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Ehrbare EliteAuf der Suche nach dem „guten Unternehmer“

Die einen verschenken ihr Vermögen, die anderen gründen gemeinnützige Stiftungen - Führung mit Fürsorge und moralischen Prinzipien ist wieder gefragt. Doch was genau machen „gute Unternehmer“ wie Robert Bosch anders? 19.03.2012 - 10:24 Uhr Artikel anhören

Ex-Deutsche Bank-Chef Josef Ackermann machte sich nicht nur durch sein „Victory-Zeichen“ beim Mannesmann-Prozess unbeliebt.

Foto: ap

Der Philosoph Wolfgang Kersting schrieb schon 2008: „Immer dann, wenn die Wirklichkeit nicht mit unseren Vorstellungen eines gelingenden Lebens und einer guten Ordnung übereinstimmt, rücken wir ihr mit Ethik zu Leibe.“ Die nachfolgenden Jahre bestätigten seine These: Finanzkrise und Euro-Krise haben die Menschen verunsichert und sie daran zweifeln lassen, ob sie in einer guten Ordnung leben, in der das Leben gelingen kann. Entsprechend groß ist der Bedarf an Ethik – und an Vorbildern, an Menschen, die für das Gute stehen.

Das sind Leute wie einst die Unternehmer Carl Zeiss und Robert Bosch, deren Unternehmen als Stiftungen bis heute auch der Allgemeinheit dienen. Oder wie Alfred Herrhausen, der als Chef der Deutschen Bank den Mut hatte, einen Schuldenerlass für arme Staaten zu fordern. Oder wie Berthold Beitz, der im Krieg Juden vor den Nazis rettete und bei Krupp die Tradition des Konzerns pflegte, die Arbeiternehmer fürsorglich zu behandeln – während andere derartige Traditionen aus Kostengründen entsorgten.

Ex-Bundespräsident Horst Köhler forderte in dieser Woche beim „Wittenberger Gespräch“ eine „echte Elite, mit Leistung und mit Sinn für ihre Verantwortung auch der Allgemeinheit gegenüber“. Aber ist das neue Interesse am „Guten“ nicht nur eine Mode, die rasch verschwindet, wenn die Krisen vorbei sind? Ist Ethik vielleicht eine Frage der Konjunktur – mit verschobenen Phasen: Wenn die wirtschaftliche Konjunktur einbricht, schießt die Wertschätzung der Moral nach oben?

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Diese Sicht wäre zu pessimistisch. Denn es gab schon vorher Unternehmer, die mitten im modernen Kapitalismus an die alten Vorbilder der Großzügigkeit angeknüpft haben. Man denke nur an Bill Gates, der zusammen mit seiner Frau Melinda die gewaltigste private Stiftung betreibt, die es je gegeben hat. Oder an Warren Buffett, den genialen Investor, der den Löwenanteil seines riesigen Vermögens seinem Freund Gates für dessen Stiftung vermacht hat. Seine lapidare Begründung: „Es ist schmerzlich, auf so viel Geld zu sitzen.“

Nachdem in den Jahren der großen Gewinne und der großen Gier gute Menschen als „Gutmenschen“ abqualifiziert wurden, sind sie jetzt wieder gefragt. Der Anspruch an die moralischen Qualitäten der Politiker ist deutlich gestiegen, aber auch der „gute Unternehmer“ ist wieder gefragt, die Formel vom „ehrbaren Kaufmann“, die es seit dem Mittelalter gibt, klingt ganz neu.

Nur: Was ist das, ein guter Unternehmer? Hier können nicht allein Milliardäre wie Gates und Buffett gemeint sein, die ihr Vermögen verschenken.

Porträt des deutschen Erfinders und Unternehmers Robert Bosch.

Foto: dapd

Der gute Unternehmer: Darunter stellen wir uns eine Persönlichkeit vor, die der ganzen Atmosphäre im Betrieb und im Umgang mit Kunden oder anderen „Stakeholdern“, wie das Neudeutsch heißt, einen menschlichen Zug verleiht.

„Gut“ heißt dabei nicht nur moralisch gut. Gefragt sind Unternehmer, die das schaffen, was sie sich vornehmen – hier klingt das an, was die Italiener, ähnlich wie ihre antiken Vorfahren, „virtù“ nennen: „Tugend“, die sich nicht in guten Absichten erschöpft, sondern, wie Ernst Bloch es formuliert hat, „ins Gelingen verliebt ist“.

Ein Mensch dieser Art wird häufig auch beschrieben als jemand, „der sich nicht verbiegt“. Diese Redensart hat uralte theologische Wurzeln, die zurückreichen bis Augustinus. Und Martin Luther hat den „in sich verkrümmten Menschen“ als den Sünder im tiefsten Sinne bezeichnet.

Herbert Marcuse hat im 20. Jahrhundert das Schlagwort vom „eindimensionalen Menschen“ geprägt: Leute, die den Blick für das Leben um sich herum verloren haben, weil sie nur noch mit sich und ihren eigenen, eng gefassten Zielen beschäftigt sind. Und kennen wir nicht alle diese verkrümmten Menschen, gerade im Wirtschaftsleben, die nur noch in Zahlen, Renditen und Zielvorgaben denken können?

Diese Leute sind manchmal skrupellose Egoisten, aber oft genug auch pflichtversessene, gefühlskalte Bürokraten, deren berufliches Weltbild um alles Außerökonomische bereinigt worden ist. Die Religion oder die Verankerung in einer eigenen Weltanschauung kann dies verhindern – Beispiele dafür sind der Christ Heinrich Deichmann und dm-Gründer Götz Werner, der sich zur Anthroposophie bekennt.

Der gute Unternehmer: Das ist nicht immer jemand, der durch eine besonders strenge moralische Erziehung gegangen ist. Sondern eher einer, der Abstand zu seiner Rolle bewahrt hat, sich nicht völlig von ihr vereinnahmen lässt. Der im Betrieb genauso als Mensch auftritt, wie er das zu Hause tut: Private und öffentliche Werte kann man nicht trennen, sagt Trumpf-Chefin Nicola Leibinger-Kammüller. Das heißt nicht, blind zu sein für betriebswirtschaftliche Erfordernisse. Das heißt auch nicht, schwächelndes Gutmenschentum zu zelebrieren. Im Gegenteil: Wer sich in verantwortungsvoller Position ein Mindestmaß an Souveränität bewahren will, braucht vor allem eines: Stärke, innere Kraft.

Heinrich Deichmann

Wie die Bibel den Schuhgroßhändler leitet

Bessere Unternehmer durch großzügige Spenden? Microsoft-Gründer Bill Gates und Investment-König Warren Buffett.

Foto: ap

Vielleicht sollten bei den Ethikkursen, die allenthalben jetzt auch für Studenten der Wirtschaftswissenschaften angeboten, sich wenigstens ein Modul mit dieser einfachen und zugleich sehr schwierigen Frage beschäftigen: Wie schaffe ich es, ein Mensch zu bleiben? Es kann nicht nur darum gehen, moralische Regeln und ethische Begründungen durchzudiskutieren. Noch wichtiger ist es, sich die moralischen Intuitionen, über die eigentlich jeder Mensch verfügt, nicht schon im Studium oder dann später im Beruf abgewöhnen zu lassen.

Ausgerechnet Adam Smith, der Begründer der modernen Ökonomie, hat als Moralphilosoph diesen Intuitionen mit seiner „Theory of moral sentiments“ ein ganzes Buch gewidmet: Er war weit davon entfernt, den eindimensionalen Menschen zu predigen. Smith, dem immer noch der Ruf anhaftet, eine kalte Wissenschaft ins Leben gerufen zu haben, hatte ein sehr genaues Verständnis für Menschen.

„Mensch bleiben“, heißt also das Thema. Aber was damit gemeint ist, unterliegt einem gesellschaftlichen Wandel. War der menschliche Unternehmer vor 100 Jahren noch der freundliche Patriarch, der sich mit väterlicher Bevormundung um seine Leute kümmerte, so sind jetzt andere Qualitäten gefragt. Heute wollen Arbeitnehmer vor allem eines: ernst genommen werden – und sie spüren genau, ob das Ernstnehmen wirklich ernst gemeint oder nur eine Pose ist.

Auch die Öffentlichkeit legt heute andere Maßstäbe an – nicht nur an Unternehmer, sondern an alle herausragenden Persönlichkeiten. Den Trend zeigt zum Beispiel die Star-Sopranistin Anna Netrebko, die unbefangen über Shopping-Touren und ihre Vorliebe für Christina Aguilera plaudert – unnahbare Diven wie einst „die Callas“ sind nicht mehr gefragt. Ein anderes Beispiel ist die neue, königlich verheiratete Mode-Ikone Kate Middleton, die zu ihrem extravaganten Kopfschmuck Kleidung von der Stange trägt.

So wünschen sich erwachsene Demokraten heute „große Menschen“: als Typen, die zwar Herausragendes leisten oder eine außergewöhnliche Position haben, einem ansonsten aber auf Augenhöhe begegnen. Als souverän erweist sich, wer entspannt ist und ein Mindestmaß an echtem Humor (also Humor sich selbst gegenüber) mitbringt; wer dagegen versucht, sich übermäßig zu stilisieren, fällt schnell durchs Raster.

Josef Ackermann, der scheidende Chef der Deutschen Bank, wirkte in der Öffentlichkeit oft unnahbar und bekam auch dadurch Probleme mit ihr – und das, obwohl er privat und im Kollegenkreis als sehr umgänglich gilt. Ob ein Unternehmer als „gut“ wahrgenommen wird, ist eben auch eine Frage des Stils: Warren Buffetts kumpeliger Auftritt macht ihn erst richtig zum Popstar, der Investoren und Gutmenschen zugleich begeistert.

Einen Punkt darf man freilich nicht übersehen: Wie „gut“ ein Unternehmer sein kann, hängt auch davon ab, welches Geschäft er betreibt – und das kann man sich nicht immer aussuchen. Beispiel Finanzbranche: Für eine kleine, feine Privatbank wie Metzler mit einer vermögenden Kundschaft ist es auch rein geschäftlich sinnvoll, eine objektive Beratung anzubieten – nicht nur aus ethischen Gründen.

Wer dagegen das Massengeschäft betreibt und eine große Vertriebsorganisation auslasten muss, ist praktisch gezwungen, hauseigene Produkte oder solche mit hohen Provisionen ins Programm zu nehmen – unabhängig vom Kundennutzen. Ein Konzern, der so stark wie die Deutsche Bank vom Investment-Banking abhängig ist, kommt kaum ohne „spekulative“ Geschäfte aus – und begibt sich damit sehr schnell auch in problematische Bereiche wie etwa den Rohstoffmarkt, von dem die Brotpreise in Schwellenländern abhängen.

Es gibt noch weitere Beispiele. Eine feine Uhrenmanufaktur, die ihre Ware für vier oder fünfstellige Summen pro Stück verkauft, braucht keine Zulieferer mit prekären Arbeitsverhältnissen in China oder Bangladesch. Bei einer Bekleidungskette, die preiswerte Ware für Teenager anbietet, sieht das ganz anders aus.

Wer ein „guter“ Unternehmer ist, lässt sich also kaum in absoluten Maßstäben messen – die Spielräume für ethisch motivierte Entscheidungen variieren sehr stark je nach Branche, aber auch danach, ob ein Unternehmen eine gute oder eine schlechte Position am Markt hat.

Genauso wichtig: Für eine Kapitalgesellschaft, die mit jedem Quartalsbericht die Investoren überzeugen muss, sind langfristige Ziele beinahe ein Luxus. Für ein Familienunternehmen ist die langfristige Perspektive, die aus ethischen Gründen häufig die bessere ist, dagegen auch rein geschäftlich sinnvoll. Der „gute“ Familienunternehmer ist daher nicht nur aus Tradition gut, sondern auch aus wohl verstandenem Eigeninteresse. Das spricht freilich nicht gegen Familienunternehmen – sondern eher für diese Art, Wertschöpfung im ganz wörtlichen Sinn zu betreiben.

Aber was ist mit den ganz neuen, jungen Stars wie Mark Zuckerberg? Ist der Facebook-Gründer ein Absahner, der skrupellos das Privatleben seiner Kunden zu Geld macht? Oder der nette Junge, der seine Kunden zu einer großen, glücklichen Gemeinschaft macht? Diese Frage ist noch nicht entschieden. Das Internet ist eine neue Welt, und seine „Bewohner“ müssen erst noch ausdiskutieren, was hier als gut und böse, als erlaubt und verboten gilt. Wahrscheinlich bleibt es der jungen Generation, die mit dieser Welt aufgewachsen ist, vorbehalten, die neuen Maßstäbe zu definieren – und damit auch, wer hier ein „guter  Unternehmer“ ist.

Die leicht ironische Eingangsbemerkung des Philosophen Kersting, dass wir der Wirklichkeit mit Ethik „zu Leibe rücken“, verweist auf ein weiteres Problem: Vor allem in größeren Unternehmen ist es allein mit dem guten Willen und großen Persönlichkeiten nicht getan. Um Problemen wirklich „zu Leibe zu rücken“, braucht man Analysen und dann vor allem Regeln, die kommuniziert werden und deren Einhaltung kontrolliert wird – nicht nur innerhalb des Konzerns, sondern auch bei den Zulieferern. In dem Punkt hat sich bei den großen Konzernen in den letzten Jahren eine Menge geändert – ein Vorreiter war die Otto-Gruppe, die sich schon früh der Ökologie verschrieb.

Zunächst ist der Stil der Kommunikation offener geworden. Wenn heute ein Problem auftaucht, streitet man es nicht mehr ab, sondern die Standardreaktion lautet: Wir nehmen das sehr ernst, wir kümmern uns darum. Organisationen wie Greenpeace oder der World Wildlife Fund sind nicht mehr nur lästige Stimmen, sondern eher Partner, deren Kompetenz man schätzt – und mit deren Kooperation man sich gerne schmückt. Die Frage, ob für die Produktion von Palmöl Orang-Utans ihre Lebensgrundlage verlieren, hat heute keinen Niedlichkeitsfaktor mehr.

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Und während akademische Philosophen noch darüber streiten, wie weit die Verantwortung von Unternehmen geht, haben die Konzerne längst gehandelt: Sie kontrollieren auch die Arbeitsbedingungen bei Zulieferern in Indien oder China, halten dort Schulungen über Arbeitnehmerrechte ab und berichten über Verstöße gegen ihre eigenen Ethik-Richtlinien. Ganze Stabsabteilungen und neue Berufsbilder sind rund um die Ethik im weltweiten Geschäft entstanden. Die Gefahr hier ist natürlich, dass PR und echter Einsatz miteinander verschwimmen – „Greenwashing“ heißt das Schlagwort dafür.

Umso wichtiger ist es, dass jenseits aller Regeln ein echtes lebendiges Engagement zu spüren ist, das von der Spitze des Unternehmens getragen wird. Wo dieser Einsatz nicht mehr sichtbar ist, verschwindet der „gute Unternehmer“ hinter der Fassade eines korrekt aufgestellten Unternehmens. Aber nicht alles, was korrekt ist, ist auch gut. Und nicht alles, was gut ist, ist völlig korrekt.


fw
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