Ausstellung: Museum Abteiberg in Mönchengladbach: Security Check mit Julia Scher

Spielerisch heiter sind frühere Arbeiten mit klobigen Digital-Gerätschaften der 1990er-Jahre, wie in dieser Installation von 1998.
Mönchengladbach. „Don’t worry“ säuselt zur Begrüßung einschmeichelnd eine weibliche Stimme aus dem Off, keine Sorge, hier kümmert sich Video-Überwachung um die Sicherheit. Und keine Sorge, Überwachung ist nichts Schlimmes! Man geht unbeeindruckt weiter. Denn an allgegenwärtige Kamera-Augen sind wir alle längst gewöhnt.
Wenige Schritte weiter läuft man in die nächste Überwachungssituation. Ein Monitor zeigt zeitlich versetzt Aufzeichnungen aus dem Eingang. Wird hier jeder Schritt gespeichert? Natürlich nicht, versichert Susanne Titz, Direktorin des Museum Abteiberg in Mönchengladbach.
Seit den 1980er-Jahren hat die Künstlerin Julia Scher sich dem Themenkomplex der Überwachung verschrieben. Ihr Lebensthema wird heute gern als prophetisch bezeichnet; dabei war die Problematik ja eigentlich schon seit George Orwells 1949 erschienenen dystopischem Roman „1984“ in der Welt. Aber Scher erkannte früh deren Brisanz für die Kunst.
In Mönchengladbach schlägt die Überblicksausstellung „Hochsicherheitsgesellschaft“ einen Bogen über das Gesamtwerk von Julia Scher. 39 Werkgruppen und Einzelwerke umkreisen ihr Thema auf höchst subtile Weise. Denn Scher geht es nicht um Belehrung. Vielmehr nimmt sie die eigentümliche Ambivalenz der Kontrollmechanismen aufs Korn. Eine Zwiespältigkeit, die zwischen dem Wunsch nach Sicherheit und der Verteidigung des Privaten und der Lust, zu beobachten und beobachtet zu werden angesiedelt ist.
Dabei setzt sie häufig auf Ironie und Humor, wenn sie etwa eine Überwachungskamera mit roten Varieté-Federn umkränzt, oder mit Systemen wie Siri und Alexa experimentiert, die verknüpft aufs Sprachkommando lustig grün aufleuchten und Musik abspielen. Skurril ist auch das Werk „Planet Greyhound“, eine Videoarbeit, in der statt Menschen sehr souverän wirkende Hunde in die legendäre amerikanische Buslinie einsteigen .

Seit den 1980er-Jahren widmet sich die amerikanische Künstlerin dem Themenkomplex der Überwachung.
Spielerisch heiter sind auch frühere Arbeiten mit klobigen Digital-Gerätschaften der 1990er-Jahre, umgeben von einem Kabelsalat-Dschungel. Ein Beispiel liefert die Installation „Wonderland“. In einem Loop aus Stimmen, Geräuschen und Lichtsalven übernehmen hier Kinder das Kommando.
Verstörend wirkt dagegen die Installation „Embedded“, die das Prinzip der beobachtenden Kontrolle zurückverfolgt bis zu Urszenen patriarchaler Familienstrukturen im Schlafzimmer: Im „Mama Bed“ liegen Kinderbücher, im „Papa Bed“ eine Uniform und „Baby Bed“ ist ausgestattet mit Glasplatte und transparenter Decke. Schon das Baby ist hier ein gläserner Mensch.
Suggestion und Verdacht
Beunruhigend auch die institutionskritische Arbeit „Predictive Engineering“, die das Museum selbst thematisiert: Auf gegenüberliegenden Spiegelflächen und Monitoren begegnet man sich selbst und sieht zugleich im Gegenschnitt Szenen einer Verfolgungsjagd und nackte Körper. Die Szenerie lässt vermuten, dass Besucher auf verdächtige Verhaltensweisen hin überprüft werden. Die Mischung aus realem und inszeniertem Videomaterial lässt raffiniert verschwimmen, ob man mit Schutz oder Bedrohung rechnen sollte.
Der Clou: Die Überwachungsgeräte firmieren unter Schers Pseudo-Marke „Security by Julia“. So rücken auch die kommerziellen Interessen der Überwachungsinfrastrukturen in den Blick.
„Julia Scher. Hochsicherheitsgesellschaft“, Museum Abteiberg, Mönchengladbach, bis 20. August. Es erscheint ein Katalog: „Julia Scher. R.S.I.“, Kunsthalle Gießen, Museum Abteiberg, Mönchengladbach, MAMCO Genf und Kunsthalle Zürich. Dt./engl., 256 Seiten, Softcover, ISBN 978-3-95476-488-4, 48 Euro.
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