Bereits 2026 will der Konzern mehrere Millionen Tonnen grünen Stahl produzieren – und setzt dabei neben der Wasserstoffproduktion auch auf ein Verrechnungsmodell, bei dem schrittweise Einsparungen im Produktionsprozess auf bestimmte Stahlmengen angerechnet werden können, die dann als grün zertifiziert werden.

Mit diesem Modell kann sich auch Nicole Voigt, Partnerin und Stahlexpertin bei der Strategieberatung Boston Consulting Group anfreunden. Der Vorteil für die Unternehmen: Schon vor dem Aufbau einer komplett klimaneutralen Produktion könnten sie grünen Stahl in kleineren Mengen anbieten. „Das gibt Unternehmen die nötige Flexibilität, früh in den Markt zu starten und die Reaktionen auszutesten.“

Denn der Aufbau einer klimaneutralen Produktion ist teuer. Allein für die deutsche Stahlindustrie rechnet die Wirtschaftsvereinigung Stahl (WV Stahl) mit einem Investitionsvolumen von 30 Milliarden Euro. Darin noch nicht berücksichtigt sind steigende Betriebskosten, die etwa durch den Einsatz des teureren Wasserstoffs anfallen.

Gefahr der staatlichen Abhängigkeit

„Wir rechnen durch den Umstieg auf klimaneutrale Produktionsverfahren mit Mehrkosten von bis zu 300 Euro je Tonne Stahl, wenn man die Betriebs- und Investitionskosten betrachtet“, rechnet Voigt vor. „Diese Mehrkosten müssen von allen Teilnehmern in der Wertschöpfungskette getragen werden – von den Stahlunternehmen selbst über Abnehmer wie die Autoindustrie bis zum Endkunden.“

Es ist der marktwirtschaftliche Weg, für den sich auch Laschet aussprach – der aber oft dann an seine Grenzen kommt, wenn es darum geht, auch mehr für ein nachhaltiges Produkt zu bezahlen. So forderte der Vorstandschef der saarländischen Stahlgruppe SHS, Karl-Ulrich Köhler, die Etablierung von Leitmärkten, die Anreize für den Einsatz grünen Stahls bekommen, um den Aufbau der dafür notwendigen Produktion zu fördern.

Kritische Töne bezüglich einer groß und langfristig angelegten staatlichen Förderung trug Klöckner-Chef Gisbert Rühl zur Diskussion bei. Es könne durchaus sein, dass die große Nähe zu staatlichen Geldern in der Stahlindustrie zu Bequemlichkeit führen könne, so der Manager.

„Ich halte das auch für gefährlich“, sagte Rühl – und zog einen Vergleich zur Digitalisierung, die bei Klöckner als beispielhaft gelungen gilt: „Wir haben uns bewusst selbst transformiert.“ Die Politik könne lediglich die Rahmenbedingungen bereitstellen. „Wenn sich nun alle auf den Staat verlassen, kann es passieren, dass die Transformation zu langsam abläuft.“

Mehr: Der aktuelle Boom trügt – Der Stahlbranche droht schon der nächste Absturz.

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1 Kommentar zu "Handelsblatt-Jahrestagung „Zukunft Stahl“: „Staat ist nicht der bessere Unternehmer“: Laschet gegen Einstieg bei Thyssen-Krupp"

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  • Nachdem „alle“ Länder dieser Welt ihre Interessen verfolgen, Märkte abschotten und Industriebeteiligungen /-Anteils-Bewegungen mit Stabskapazitäten begleiten/schützen/dirigieren, zeigt sich die reine Lehre des Herrn Laschet leider als brav und naiv.

    Der „Markt“ verfolgt knallharte Egoismen - siehe Kuka/China, siehe EADS, siehe Hochtief, siehe Hoechst/ Aventis etc. Diesen Egozentriker sollte man mit bisserl Kante begegnen können - wofür eine staatliche Minderheitsbeteiligung hervorragend geeignet ist. Eine unternehmerische Führung (mit Mehrheitsbasis) ist eine ganz andere Frage und sollte nur Allgemeingutplätzen vorbehalten bleiben - da bin ich ganz bei Herrn Laschet.

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