Auktionsnachbericht: Starker Markt für hohe Qualität

Berlin. Als Markus Krause und Daniel von Schacky, Geschäftsführer und Partner von Grisebach, am 5. Juni um 18 Uhr ans Auktionspult traten, um bestens gelaunt den Evening Sale „Ausgewählte Werke“ zu eröffnen, war von den Ereignissen des Nachmittags nichts mehr zu spüren. Große Hoffnungen hatte man bei der Auktion „Kunst des 19. Jahrhunderts“ in die Strahlkraft einer Dresdener Privatsammlung mit Meisterwerken der Romantik gelegt und war jäh enttäuscht worden. Von den 22 Werken ging knapp die Hälfte zurück, alle vier Toplose im sechsstelligen Bereich fielen durch – zwei zwischen 140.000 und 200.000 Euro taxierte Gemälde von Carl Gustav Carus sowie zwei Zeichnungen von Caspar David Friedrich für 150.000 bis 300.000 Euro. Den höchsten Preis erzielte taxgerecht mit 101.600 Euro (inklusive Aufgeld) Carus’ „Waldlandschaft am Fluss“. Auch bei den restlichen gut 100 Losen der Sektion war die Nachfrage gering, insgesamt lag die Zuschlagquote deutlich unter 50 Prozent.
Man werde sich beraten, wie es mit der Abteilung weitergehe, erklärte von Schacky gegenüber dem Handelsblatt. Die Ermüdungserscheinungen beim 19. Jahrhundert beobachte man schon länger, nun sei es Zeit zu reagieren. Vor einigen Jahren hatte das Haus ähnliche Erfahrungen mit der Fotografieabteilung gemacht und das Angebot seitdem stark reduziert.
Insgesamt war man mit den Ergebnissen der Sommerauktionen jedoch sehr zufrieden. Vor allem der Evening Sale lieferte alles, was man sich von einer gelungenen Auktion erhofft: einen voll besetzten Saal, internationale Online- und Telefongebote, spannende Bietgefechte und spektakuläre Preissteigerungen. Rund drei Viertel der 87 „Ausgewählten Werke“ wurden zugeschlagen. Der Gesamtumsatz an den zwei Auktionstagen lag bei circa 19,5 Millionen Euro – ein Plus von über 54 Prozent im Vergleich zum Vorjahr.

Gleich das vierte Los des Abends, Per Kirkebys großformatiges Gemälde „Fünf“, war bei sechs Telefonbietern aus dem In- und Ausland sehr begehrt. Das auf 150.000 bis 200.000 Euro geschätzte Werk von 1989 ging für 571.500 Euro in eine deutsche Privatsammlung und stellte damit einen neuen Weltrekord für den dänischen Maler und Bildhauer auf. Seine Bronze „Tor I“ von 1987 wechselte für 158.750 Euro in dieselbe Sammlung.
Auch die anderen plastischen Arbeiten der Abendauktion erzielten durchweg sehr gute Preise. Karl Schmidt-Rottluffs „Bronzefigur einer kniend Betenden“ von 1922 spielte mit 152.400 Euro das Dreifache der unteren Taxe ein, Georg Kolbes Bronze „Totentanz“ von 1923 stieg von 90.000 auf 279.400 Euro, Wilhelm Lehmbrucks 1918 entstandener Steinguss „Mutter und Kind“ von 200.000 auf 330.200 Euro. Franz Wests überdimensionale Aluminiumskulptur „Flora“, die im Frühjahr noch den Außenbereich des Münchener Hauptsitzes der Generali Deutschland AG geschmückt hatte, wechselte für 571.000 Euro etwas unter der Schätzung in einen privaten Garten in Hessen.

Bei drei Werken hoffte man auf Millionenzuschläge. Auf jeweils eine bis 1,5 Millionen Euro geschätzt waren Max Beckmanns Stillleben „Orchester“ von 1932 sowie Lyonel Feiningers Gemälde „Vollersroda III“ aus dem Jahr 1916. Emil Noldes Gemälde „Feuerlilien und Rittersporn“ von 1920 sollte 900.000 bis 1,2 Millionen Euro einspielen. Die drei Toplose spiegelten bestens die momentane Situation des Kunstmarkts wider, der insgesamt deutlich selektiver, bei extrem seltenen Werken jedoch sehr entschlossen agiert.
Den Beckmann sicherte sich eine amerikanische Privatsammlung bereits zum Hammerpreis von 900.000 Euro, brutto 1,14 Millionen. Feiningers museales Werk mit herausragender Provenienz und bedeutender Ausstellungshistorie sorgte hingegen für ein intensives Bietgefecht, das eine internationale Sammlung erst bei 1,88 Millionen Euro für sich entscheiden konnte. Der Nolde wanderte hingegen in den Nachverkauf, wie auch drei seiner Aquarelle. Mit insgesamt zwölf offerierten Werken Emil Noldes an zwei Tagen war der Markt offensichtlich überbedient.

Bei den Arbeiten auf Papier mühte sich nicht nur Nolde, auch drei Werke von Otto Dix, zwei Lithografien von Ernst Ludwig Kirchner, ein Aquarell von August Macke sowie Picassos Aquatinta „La femme au tambourin“ gingen zurück. Franz Marcs Aquarell „Vögel über dem Dorf“ aus dem Jahr 1913 war dagegen heiß umkämpft und ging für 889.000 Euro, mehr als das Doppelte der unteren Schätzung, an einen Schweizer Privatsammler.

Die Unberechenbarkeit des Markts demonstrierten auch zwei Gemälde von Otto Dix: Während sein bei den „Ausgewählten Werken“ platzierter „Sonnenaufgang am Bodensee“ von 1939 mit Mühe die untere Taxe erreichte und mit Aufgeld 127.000 Euro einspielte, kletterte sein 1936 entstandenes Werk „Am Julierpass“ in der Auktion „Moderne Kunst“ am nächsten Tag von 80.000 auf 254.000 Euro.





