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  4. Eine Retrospektive gibt dem Markt der Bildhauerin Germaine Richier einen Impuls

Ausstellung in ParisEndlich wiederentdeckt – Das skulpturale Werk Germaine Richiers

Das Centre Pompidou würdigt die Lebensleistung von Germaine Richier und heizt so den gedrosselten Marktwert der französischen Bildhauerin an.Olga Grimm-Weissert 07.04.2023 - 09:19 Uhr Artikel anhören

Paris. Galeristen und Auktionatoren wussten es im Voraus: 2023 ist das Jahr der Bildhauerin Germaine Richier (1902–1959). Verdiente Wiederentdeckung einer zu lang übersehenen Künstlerin. Ihr Stil ist figurativ, bisweilen auch surreal. Berühmt sind Richiers monumentalen „Gottesanbeterinnen“.

In den letzten Jahren von den Museen vernachlässigt und am Markt unterbewertet, steht das Werk der Französin mit einer rund 200 Exponate umfassenden, exzellent präsentierten Retrospektive im Pariser Centre Georges Pompidou wieder im Fokus. Die Schau geht anschließend in das Musée Fabre in Montpellier, der Stadt, in der Richier starb. Aktuell zeigen auch die Pariser Galerien Clave Fine Art und Dina Vierny Arbeiten von Richier.

Germaine Richier war zu Lebzeiten bekannt und erfolgreich. Jedoch richteten Probleme zwischen ihrem zweiten Mann, dem Dichter René de Solier, und drei erbberechtigten Nichten großen Schaden an für den Nachlass.

Die Nichte und Schülerin der Bildhauerin, Françoise Guiter, verwaltete das Archiv und erstellte die Biografie ihrer Tante. Ihre Tochter Sophie Guiter gibt das Werkverzeichnis von Germaine Richier heraus, das im kommenden Juni im italienischen Verlag Silvana Editoriale zum Preis von 280 Euro erscheinen soll.

Jahrzehntelang war die Nachlassverwaltung von „viel Unverständnis“ geprägt, wie der Kunstspezialist im Auktionshaus Artcurial, Bruno Jaubert, die Situation elegant umschreibt. Der Bildhauer César (1921-1998), dessen Frühwerk stark von Richier beeinflusst war, weil er seine Kollegin sehr schätzte, erwähnte 1992 einen „Prozess, der den Verkauf ihrer Arbeiten jahrelang unterbrach“.

Überdies setzte sich Richiers feinfühliger, leider kommerziell wenig begabter Galerist Henri Creuzevault nicht entsprechend für das Werk der früh an Krebs verstorbenen Bildhauerin ein. Ein Frauenschicksal?

Unbedingt, laut der Aussage von Yoyo Maeght, der Enkelin des berühmten Pariser Galeristen Aimé Maeght. In ihrem Buch „Die Saga Maeght“ berichtet sie, dass die erste Ausstellung von Germaine Richier in der Galerie Maeght im Jahr 1948 ein Riesenerfolg war. Als aber Aimé Maeght kurz darauf Arbeiten von Alberto Giacometti entdeckte, wollte er diesen ebenfalls lancieren.

Kaum bekannt ist, dass Giacometti den Galeristen Maeght zwang, zwischen ihm und Germaine Richier zu wählen. Die Kunstmarktgeschichte kennt das Resultat des Deals zwischen den ehrenwerten Herren, sowie dessen Konsequenzen.

Giacomettis Skulpturen erzielen Preise weit über 100 Millionen Dollar. Der höchste Preis für Richier, bei Sotheby’s Paris 2017 für „La Tauromachie“ aus dem Jahr 1953 notiert, lag bei 3,1 Millionen Euro. Die – je nach Guss – 212 Zentimeter, beziehungsweise 223 Zentimeter hohe Skulptur „Don Quichotte“ versteigerte Christie’s 2014 in Paris für 1,7 Millionen Euro, Sotheby’s New York 2017 für 3 Millionen Dollar.

Privatsammlung

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Giacometti, bis heute als „Rivale“ von Richier bezeichnet, studierte in den 1920er-Jahren ebenso wie Richier beim Richtungweisenden Bildhauer Antoine Bourdelle. Bei ihm lernte die begabte Französin ihren ersten Ehemann, den Schweizer Plastiker Otto Bänninger, kennen. Das hat ihr den Aufenthalt in Zürich während des Zweiten Weltkriegs ermöglicht. In Zürich hatte sie Erfolg und zahlende Schüler, war mit den Schweizer Künstlern Diego und Alberto Giacometti befreundet.

Seit den 1940er-Jahren widmeten ihr die Schweizer Museen kontinuierlich Ausstellungen. Sie konnte auch an der ersten „documenta“ 1955 und mehrmals an der Kunstbiennale in Venedig teilnehmen. Als erste Frau erhielt sie bereits 1936 den gut dotierten New Yorker „Blumenthal“-Preis für Skulptur; und sie war auch die erste Künstlerin, der das Pariser Museum für Moderne Kunst zu Lebzeiten eine Einzelausstellung ausrichtete.

Während des Zweiten Weltkriegs wurden ihre Skulpturen radikaler, was sie selbst als die Suche nach „hybriden“, menschlich-tierisch-pflanzlichen Formen bezeichnete. Möglicherweise bereiteten ihre Insekten-Frauen so manchem männlichen Betrachter Unbehagen. Ihre dickbauchigen Männer oder Frauen mit zerquetschten, durchlöcherten Köpfen, aufgerissenen Körpern und dünnen Beinen beeindrucken gleichwohl bis heute zutiefst.

Viele Skulpturen wurden posthum gegossen

Seit 2015 bestücken die Erben Auktionen in Paris: Artcurial gab am 6. Dezember 2022 sechzehn Skulpturen und elf Papierarbeiten „vorwiegend an europäische Privatsammler ab“, wie Spezialist Jaubert berichtet. Viele Skulpturen waren klein und posthum gegossen. Daher lag der Höchstpreis bei 432.960 Euro für „L’Homme de la nuit“, eine unheimliche Vogelgestalt mit Penis. Zeichnungen und Graphik lagen preislich zwischen 1706 Euro und 5248 Euro.

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Die Erben wären gut beraten, nicht alles reglementieren zu wollen, weder die Fotoauswahl noch die Preise.

Centre Georges Pompidou, Paris, bis 12. Juni; Musee Fabre, Montpellier, 12. Juli bis 5. November. Katalog 45 Euro (in Frankreich). Das Werkverzeichnis erscheint Anfang Juni in Italien. Es kostet 280 Euro.

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