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1. Human AI Art Award 2024Besser als Alexa

Ein Environment vor dem Kunstmuseum Bonn macht die Übergriffigkeiten von virtuellen Sprachassistenten bewusst. Anlass ist die Verleihung des 1. Human AI Art Award an Lauren Lee McCarthy.Christiane Fricke 02.12.2024 - 10:27 Uhr aktualisiert Artikel anhören
Den Pavillon für das Environment „LAUREN: Anyone home?“ gestaltete Meiré und Meiré in Zusammenarbeit mit Ben Evans James. Dahinter steht die chinesisch-amerikanische Künstlerin Lauren Lee McCarthy, die kürzlich mit dem „1. Human AI Art Award 2024“ ausgezeichnet wurde. Foto: Norbert Ittermann

Bonn. Im Hof vor dem Foyer des Kunstmuseums Bonn steht ein polygonaler Pavillon mit tief heruntergezogenem, braun gedecktem Dach. Das Ganze wirkt von Weitem so schief wie eine deplatzierte Urwaldhütte. Doch der Blick durch das Fenster zeigt ein cleanes, technisch hochgerüstetes Inneres. Wer es betritt und sich in die sechseckige lilablaue Polsterlandschaft hineinlegt, könnte ein Gespräch beginnen.

Das Environment „LAUREN: Anyone home?“ ist ein Werk der chinesisch-amerikanischen Künstlerin Lauren Lee McCarthy, Preisträgerin des am 17. November verliehenen „1. Human AI Art Award 2024“. Ausgelobt haben ihn die Deutsche Telekom und das Kunstmuseum Bonn.

Von außen betrachtet ist nicht gleich ersichtlich, was dieses seltsam möblierte Ambiente mit Künstlicher Intelligenz zu tun hat. Es ist auch ohne KI-Komponente ein gelungenes Werk, wenn auch nicht vollständig. Denn wer sich auf ein Gespräch einlässt, bekommt es mit einer Person zu tun, die besser sein will als der bekannte virtuelle Sprachassistent Alexa von Amazon: menschlicher, persönlicher, empathisch und humorvoll.

McCarthys virtuelle Sprachassistentin bleibt unsichtbar, ist jedoch über Lautsprecher hörbar. Und was sie äußert, findet sich zeitgleich auf dem Bildschirm verschriftlicht, der von der Decke herabhängt. Auch die Antwort auf die auf Deutsch gestellte Frage, wann der nächste Zug nach Köln fährt.

Vermutlich ist es gut, nicht zu viel zu wissen, bevor man sich auf das Experiment einlässt. Also gar nicht erst das Foyer des Museums zu betreten! Denn dort sitzt vor einem Bildschirm in einem abgetrennten Bereich die Person, die zu festgesetzten Zeiten mit den nur für sie sichtbaren Besuchern des Pavillons kommuniziert.

Die Vorlage für „LAUREN: Anyone home?“ lieferte ein Dokumentarvideo, für das McCarthy Freiwillige eine Woche lang nonstop in ihren Wohnungen beobachtete. Über ferngesteuerte Kameras, Mikrofone und Lautsprecher schaltete sie sich in ihr Leben ein, gab Kommentare ab und verteilte Ratschläge, änderte sogar die Beleuchtung.

Der „Human AI Art Space?“ von Lauren Lee McCarthy sieht innen clean und technisch hochgerüstet aus. Wer sich in die sechseckige lilablaue Polsterlandschaft hineinlegt, könnte ein Gespräch mit dem nur scheinbar virtuellen Sprachassistenten beginnen. Foto: Norbert Ittermann

Das sind alles Übergriffigkeiten, die man selbst nicht unbedingt möchte. Hier werden sie bewusst. In Bonn treten diese kritischen Aspekte der Technologie offenbar in den Hintergrund, vermutlich, weil die Unterhaltung mit Lauren von kurzer Dauer ist, im öffentlichen Raum, also nicht in den eigenen vier Wänden stattfindet, und das Ganze einen eher experimentellen Charakter hat.

Eine Nachfrage bei denjenigen, die in Bonn mit den Teilnehmern via Kamera und Mikrofon kommunizieren, ergibt, dass die meisten Teilnehmer die Vorstellung, in letzter Instanz doch mit einem anderen Menschen zu kommunizieren, „beruhigend und hilfreich“ finden.

Ein Besucher soll seine anfängliche Skepsis revidiert haben, um nach längerer Interaktion überrascht festzustellen, dass die menschliche Alexa aufgrund ihrer empathischen Fähigkeiten etwa anhand von Körperhaltung, Gesten, Mimik ablesen kann, wie es der Person im Pavillon geht und die Möglichkeit hat, anders darauf zu reagieren. Das Gefühl, „endlich“ mal nicht bewertet zu werden und auch selbst nicht zu bewerten, da man das Gegenüber ja nicht sieht oder hört, hätten ziemlich viele als bereichernde Erfahrung beschrieben, erläutert die Kuratorin Nathalie Hoyos.

Am Ende des Nachdenkens müsste eigentlich die drohende allumfassende Überwachung stehen. Doch daran verschwendet auch Telekom-Chef Tim Höttges keinen Gedanken, wenn er den neuen KI-Fokus der Art Collection Telekom damit begründet, dass „durch und mit Kunst Ängste zur KI abgebaut und Chancen verdeutlicht werden“. Die Telekom ist Geld- und Haupt-Auftraggeber der Arbeit.

Ansicht der Ausstellung „LAUREN: Anyone home?“ von Lauren Lee McCarthy: Im Foyer des Kunstmuseums Bonn sitzt die Person, die zu festgesetzten Zeiten mit den nur für sie sichtbaren Besuchern des Pavillons kommuniziert. Foto: Norbert Ittermann

In der unternehmenseigenen Kunstsammlung kann man jedoch bereits sehen, wohin die immer mächtiger werdenden Systeme der Datenerfassung, -speicherung und -auswertung führen. Etwa am Beispiel von Kyriaki Gonis Videoinstallation „Not allowed for algorithmic audiences“ (2021), eine Arbeit, die im Frühjahr noch auf dem Fotofestival „Düsseldorf photo+“ zu sehen war.

Gegründet wurde die Kunstsammlung des Telekommunikationskonzerns 2010 mit einem Fokus auf die junge zeitgenössische Kunst aus Ost- und Südosteuropa. Das Kunstmuseum Bonn wiederum hat mit der Videosammlung Ingrid Oppenheim seit den späten 1980er-Jahren ein Auge auf die Medienkunst. Es ist auch Gastgeberin des „Videonale“-Festivals, das alle zwei Jahre die jüngsten Entwicklungen auf diesem Gebiet vorstellt. Die Kooperation mit der Telekom ist deshalb eine Win-win-Situation für alle Beteiligte.

Verwandte Themen Deutsche Telekom Künstliche Intelligenz Amazon Alexa Timotheus Höttges Software

„1. Human AI Art Award 2024. Lauren Lee McCarthy“, Kunstmuseum Bonn, bis 19. Januar 2025. Performances jeweils Sonntag am 1.12. und 5.1. 11 bis 14 Uhr, 15 bis 18 Uhr, 12.1. und 19.1. 15 bis 18 Uhr

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