Privatsammlung Collection Cligman: Zeitgenössische Kunst in prunkvoller Abtei

Die Schenkung wird in einem eigens dafür gegründeten staatlichen Museum der Öffentlichkeit zugänglich gemacht.
Abtei Fontevraud Eindrucksvoll blenden die weißen Türme der Königlichen Abtei Fontevraud die Ankommenden. Zwischen Saumur und Chinon gelegen, fern ab von den üblichen Kunstzentren, wird im Loire-Tal eine bedeutende Kunstsammlung als Schenkung in einem eigens dafür gegründeten staatlichen Museum der Öffentlichkeit zugänglich gemacht. Anlass war der 101. Geburtstag des Textilindustriellen Léon Cligman im Mai 2021.
Zusammen mit seiner 1932 geborenen Frau Martine kaufte Léon Cligman seit den 1960er-Jahren in Galerien und auf Auktionen Gemälde, Zeichnungen, Kunsthandwerk und Kultobjekte aus aller Welt. Als erfolgreicher Aktionär berühmter Modemarken, etwa Yves Saint Laurent, Lacoste und Newman, und als Malerin und Bildhauerin unter dem Namen Martine Martine, erwarb das Paar Kunst, die ihnen spontan gefiel und mit der sie Jahrzehnte lang lebten.
Die heterogene Sammlung reicht von Gemälden von André Derain, Kees van Dongen, Juan Gris, Robert Delaunay, Bernard Buffet zu Skulpturen von Auguste Rodin, Edgar Degas und Germaine Richier, um die bekannteren zu nennen. Doch nur selten handelt es sich um Spitzenwerke der Moderne. Das gilt meist auch für die afrikanischen Ritualgegenstände, die mit harmonierenden Formen und Farben von Objekten aus den Kykladen, Lateinamerika, dem Vorderen Orient oder Ostasien gemeinsam präsentiert werden.
Eine glückliche Hand hatten die Sammler indes mit den wunderbaren Glasarbeiten von Maurice Marinot. In speziell angefertigten, von oben und unten beleuchteten Vitrinen kommen sie voll zur Geltung und nehmen den Dialog mit antikem Glas auf.
Insgesamt erhielt die Abtei von Fontevraud, die seit 1975 als Kulturzentrum geführt wird, 818 Werke in zwei Schenkungen von den Cligmans. Eine ging an den französischen Staat, die zweite an die Region.

Die Skulpturen Richiers harmonieren mit Buffets hartkantiger Skyline von New York.
Dass die Politik bei größeren Schenkungen eine wichtige Rolle spielt, beweist die Gegenwart des medial präsenten Senators Bruno Retailleau. Er ist auch einer der potentiellen Kandidaten der Republikaner für das Amt des Staatspräsidenten.
In seiner Funktion als Präsident des „Kulturzentrums des Westens Fontevraud“ erreichte Retailleau die Restaurierung der Gebäude, die Annahme der Cligman-Schenkung und die dafür nötige Gründung des Museums für moderne Kunst. Mittlerweile ergänzen ein Hotel und Luxusrestaurant das Museum in der monumentalen Abtei.
Das im Jahr 1101 von Benediktinern gegründete Kloster wurde immer von Äbtissinnen geleitet, obwohl dort auch Männer lebten. Ein Unikum in der französischen Geschichte, das fast 700 Jahre andauerte. Die Äbtissinnen, aber auch viele Nonnen, entstammten – wie üblich – meist dem Hochadel.

Das Ehepaar Cligman erwarb Kunst, die ihnen spontan gefiel und mit der sie Jahrzehnte lang lebten. Im Zentrum: Maurice de Vlamincks Gemälde "La Seine à Ivry".
Die berühmteste war die zweifache Königin Eleonore von Aquitanien, die auch mit dem englischen König Henry II., einem Plantagenet, verheiratet war. Sie zog sich im Jahr 1200 nach Fontevraud zurück und beauftragte farbig gefasste Grabmale für sich, ihren königlichen Gatten und ihren Sohn Richard Löwenherz. Die Besucher können sie in der weiträumigen Klosterkirche bewundern.
Die Französische Revolution säkularisierte die Abtei und vertrieb die letzte Äbtissin 1792. Daraufhin ließ Napoléon I. die Gebäude zu einem Gefängnis umbauen, das bis 1963 in Betrieb war.

Die Glasarbeiten kommen in von oben und unten beleuchteten Vitrinen voll zur Geltung.
Das Museum ist in den umgebauten ehemaligen Stallungen der Äbtissinnen auf drei Stockwerken untergebracht. Direktorin Dominique Gagneux ordnete gemeinsam mit der Innenarchitektin Constance Guisset die in alle geografischen und historischen Richtungen ausufernde Sammlung Cligman mit Fingerspitzengefühl neu. So wurde dem Gönnerpaar im gotischen Prunkbau ein Denkmal von ästhetischem Reiz gesetzt.
Unter dem freigelegten Dachstuhl wird über Handzeichnungen von André Derain und einem königlichen Bronzerelief aus Benin der erste französische Kulturminister, der Schriftsteller André Malraux, zitiert: „Schließlich und endlich ist das Museum ein Ort, der die edelste Idee des Menschen vermittelt“. Ein adäquates Motto für die Königliche Abtei von Fontevraud.
Mehr: Malerstar Yan Pei-Ming: Ausstellungen in Avignon und Colmar: Rollenspiel mit Papst
Das Kommentieren dieses Artikels wurde deaktiviert.