Symbolträchtig und von politischer Tragweite - die Rückgabe von 26 Objekten an Benin
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Französischer KolonialismusWarum Emmanuel Macron den Schatz von Benin zurückgibt
Mit viel Sinn für symbolische Gesten restituiert Frankreichs Staatspräsident Emmanuel Macron 26 Kunstwerke an die Republik Benin. Sie waren 1892 dem Königreich Dahomey als Kriegsbeute geraubt worden.
Frankreich gibt 26 Kunstwerke aus dem Museum Quai Branly in Paris an Benin zurück.
(Foto: action press)
Paris Als „ein historisches Ereignis ohnegleichen“ bezeichnete die französische Professorin Bénédicte Savoy die Rückgabe von 26 im Jahr 1892 geraubten Werken an die Republik Benin durch Frankreich. Die für ihren entschiedenen Einsatz für die Restitution geraubten Kulturguts bekannte und oft angefeindete Professorin an der Technischen Universität in Berlin äußerte ihre Begeisterung anlässlich der Feier zur Übergabe der Werke am 27. Oktober.
Die drei Königs-Skulpturen aus Holz, aufwendig geschnitzte Throne, Türreliefs oder Waffen von Würdenträgern, raubte der französische General Alfred-Amédée Dodds 1892 im Krieg gegen die Könige von Abomey, die sich gegen die Kolonisierung wehrten. Dodds schenkte 26 Objekte französischen Museen.
Zuletzt waren die Skulpturen im Pariser „Musée du Quai Branly – Jacques Chirac“ (MQB) ausgestellt, das außereuropäische Kulturen präsentiert. Die symbolische Rückgabe fand am 27. Oktober im MQB in Anwesenheit von Staatspräsident Emmanuel Macron statt.
Rein rechtlich gehören die Objekte aber erst nach der Unterzeichnung eines Dokuments zur Übertragung des Eigentums von einem Staat an den anderen wirklich dem Land Benin. Diese zeremonielle Unterzeichnung ist am 9. November im Élysée-Palast geplant, in Anwesenheit der beiden Staatspräsidenten Emmanuel Macron und Patrice Talon sowie aller zuständigen Minister.
Die verantwortlichen Museumsleute von Benin haben – laut einer Sprecherin des Élysées – bereits den Abtransport des „Schatzes von Benin“ am gleichen Abend organisiert und planen, die Ankunft in der Hafenstadt Cotonou mit „großem Pomp“ zu feiern.
Man muss dem französischen Staatspräsidenten Macron zugestehen, dass er einen ausgeprägten Sinn für Dramatisierung und symbolische Gesten von historischer Tragweite hat. Vor vier Jahren löste er mit seiner viel zitierten Rede in Burkina Fasos Hauptstadt Ougadougou europaweit eine Veränderung des Bewusstseins und der Bewertung von Raubkunst aus. Er forderte, „Bedingungen zur temporären oder definitiven Rückgabe des afrikanischen Kulturguts“ zu schaffen.
Geschnitzter königlicher Hocker
Das Objekt, von dem hier ein Detail abgebildet ist, kam durch die Sammlung von Oberst Dodds ins Museum.
(Foto: action press)
Macron beauftragte Professorin Bénédicte Savoy und den senegalesischen Wirtschaftsprofessor Felwine Sarr mit der „Mission Macron“. Die beiden Wissenschaftler verfassten den Bericht zur „Restitution afrikanischen Kulturguts“. Dessen Veröffentlichung löste Ende 2018 eine Welle von beißender Kritik von Seiten des Handels aus.
„Der Status der Unveränderlichkeit ist ein Prinzip der Republik“, unterstrich der Galerist Frédéric Castaing noch bei einem Kolloquium zur Restitution. Die Verantwortlichen der Museen reagierten noch heftiger ob der absehbaren Verluste, aber meist hinter vorgehaltener Beamtenhand.
In der Folge begannen ethnologische Museen der ehemaligen Kolonialmächte Frankreich, Großbritannien, Belgien, Niederlande, Deutschland sowie Schweizer Museen mit der Inventarisierung ihrer außereuropäischen Bestände. Die Kontakte zu Wissenschaftlern in den Herkunftsgesellschaften der ehemaligen Kolonien wurden intensiviert.
Im Gegensatz zu den Plünderungen der englischen Kolonialtruppen, die 1897 in Edo, heute Benin City in Nigeria, Tausende Bronzereliefs raubten, nach London transportierten und großteils – zum Beispiel an deutsche Museen – verkauften, sind die französischen Raubzüge des Generals Alfred Amédée Dodds in Abomey im Jahr 1892 nur durch seine Museumsschenkung überliefert.
Koloniale Objekte in Deutschland
aus deutschen Museen steht immer noch aus. Doch auf dem langen und bürokratischen Weg dorthin ist im Oktober wenigstens ein „Memorandum of Understanding“ mit Nigeria unterzeichnet worden. Noch in diesem Jahr sollen Rahmenvereinbarungen getroffen werden, die zu „Eigentumsübertragungen im zweiten Quartal 2022“ führen dürften, heißt es in einer Mitteilung. Nicht alle geraubten Benin-Bronzen werden zurückgeführt, einige verbleiben in deutschen Museen. „Die Rückgabe soll nicht das Ende, sondern der Beginn einer neuen Qualität in den Beziehungen zwischen Nigeria und Deutschland sein.“ Zirkulierende Ausstellungsprojekte sollen das unterstreichen.
von unrechtmäßig entzogenem Kulturgut widmet sich das Deutsche Zentrum Kulturgutverluste in Magdeburg. Gegründet für im Nationalsozialismus entzogene Kunst, fördert und finanziert es seit 2019 auch Forschung zur Kolonialgeschichte. Kurzfristig kann die Herkunftsgeschichte von 90 Benin-Skulpturen aus Museen in Mannheim, München und Bremen untersucht werden. Langfristig werden sechs neue und zwei laufende Projekte mit fast einer Million Euro gefördert. Göttingen etwa entwickelt nichtinvasive Ultraschallmethoden zur DNA-Analyse aus menschlichem Gebein – ein Anliegen der Herkunftsgesellschaften.
Obwohl staatliches Kulturgut in Frankreich unveräußerlich, unveränderbar, unübertragbar ist, setzte Präsident Macron mithilfe des Außenministeriums durch, dass Parlament und Senat im Dezember 2020 ein Sondergesetz verabschiedeten, das die Übertragung des Eigentums an die Republik Benin legalisiert.
Logischerweise verkündete Präsident Macron bei dem Festakt: „Für uns besteht die Aufgabe darin, der Zivilgesellschaft, der afrikanischen Jugend den Zugang zu einem Teil ihrer eigenen Geschichte in ihren Museen zu ermöglichen.“
Die westafrikanische Bevölkerung hatte bereits 2006 die Gelegenheit, ihre im 19. Jahrhundert geplünderten Kulturgegenstände in der „Fondation Zinsou“ in Cotonou (Benin) zu besichtigen. Das Interesse an den Leihgaben aus Paris war enorm. Das führte zehn Jahre später zur offiziellen Restitutionsforderung durch Präsident Patrice Talon an den französischen Staat. Diesem Rückgabegesuch erteilte man eine – rein rechtlich begründete – schnöde Abfuhr.
Der Gründer der „Fondation Zinsou“ ist der Wirtschaftswissenschaftler und Bankier Lionel Zinsou, der auch kurzfristig Benins Premierminister war. Zinsou riet Macron, die Restitutionen ernsthaft anzutreiben.
Seine Tochter Marie-Cécile Zinsou, die die kulturpädagogisch ausgerichtete „Fondation Zinsou“ in Cotonou leitet, wurde vergangene Woche vom französischen Staatspräsidenten zur Vorsitzenden des Verwaltungsrats der Villa Medici in Rom ernannt. Die Villa Medici ist Frankreichs kulturelles Aushängeschild im Ausland schlechthin. Dort ein Stipendium zu erhalten gilt für Künstler und Wissenschaftler als staatliche Anerkennung ersten Rangs. Die Familie Zinsou ist eindeutig überbegabt. Dennoch scheint es, dass Frankreichs Staatsmühlen gelegentlich rasch und ungeniert mahlen.
Das „Soft Power“-Thema der Restitutionen dient in erster Linie wirtschaftlichen Interessen. Benin hat Goldreserven, die Frankreich und Europa nicht der Achse „Chinafrika“ allein zur Ausbeutung überlassen möchten.
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