Energiewende Warum ein „Oligarch“ an den Wiederaufstieg der deutschen Solarindustrie glaubt

Anteile an einem russischen Kaliproduzenten machten den Investor reich.
Wien Piotr Kondraschow soll ein milliardenschwerer Oligarch sein, schreibt das Wirtschaftsmagazin „Forbes“. Ein russischer Neureicher also, der in den 1990er-Jahren zu Staatseigentum gekommen ist, im Trubel nach dem Zerfall der Sowjetunion.
Glamour strahlt der 72-jährige Großaktionär der Schweizer Solarfirma Meyer Burger allerdings nicht aus: In den altmodisch eingerichteten Wiener Büros begegnet man vielmehr einem Mann, der vom Leben und der Arbeit in der sowjetischen Rohstoffindustrie gezeichnet scheint.
Kondraschow besitzt weder eine Jacht noch einen Fußballklub, beides beliebte Prestigeobjekte von sogenannten Oligarchen. „‚Forbes‘ hat sich nie bei mir gemeldet“, sagt Kondraschow, der bei der Frage, ob er nun Milliardär sei oder nicht, bloß die Hände verwirft.
Über 35 Jahre, fast sein ganzes Berufsleben, hat der Bergbauingenieur für den russischen Kaliförderer und Düngerhersteller Silvinit gearbeitet. Am Schluss war er Generaldirektor des Unternehmens, und im Zuge der Voucher-Privatisierung zu Beginn der 90er-Jahre wurde er auch einer von dessen Eigentümern.
Zu einem Barvermögen kam Kondraschow Ende 2010, als Silvinit im russischen Konkurrenten Uralkali aufging und der zweitgrößte Kaliproduzent der Welt entstand. Der Russe besaß knapp 14 Prozent an Silvinit.
Die Strippen bei dieser Fusion zog allerdings der Geschäftsmann Suleiman Kerimow im Einvernehmen mit Wladimir Putin, der damals Ministerpräsident war. Kondraschow hätte es bevorzugt, wenn Silvinit selbstständig geblieben wäre. Sein Verhältnis zu Kerimow war angespannt. Aber er sei damals bereits 60 Jahre alt gewesen – zu alt zum Kämpfen, wie er sagt.
Aus der Sowjetunion in die Schweiz
Seither betätigt sich Kondraschow als Investor. Sein Hauptwohnsitz ist zwar Wien als eine Art Exil; sein größtes Einzelinvestment stellt jedoch die Beteiligung an Meyer Burger dar, und der Großteil seines Vermögens ist in der Holding Elbogross gebündelt, die ihren Sitz im Schweizer Kanton Zug hat.
Mit seinem Geld hat Kondraschow Meyer Burger vor dem Untergang gerettet. Das Unternehmen war einst mit Diamantdrahtsägen zum Schneiden von Siliziumwafern ins Solargeschäft eingestiegen. Ab 2016 geriet Meyer Burger aber zunehmend in Schwierigkeiten. Wie die europäische Solarbranche insgesamt hielt die Firma dem Druck der chinesischen Konkurrenz nicht stand.
Als Meyer Burger 2016 vor der Insolvenz stand, fungierte Kondraschows Anlagefirma Sentis, ein Vehikel von Elbogross, als größte Geldgeberin einer Kapitalerhöhung. Und im vergangenen Jahr zeichnete Sentis erneut Aktien im Umfang von 50 Millionen Franken. Damals nahm Meyer Burger 165 Millionen Franken auf, um die Neuausrichtung zu finanzieren.
Meyer Burger will nicht mehr bloß Maschinen zur Solarmodulproduktion verkaufen. Als reiner Ausrüstungshersteller sei man chancenlos, sagt der deutsche CEO Gunter Erfurt. Deshalb stellt das Unternehmen nun auch die Solarmodule selbst her. Dafür hat Meyer Burger in Sachsen und Sachsen-Anhalt zwei Fabriken gebaut; vor Kurzem gab die Firma zudem bekannt, dass auch in den USA eine Produktionsstätte entstehen soll.
Firmenchef Erfurt kennt die heftigen Ausschläge, welche die Solarindustrie in den vergangenen Jahren erlebt hat, aus eigener Erfahrung. Einst hatte er als Ingenieur und Manager für die deutsche Solarworld gearbeitet, die 2017 insolvent ging.
Schweizer Solarmodule mit besonders hohem Wirkungsgrad
Im Konkurrenzvergleich verfügen Meyer Burgers Solarmodule angeblich über einen hohen Wirkungsgrad. Das Schweizer Unternehmen hat dies in erster Linie einem deutschen Unternehmen zu verdanken: Vor rund zehn Jahren hatte Meyer Burger die sächsische Gesellschaft Roth & Rau übernommen und sie innerhalb der Gruppe zum Kompetenzzentrum für die Solarzellentechnik gemacht.
Bei den Investoren kommt die neue Strategie des Unternehmens an. „Meyer Burgers Story ist vielversprechend“, sagt Constantin Hesse vom Aktienbroker Jefferies. Mittlerweile weist Meyer Burger wieder eine Börsenkapitalisierung von rund einer Milliarde Euro auf. Kondraschow hält nach einigen Verkäufen noch 9,5 Prozent an der Firma.
Die Neuausrichtung von Meyer Burger verlief allerdings spannungsreich. Sentis drängte etwa auf eine komplette Erneuerung des Aufsichtsrats und ging dabei im Stil eines aktivistischen Investors vor. Allerdings scheint Kondraschow keine Lust mehr zu verspüren, solche Konflikte selbst auszutragen. Diese Arbeit hat er an zwei aus Österreich stammende Finanzexperten delegiert, die bei Elbogross als Aufsichtsräte fungieren.
Kondraschow, der statt eines Smartphones ein klassisches Handy nutzt und keinen Computer bedient, scheint derweil gern in Nostalgie zu schwelgen. „Ich habe in der Sowjetunion ein glückliches Leben verbracht“, sagt er.
Die Existenz war weitgehend vorbestimmt: Der Staat sorgte für die Ausbildung, die Wohnung und den Arbeitsplatz. Er bestimmte auch, dass Uniabsolventen auf ihrem ersten Posten nach dem Studium mindestens drei Jahre ausharren mussten – bei Kondraschow war das eben Silvinit.
Kondraschow erzählt von diesem starren System, als wäre es ein bescheidenes Paradies gewesen.
Kondraschow: „Ich wünsche niemandem ein Leben im Russland Anfang der 90er“
Aber ist er nicht dank der Einführung der Marktwirtschaft überhaupt wohlhabend geworden? „Ich wünsche niemandem ein Leben, wie man es Anfang der 1990er-Jahre in Russland führen musste“, sagt er. Hohe Inflationsraten machten den Menschen das Leben schwer. Als Manager habe er manchmal kaum gewusst, wie er die Gehälter bezahlen solle, erzählt Kondraschow.
Doch vielleicht hängt seine Wehmut auch mit den Sitten zusammen, die in Putins Russland herrschen. Wie rau sie sind, bekommt der Investor gerade zu spüren.
Vor sieben Jahren ist das russische Finanzinstitut Ecoprombank in Konkurs gegangen. Blogs behaupten, Kondraschow sei einer der geheimen Eigentümer des Instituts gewesen. Zudem werfen sie ihm Straftaten vor. In der Schweiz und in Österreich wehrt er sich rechtlich gegen die Vorwürfe und deren Verbreitung. Russische Behörden bestätigen, dass gegen Kondraschow kein Strafverfahren läuft.
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