Ansteckungsgefahr Schulöffnung: Petition fordert Einsatz von Luftreinigern

„Es empört mich, dass die Geräte nicht mehr Einsatz finden“, sagt eine Lehrerin einer Schule am Niederrhein.
Düsseldorf Es ist eine paradoxe Situation: Viele deutsche Mittelständler haben für den Kampf gegen Corona sogenannte raumlufttechnische Anlagen auf den Markt gebracht. Entweder fest installiert oder als mobile Luftreiniger sollen sie das Risiko, sich mit dem Coronavirus anzustecken, minimieren.
Viele Restaurants, Hotels und Friseurbetriebe haben solche Geräte angeschafft. Doch sie sind größtenteils geschlossen. Schulen hingegen sind geöffnet. Aber hier sind nur die allerwenigsten Einrichtungen mit Luftreinigern versorgt, wie eine stichprobenartige Umfrage des Handelsblatts unter den Herstellern ergab.
Der Fachverband Gebäude-Klima (FGK) geht davon aus, dass in Deutschland weniger als zehn Prozent der Klassenzimmer mit einer mechanischen Lüftungsanlage ausgestattet sind. Das ist ein Bruchteil von Deutschlands rund 40.000 Schulen und den knapp 58.000 Kitas.
Das geht Hans Fleisch gegen den Strich. Der frühere Generalsekretär des Bundesverbands deutscher Stiftungen hat eine Gruppe von Führungskräften aus der Stiftungswelt hinter sich gebracht und eine Petition beim Bundestag eingereicht.
Das Ziel: ein nationales Programm für gute Luftqualität an Deutschlands Schulen. Zu den Erstunterzeichnern zählen unter anderem der Arzt und Moderator Eckart von Hirschhausen und der Drogerie-Unternehmer Dirk Roßmann.
Es gebe in den skandinavischen Ländern bereits seit Jahren Regelungen, heißt es in der Petition. „In Deutschland dagegen ist praktisch nichts passiert“, schreibt Fleisch, und er sagt: „Wir können nicht warten, bis einzelne Schulträger sich zu den notwendigen Investitionen aus eigenen Budgets durchgerungen haben.“
Warum es immer noch keine einheitlichen Regelungen für Luftreiniger gibt
Der Initiator Fleisch ist unter anderem auch bei der Heinz-Trox-Stiftung aktiv. Ihr gehört mehrheitlich der Hersteller von Luftreinigern Trox aus Neukirchen-Vluyn. Daher betont Fleisch, dass dies keine Aktion der Trox-Stiftung sei, deshalb habe er namhafte weitere Stiftungen aktiviert, ebenso wie Andreas Schlüter, Generalsekretär des Stifterverbands für die deutsche Wissenschaft.
Doch warum braucht es eine Petition, wenn Lüfter bereits staatlich gefördert werden? Es ist, wie in der Corona-Lage derzeit fast immer, unübersichtlich. Die Regierungen der Bundesländer entscheiden sehr unterschiedlich: Manche fördern die Anschaffung, manche verweisen auf das Umweltbundesamt und dessen Empfehlung, häufiger zu lüften.
Das Robert Koch-Institut empfiehlt zunächst die AHA-Regeln und Lüften. Manche Städte haben aber bereits Luftreiniger für Bildungseinrichtungen angeschafft. So zum Beispiel Bremerhaven. Die Stadt hat bei der Firma Wolf aus Bayern, die auf raumlufttechnische Anlagen und Heizungen spezialisiert ist, 136 Luftreiniger für Schulen geordert.
Auf den zweiten Blick offenbart sich allerdings ein Problem mit der Datenlage. Auf der einen Seite können die zahlreichen Hersteller belegen, dass ihre Geräte die Luft mithilfe von sogenannten Hepa-Filtern H13 und H14 sehr gut filtern. So hat zum Beispiel der Wissenschaftler Christian Kähler von der Bundeswehruniversität in München für das Unternehmen Trotec Luftreiniger getestet und bescheinigt die bessere Luftqualität. Auch hat das Fraunhofer-Institut für den Hersteller Deconta die Virenbelastung untersucht und festgestellt, dass weniger luftgetragene Viren nach Einsatz des Geräts gefunden wurden. Und in der Petition des Stiftungsexperten Fleisch heißt es, dass gute Luftqualität erheblich das Risiko verringern würde, sich im Klassenzimmer mit dem Sars-CoV-2-Virus, Influenza oder anderen Krankheitserregern über luftgetragene Aerosolpartikel zu infizieren. Das sei wissenschaftlich unstrittig.
Aber die bisherigen Untersuchungen sind alle im Auftrag der Hersteller erfolgt. Und im Feld, also in der praktischen Anwendung, gibt es noch zu wenig wissenschaftliche Studien und Erkenntnisse. Denn die Luftreiniger wurden bislang zu wenig eingesetzt.
Erste Hoffnung: Covid-19-Fälle, die sich nicht ausbreiteten
Hier berufen sich die Hersteller vor allem auf anekdotische Evidenz. Das Handelsblatt hat an den genannten Stellen nachgefragt. Eine Lehrerin einer Schule am Niederrhein, die ein Gerät von Trox im Klassenraum hatte, sagt etwa, die Geräte gäben ein großes Sicherheitsgefühl. „Es empört mich, dass die Geräte nicht mehr Einsatz finden.“
Interessant sind auch die Erfahrungen des Herstellers Deconta aus Isselburg, der vor allem mobile Geräte verkauft. In zwei Kindertagesstätten mit positiven Covid-Fällen seien keine weiteren Ansteckungen erfolgt. Dabei sei einmal ein Kind erkrankt und einmal eine Arbeitskraft, die mit den ganz kleinen Kindern arbeitete.
Der Träger der Einrichtungen ist der Kreissportbund Borken. Dessen Vorstandschef Georg Hebing sagt, er habe inzwischen insgesamt 39 Geräte für die Einrichtungen angeschafft. Dafür habe er die allgemeinen Zuschüsse des Landes NRW in Höhe von 1500 Euro pro Kita genutzt, aber auch Gelder umgeschichtet. „Dann gibt es eben weniger Puppen und Stifte“, sagt er. Er hat offenbar ordentlich umgeschichtet, denn ein Luftreiniger kostet rund 3000 Euro.
Ihm sei es wichtig gewesen, die Mitarbeiter zu schützen, die zum Beispiel wegen ihres Alters schon zur Risikogruppe zählten oder wegen Atemwegserkrankungen hätten zu Hause bleiben müssen.
Luftreiniger könnten weitere Schulschließungen verhindern
Das sind noch keine wissenschaftlichen Nachweise. Aber die Erzählungen machen Hoffnung. Denn derzeit besteht die Gefahr, dass wegen fehlender Studien im nächsten Winter erneut Luftreiniger in Schulen fehlen. Oder eben ungeeignete Geräte angeschafft werden, die noch nicht ausreichend für Klassenräume getestet wurden.
In der Petition heißt es: „Bei flächendeckender bundesweiter Umsetzung von professionellen maschinellen Lüftungsanlagen mit Wärmerückgewinnung anstelle von Notlösungen über Fensterlüftung und/oder den Einsatz von mobilen Luftfilteranlagen würden die Gesamtkosten für die Nachrüstung bei nur einem Bruchteil dessen liegen, was einzelnen Wirtschaftsunternehmen wie Tui, Karstadt jeweils im Zusammenhang mit der Coronakrise an Staatshilfen zugebilligt wurde.“
Pro Schüler und Lehrer lägen die einmaligen Kosten deutlich unter 500 Euro. Dies sei eine „nachhaltige Lösung, die aktuell und dann über viele Jahre verschiedene positive Effekte erbringt und sich auch volkswirtschaftlich rechnet“, heißt es weiter.
Ende Januar hatte Thomas Fischer vom Filterspezialisten Mann+Hummel im Handelsblatt-Interview bereits darauf aufmerksam gemacht, dass pro Klassenzimmer das Leasing eines Luftreinigers monatlich weniger als 50 Euro kosten würde.
Mehr: Was Schulen und Unternehmen vor dem Kauf eines Raumluftfilters gegen Corona wissen müssen
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