Auktionshandel: Sotheby’s riskante Wette in der Not
Wiesbaden. Höhen und Tiefen hat das Auktionshaus Sotheby’s einige erlebt. Doch so stürmisch wie in diesem Jahr war es wohl noch nie. Spektakuläre Immobiliendeals wechseln sich mit Nachrichten um ein neues Preismodell, massive Schulden, Entlassungen und den Einstieg eines arabischen Investors ab. Das alles passiert vor dem Hintergrund massiver Umsatzeinbrüche in der gesamten Branche. Gegenüber dem schon schlechten Jahr 2023 sind dem gerade erschienenen „Artnet Intelligence Report“ zufolge die Auktionserlöse im ersten Halbjahr noch einmal um ein Viertel eingebrochen.
In der letzten Woche sorgte eine Story des „Wall Street Journal“ für Aufsehen, der zufolge sich leitende Angestellte von Sotheby’s Sorgen machten, das Unternehmen könnte laufende Gehälter nicht rechtzeitig zahlen. Zudem hätten sich bei Dienstleistern Zahlungsrückstände von einem halben Jahr aufgebaut.
Besitzer des ehemals börsennotierten, 280 Jahre alten Traditionsunternehmens Sotheby’s ist seit 2019 der Telekommunikationstycoon Patrick Drahi, den der Finanzdienst Bloomberg schon als „Schuldenkönig“ bezeichnet hat. Laut einem Bloomberg-Bericht von letzter Woche sind die Schulden des Unternehmens seitdem von einer Milliarde US-Dollar auf 1,8 Milliarden angeschwollen.
Vergebene Kredite gebündelt und beliehen
In seiner Not hat das Auktionshaus im Frühjahr ein neues Finanzprodukt entwickelt, mit dem es seine gegen Kunst als Sicherheit vergebenen Kredite im Umfang von 500 Millionen Dollar gebündelt und beliehen hat. Gleichzeitig habe Sotheby’s seinem Eigentümer großzügige Dividendenzahlungen geleistet, berichtete etwa die Londoner „Times“ im Juli. Demnach seien allein aus London in diesem und im letzten Jahr 66 Millionen Pfund ausgeschüttet worden.
Dabei sei es keineswegs so, dass Eigentümer Drahi sich am Unternehmen schadlos halte, betont eine Sotheby’s-Sprecherin auf Nachfrage des Handelsblatts: „Alle Dividenden verbleiben im Sotheby’s-Universum“, versichert sie. „Seit der Übernahme im Jahr 2019 hat das Unternehmen Dividendenzahlungen geleistet, um die Schulden der Holdinggesellschaft von Sotheby’s im Zusammenhang mit der Übernahme des Unternehmens zu tilgen, und es hat auch in das Wachstum unseres Unternehmens investiert.“ Unter anderem sei das Geld in die Erweiterung des Immobilienportfolios sowie in die strategischen Übernahmen der Spezialversteigerer RM Sotheby’s (Oldtimer) und Concierge Auctions (Immobilien) geflossen.
Der im August verkündete Einstieg des Staatsfonds Abu Dhabi Developmental Holding Co PJSC soll dem Unternehmen zusammen mit einer weiteren Investition Drahis im vierten Quartal eine Milliarde Dollar in die Kassen spülen – 700 Millionen davon sollen kurzfristig zur Schuldentilgung verwendet werden.
Gleichzeitig ist Sotheby’s mit einem neuen Preismodell, das ab dieser Saison greift, eine riskante Wette eingegangen. Das Aufgeld für Käufer wurde über alle Preisebenen hinweg von 26 bis 13,9 Prozent auf 20 bis zehn Prozent des Zuschlagpreises gesenkt, und auch das Abgeld, das den Einlieferern berechnet wird, wird vereinheitlicht und gesenkt. Das Auktionshaus verzichtet damit auf Marge und erhofft sich im Gegenzug höheren Umsatz.
Und es expandiert: In Hongkong wurde gerade ein erstes Ladengeschäft eröffnet, in Paris wird ein neues Hauptquartier bezogen, und in New York steht der Umzug ins Breuer Building an, in dem lange das Whitney Museum of American Art untergebracht war. Beim Personal wird hingegen gespart, besonders London wurde zurechtgestutzt.
Für Deutschland mit seinem Standort Köln gibt das Unternehmen Entwarnung: „Seit dem Markteintritt vor drei Jahren ist das Palais Oppenheim in Köln das ganze Jahr über Veranstaltungsort für Ausstellungen, Events und Schätztage sowie Live- und Online-Auktionen, wobei die Zahl der Auktionen stetig zunimmt.“ Die nächste Live-Auktion werde in Köln am 12. November abgehalten. Die Frage nach einem Personalabbau in Deutschland ließ die Sprecherin jedoch unbeantwortet.