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PrivatmuseumSammlung Lauffs-Wegner – Spiegel einer Lebensgeschichte

Seit zehn Jahren bespielt Andra Lauffs-Wegner ihr Rhöndorfer Ausstellungshaus mit Werken aus der eigenen Kunstsammlung. Jetzt ist die Zeit gekommen, um eine Bilanz zu ziehen.Christiane Fricke 01.07.2024 - 15:38 Uhr

Rhöndorf. Andra Lauffs-Wegner wirkt nervlich robust. Kaum zu glauben, dass sie nachhaltig unter dem wohlwollenden Desinteresse ihres Sohnes an ihrer Kunstsammlung litt. Oder traurig war, dass ihre dem Kunstmarkt fernstehende Tochter von einer Kooperation mit der Mutter vorerst Abstand nahm.

Auch der eigene Ehemann reagiert keineswegs auf alle Neuerwerbungen begeistert, erzählt die in Rhöndorf (bei Bonn) lebende Sammlerin. Gut nachvollziehbar etwa angesichts einer Waschtrommel, in der die Gipsabformung eines überfahrenen Huhns liegt. Ein Werk von Yngve Holen, zu besichtigen in der Ausstellung zum zehnjährigen Bestehen von Lauffs-Wegners privater Ausstellungshalle im Haus Hedwig in Rhöndorf (KAT_A).

Ihre Familie aber sei inzwischen beeindruckt, wohin ihre Sammelleidenschaft geführt habe, berichtet Lauffs-Wegner, während sie – wie immer – selbst durch ihr Haus führt.

Seit zehn Jahren ist KAT_A, eine ehemals als Lazarett, dann als Müttergenesungsheim dienende Villa Schauplatz jährlich wechselnder Ausstellungen. Skulpturen unter freiem Himmel nimmt nebenan der zum Restaurant Haus am Turm gehörende, öffentlich zugängliche Park auf, in dem es sich wie in einem englischen Garten entspannt lustwandeln und schmausen lässt.

Außerdem lobte die Sammlerin im Herbst 2021 einen Förderpreis für noch nicht etablierte Kunstschaffende aus, für den sie die über das laufende Jahr eingenommenen Eintrittsgelder auf 10.000 Euro aufstockte.

Ein Fest der Farben auf unverputzten Wänden

Ihrer Jubiläumsausstellung hat Andra Lauffs-Wegner den Titel „Alte und neue Freunde“ gegeben. Dahinter verbergen sich ein generationenübergreifender Dialog mit ausgewählten Werken aus der Sammlung ihrer Eltern Helga und Walther Lauffs (Rabenhorst Fruchtsäfte) und eine Lebensgeschichte. Sie drängt sich nicht auf, wird in den von ihr oft erzählten Anekdoten jedoch lebendig.

Zum Beispiel die Geschichte, wie Josef Beuys’ Sepiazeichnung „Die Honigsammlerinnen“ in ihren Besitz gelangte: der Vater, der ihren 21. Geburtstag vergessen hatte und ihr die Wahl zwischen einer Perlenkette und einem Blick in seinen Grafikschrank ließ. Lauffs-Wegner entschied sich für den Grafikschrank und die Beuys-Zeichnung.

Die Sammlerin Andra Lauffs-Wegner bereicherte den kleinen Ort Rhöndorf um ein Ausstellungshaus und einen Skulpturenpark. Foto: Sabrina Rothe

Oder die Geschichte, was es mit Picassos gezeichnetem „Porträt Maya“ von 1940 auf sich hat: Der Vater hatte sie in die Galerie Schmela nach Düsseldorf geschickt und damit beauftragt, ein Geburtstagsgeschenk für die Mutter auszusuchen. Bei der kleinen liegenden Gipsskulptur, George Segals „Sleeping Woman“ (1970), hingegen handelt es sich um ihre erste eigene Erwerbung – noch zu Studienzeiten in den frühen 1970er-Jahren. Später kaufte sie ihrer Mutter eine Leinwand von Jannis Kounellis ab, auf der drei massive schwarze „J“ die Hauptrolle spielen.

Die Wand, auf der Lauffs-Wegner dieses erinnerungsschwangere Ensemble in Petersburger Hängung ausgebreitet hat, ist unverputzt, wie alle übrigen Wände in diesem Teil der Ausstellung. Sie ist das Gegenteil von perfekt glatt und weiß, aber mit ihrer Patina wohl die wirkungsvollste Folie für das ausgebreitete Fest der Farben, die man sich nur denken kann: für Thomas Ruffs computergeneriertes virtuelles Farbfoto aus der „Substrat“-Serie, das daneben hängende „Monochrome Bleu, IKB“ (1959) von Yves Klein aus der Sammlung Helga und Walther Lauffs, den roten Kinderstern von Imi Knoebel oder Katharina Grosses drei Meter hohe abstrakte Leinwand „Ohne Titel“ (2016).

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Zehn Familienmitglieder sammeln weiter – aber nur, wozu sie Lust haben

„Hier hat Grosse mit der Spraydose den Schritt in die dritte Dimension getan“, erläutert Andra Lauffs-Wegner. Ein entscheidender Schritt für sie – über fünfzig Jahre nachdem Yves Klein, für den sich ihre Eltern begeisterten, den Pinsel weglegte, um mit den entblößten, mit Farbe bestrichenen Körpern junger Frauen zu „malen“. Gegenüber hängt an einer Säule eine Leihgabe aus der Familie, eine kleine Arbeit aus der Serie der „Flowers“ von Andy Warhol. Helga Lauffs schenkte sie ihrem ältesten Enkel.

Die durch die Eltern vermittelten Impulse der Sechziger- und Siebzigerjahre haben Lauffs-Wegner geprägt. Sie erklären ihre Freude am Umgang mit künstlerischen Arbeiten, die mit Bildtraditionen des Skulpturalen und Malerischen brechen oder – wie der mit allen wichtigen Werkphasen in ihrer Sammlung vertretene Fotokünstler Wolfgang Tillmans – die Grenzen eines Mediums ausloten.

Helga und Walther Lauffs hatten, inspiriert und fast zwei Jahrzehnte beraten von dem legendären Krefelder Museumsdirektor Paul Wember, seit Ende der 1960er-Jahre eine der größten deutschen Privatsammlungen für Gegenwartskunst aufgebaut. Das geschah in einer Zeit, in der die Kunst so einschneidende Veränderungsprozesse durchlief wie seit den 1920er-Jahren nicht mehr.  Eine Zeit, in der Leinwände durchstochen und gefaltet wurden wie von Lucio Fontana und Piero Manzoni, in der Ideen allein Kunst sein konnten (Concept Art) und sich Skulpturen in den Raum ausdehnten (Carl Andre).

Kunst, die in einen Bezug zur Umgebung tritt – das ist ein Gedanke, den Lauffs-Wegner heute auf das Kuratieren ihrer eigenen Ausstellungen überträgt. Es macht ihr sichtlich Spaß, Blickbezüge zwischen Werken herzustellen. In der ehemaligen Kapelle des Hauses platzierte sie etwa Isa Genzkens Mannequin-Skulptur in direkter Nähe zu einer Wandarbeit der Künstlerin, in die ein Foto von Tillmans eincollagiert ist. Es zeigt einen Ausschnitt von Genzkens Krankenhauszimmer, im Vordergrund ein Knie in grauer Hose. Die Sammlerin vermutete, dass es das Knie des Fotografen sei – zu Recht, wie sich später herausstellte. Tillmans war der Einzige, der Zutritt zur Erkrankten hatte.

Allerdings stehen Genzkens Mannequins normalerweise frei im Raum, nicht in so enger Beziehung zu einem anderen Werk. Doch Lauffs-Wegner nimmt sich die Freiheit, die Dinge so zu arrangieren, wie sie es für sinnvoll hält: „Das ist mit ein Grund, warum ich das hier mache.“

Andra Lauffs-Wegner geht souverän mit den ihr anvertrauten Werken um. Das gilt ebenso für Arbeiten, die einstmals zur Dauerleihgabe Sammlung Lauffs gehörten. „Der war in Krefeld“, bemerkt sie zu Thomas Schüttes riesigem blau glasierten „Januskopf“ (1993), den sie einst selbst für die Sammlung ihrer Eltern ankaufte. Ansonsten ist Krefeld kein Thema. Jedenfalls nicht während ihrer Führung.

Später beim Kaffee auf den Abzug der elterlichen Dauerleihgabe aus den Krefelder Kunstmuseen im Jahre 2008 angesprochen, erzählt sie freimütig, wie und warum es dazu kam.

Zur Erinnerung: Mit ihren Schwerpunkten auf den europäischen und amerikanischen Avantgarde-Strömungen der 1960er- und 1970er-Jahre passten die Ankäufe des Industriellenehepaars perfekt in die von Wember damals gegen viele Widerstände forcierte Ausrichtung des kommunalen Museums auf die internationale zeitgenössische Kunst. So entwickelte sich die Dauerleihgabe im Museum nach und nach zu einem Kernbestand, ergänzt lediglich um Ankäufe, die Wember mit kleinstem städtischen Budget bewerkstelligen konnte.

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Kein Wunder, dass der öffentliche Aufschrei beim Abzug nach vier Jahrzehnten riesengroß war. Aber Wember war über 30 Jahre tot, die Kommunikation mit dem letzten Nachfolger eingeschlafen, und die Behebung der wiederholt monierten konservatorischen Mängel ließ auf sich warten. Es ist eine unglückliche Geschichte, die auch daran erinnert, dass Dauerleihgaben aus Privateigentum keine Ewigkeitsgarantie für einen Verbleib im Museum besitzen.

„KAT_A_10__Alte und neue Freunde“, KAT_A, Rhöndorf, bis 18.3.2025. Geöffnet Mi., Fr. und So. nach Vereinbarung per E-Mail an:  info@sammlung-alw.com. Zehn Ausstellungsbroschüren im Schuber 20 Euro. Ein Werkverzeichnis, reich an Bildern, arm an einordnendem Text, erschien bei Walther König unter dem Titel „Sammlung Andra Lauffs-Wegner Collection, Hrsg. Susanne Kleine, Köln 2024, 45 Euro

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