Luxusautos Das letzte große Projekt des Rolls-Royce-Chefs Torsten Müller-Ötvös

Der Rolls-Royce-Chef muss bei der Luxusmarke den Wandel vom Verbrennungs- zum Elektromotor moderieren.
München Für Torsten Müller-Ötvös ist es ein „historischer Schritt“. Ende 2023 werde Rolls-Royce sein erstes Elektromodell präsentieren, ab 2030 werde die Marke nur noch Elektroautos verkaufen, verkündete der Markenchef am Mittwoch. Schließlich hätten bereits die Gründerväter Henry Royce und Charles Rolls vor 100 Jahren Elektroautos bauen wollen, waren Stromantriebe doch schon damals deutlich leiser und effizienter als Verbrennungsmotoren. Der kühne Plan scheiterte: Schon im viktorianischen England fehlte es an Ladesäulen.
Heute stehen die Briten vor leeren Zapfsäulen und Müller-Ötvös will Rolls-Royce und den Elektroantrieb wieder zusammenbringen. Der Schritt in die Elektromobilität ist überfällig: Mit dem angekündigten Verbot des Verbrennungsmotors ab 2030 zwingt die britische Regierung die Industrie zum Umsteuern. Nach Mini setzt mit Rolls-Royce nun auch die zweite BMW-Marke einen Schlussstrich unter das Kapitel Verbrennungsmotor.
Müller-Ötvös wird diesen Wandel moderieren müssen. Es dürfte das letzte große Projekt des 61-jährigen Deutschen sein, der die britische BMW-Tochter seit über zehn Jahren führt. Eigentlich ist für BMW-Führungskräfte mit 60 Jahren Schluss. Doch das Projekt ist zu wichtig. „Spectre“ taufte der Rolls-Royce-Chef die Elektrolimousine, die wie immer eng mit dem Mutterhaus verzahnt sein wird.
Denn so, wie sich in der Vergangenheit der BMW 7er und die Rolls-Royce-Limousinen wichtige Komponenten und Motoren teilten, so wird auch der „Spectre“ ganz viel bayerische Starthilfe bekommen. 2022 will BMW den „i7“ auf den Markt bringen, der Antriebsstrang dürfte die Grundlage für den Elektro-Rolls-Royce bilden. Müller-Ötvös weiß: Ohne die Mutter aus München und ihre Technik würde die britische Luxusmarke heute nicht mehr existieren.
Allein: Es darf noch nicht den Anschein haben, als verwende Rolls-Royce Komponenten aus der schnöden Welt der automobilen Massenware. „Ein Rolls-Royce braucht immer einen gewissen Auftritt“, erklärt Müller-Ötvös. Er selbst verkörpert den Anspruch perfekt: schlanke Gestalt, feinster Zwirn, beste Manieren. Nach zehn Jahren auf dem Chefposten im britischen Exil kann man den deutschen Statthalter von einem britischen Edelmann kaum noch unterscheiden.
Gutes Gefühl für die Seelenlage der Klientel
Das ist wichtig in einem Geschäft, in dem viele Kunden persönlich in die Firmenzentrale in Goodwood kommen. Vor Ort wird dann gern noch einmal geklärt, welches edle Leder und welches seltene Gehölz den Innenraum zieren soll. Oder ob der Picknickkorb zum Preis eines Kleinwagens noch in den Kofferraum kommt.
Für die Seelenlage dieser Klientel hat Müller-Ötvös über die Jahre ein gutes Gefühl aufgebaut. „Schließlich wollen unsere Kunden ihre Autos nicht an jeder Straßenecke sehen.“ Die Gefahr ist überschaubar. Zwar hat sich Rolls-Royce dem Zeitgeist gebeugt und baut mit dem „Cullinan“ mittlerweile auch ein SUV. Auch bei chinesischen Jungmillionären erfreut sich die Marke großer Beliebtheit, was die Stückzahlen treibt. Doch Schaden wird die Exklusivität kaum nehmen. Gerade einmal 5000 Autos wird Rolls-Royce in diesem Jahr verkaufen – verglichen mit 2,5 Millionen der Muttermarke BMW.
Dennoch ist Rolls-Royce mehr als ein Anhängsel für den Münchener Autokonzern. Man arbeite „sehr, sehr profitabel“, sagt Müller-Ötvös, und das hilft auch dem Mutterkonzern. Seit Jahren versuchen die BMW-Strategen, mehr Marktanteile im Luxussegment zu gewinnen, denn dort erzielt Konkurrent Mercedes mit seiner S-Klasse die höchsten Renditen der Branche.
Gelingt es den Münchenern, die hohen Entwicklungskosten zwischen BMW und Rolls-Royce besser zu verteilen, dann wird die Lücke zum Rivalen kleiner. Bei der Kleinwagentochter Mini ist das bereits gelungen. Ab 2023 wird der Mini erstmals im BMW-Werk Leipzig gebaut. Das kommt für Rolls-Royce natürlich nicht infrage, Goodwood bleibt als Produktionsstandort gesetzt.
Dennoch wird die britische Luxustochter auch in Zukunft eng aus Deutschland geführt. Beispielsweise als Teil der Nachhaltigkeitsstrategie, die Konzernchef Oliver Zipse dem gesamten Unternehmen verordnet hat. So sollen alle Autos künftig so konstruiert werden, dass die Rohstoffe nach der Verschrottung möglichst unkompliziert wiederverwendet werden können. „Zirkularität“ heißt das jetzt in der BMW-Zentrale.
Eine Forderung, auf die Müller-Ötvös eine ganz eigene Antwort hat. „Ein Rolls-Royce wird nicht verschrottet“, erklärt der Markenchef. „80 Prozent der jemals gebauten Rolls-Royce sind noch auf der Straße.“
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