Saisonauftakt am Rhein: Kunst entdecken in entspannter Atmosphäre

Düsseldorf. Zum 16. Mal laden Galerien in Köln und Düsseldorf ein zum Match, das mit dem Wort „Open“ im Titel nach Tennis klingt. Doch das lange Wochenende der „DC Open“ vom 30. August bis 1. September 2024 besteht aus der spielerisch-ernsten Begegnung von Kunstfreunden mit dem Besten, was die Galeristen an Werken und angesagten künstlerischen Haltungen anbieten können. „Es ist das wichtigste Kunstevent zum Saisonstart in der Region NRW“, sagt Christian Nagel von der in Berlin, Köln und München arbeitenden Galerie Nagel & Draxler.
Ungefähr 30.000 Besucher werden von Freitag bis Sonntag in beiden Rheinmetropolen erwartet. Die meisten Besucher haben eine kurze Anreise. Doch auch einige Sammlerinnen und Sammler aus Belgien, den Niederlanden und der Schweiz haben sich angemeldet. Und verschiedene Freundeskreise von Museen reisen in Mannschaftsstärke an. Alle wollen erkunden, wie die Kunst momentan tickt.
28 Galerien nehmen in Köln teil, 23 in Düsseldorf. Den über Jahre gewachsenen Stamm an festen Ausstellern fragen die Veranstalter ab für eine Wiederteilnahme. Über Neuzugänge entscheide, heißt es auf Anfrage, ein Advisory Board auf der Grundlage eines Ausstellungsprojekts. Die Streifzüge durch die Jagdgründe in den Galerien ergänzen neun eingeladene Projekträume.
Kunst ist niemals abhängig vom Alter, eher von der Einstellung. Menschen mit starkem Spieltrieb und Sinn für Humor werden begeistert sein von den originellen Schachspielen, die sich Takako Saito ausgedacht hat. „Spiel, Zufall und die Beteiligung des Betrachters gehören auch zu den Maximen der Fluxus-Bewegung, der sich die japanische Künstlerin in den 1960er-Jahren in New York anschloss“, sagt Dunja Evers von der Galerie boa, based on art, in Düsseldorf.
„Mit ihren Schachspielen und Do-it-yourself-Arbeiten eröffnet sie dem Publikum partizipative Möglichkeiten frei von jeglichem Leistungsdenken“. Statt ihre Spielfiguren optisch zu unterscheiden, setzte Takako Saito 1975 auf Geruch oder Klang.
Schach spielen mit den Sinnen
Die Bauern riechen nach Essig, der sich in Flaschen mit Pipette befindet, die Königin duftet nach Eukalyptus. Beim Klang-Schach macht jede würfelförmige Figur ein anderes Geräusch, weil sie verschieden befüllt wurden. Da werden die Sinne geweckt im „Spiel der Könige“, der Verstand doppelt gefordert.
Für das seit fast 50 Jahren nicht mehr ausgestellte „Sound Chess“ und „Smell Chess“ erwartet die Galerie boa je 50.000 Euro. Aber jeder Mensch soll Kunst kaufen können. Darum lässt die inzwischen 95-jährige Künstlerin kleine Zeichnungen schon für 800 Euro anbieten (bis 2.11.).
Warhols Liebe zur Serie
Aus einer ähnlich weit zurückliegenden Zeit wie Takako Saito kommt Andy Warhol. Die Galerie Benden & Ackermann stellt sein signiertes zehnteiliges Portfolio „Flowers (hand-colored)“ von 1974 aus. Es ist zwar schon verkauft, aber es geht „um die künstlerische Relevanz und Einzigartigkeit dieser seriellen Unikate“, schreibt Oliver Schaffer von der Düsseldorfer Zweigstelle der Kölner Galerie.

Die Frühzeit des überragend wichtigen Pop-Artisten wird mit weiteren handkolorierten Arbeiten aus den 1950er-Jahren ausgeleuchtet (bis 26.10.). Die Preise liegen zwischen 7200 und 14.500 Euro. Herrlich verspielt und zu schön zum Tragen ist der „Souper Dress“ von 1966/67: ein Damenkleid, auf dessen Stoff fortlaufend die berühmten Dosenetiketten von Campbell Soup gedruckt sind. Zu haben für 9800 Euro.
Bleiben wir beim Anknüpfungspunkt New York. Im September wird der Bildhauer Thomas Schütte seinen großen Auftritt im Museum of Modern Art in New York haben. Ute Parduhn, Galeristin in Düsseldorf-Kaiserswerth, stellt den Künstler, der auch gerne malt und zeichnet, schon seit 1989 aus. Dank dieser jahrzehntealten Beziehung kann sie die DC Open mit Arbeiten aus Thomas Schüttes Frühwerk bereichern (bis 31.12.).
Heute zählen Amedeo Modiglianis Ölbilder liegender Akte mit den leeren, mandelförmigen Augen zur „Trophy Art“, die in mehrstelligen Millionenpreisen abgerechnet wird. Erreichbar und faszinierend spontan sind hingegen seine Zeichnungen. Die Galerie Beck & Eggeling wartet in Kooperation mit Agnews aus Brüssel mit zehn Zeichnungen des 1920 im Alter von 35 Jahren verstorbenen Künstlers auf.

Sie stammen aus der Sammlung des jungen Arztes Paul Alexandre, der Modigliani ab 1907 förderte. Die Preiserwartung beginnt bei 58.000 Euro für knapp gehaltene Skizzen und reicht bis 1,2 Millionen Euro für das Porträt des Sammlers Alexandre (bis 5.10.).
So provokant Modiglianis und Picassos Blick auf den weiblichen Körper war, so provozierend und zugleich poetisch ist die Bildsprache der 39-jährigen Wahl-Londonerin Gabriele Beveridge. Sie stellt zum ersten Mal in der Galerie Cosar aus. Die schöne glänzende Warenwelt, die Raffinesse der Oberflächen und Displays der Discounter verbrämt sie in „Blood Moon“ mit Korallen, Halbedelsteinen oder mundgeblasenem Glas.

Beveridges schimmernde dreidimensionale Objekte changieren zwischen ‚High and Low‛. Sie verblüffen und entfalten einen großen ästhetischen Reiz. Für 10.000 Euro bzw. 14.000 Euro brutto wechselt das eine oder andere Ausstellungsstück in neue Hände (bis 11.10.).
Auch in Köln planen Galeristinnen und Galeristen genau, was sie Einsteigern und Kennern zum Saisonauftakt bieten wollen. Bekannte Namen, die schon lange Eingang in die Kunstgeschichte gefunden haben, mischen sich mit jüngeren Talenten, die vielversprechend sind, aber preislich noch recht erreichbar.
Die Galerie Buchholz rückt die Skulpturen und Installationen von Isa Genzken in den Mittelpunkt. Die Künstlerin wurde letztes Jahr 75 Jahre alt und in der Neuen Nationalgalerie mit einer Ausstellung geehrt. Die Besucherin trifft in Köln unter anderem auf die Rauminstallation „Untitled (4 Türme, 3 Stelen)“ aus dem Jahr 2015 und auf „Untitled (Schauspieler)“, eine Installation, die um eine Schaufensterpuppe entwickelt wurde (bis 19.10.).
In der Galerie Karsten Greve hat die Amerikanerin Kathleen Jacobs ihre erste Ausstellung in Deutschland (bis 26.10.). Die Malerin, die schon in den 1980er-Jahren in China lebte, arbeitet in und mit der Natur. Sie wickelt große Leinwände um Baumstämme und frottiert Pigmente darauf.
Nach Monaten oder Jahren ergeben sich scheinbar einfarbig gelbe, azurit- oder hellblaue Vorformen der Bilder. Jacobs bearbeitet, dreht und intensiviert ihre Abstraktionen so, dass die Betrachterin Wellen, Wolken oder Bachgeplätscher damit assoziiert.
Wie Instagram die Kunst verändert
Die Kunst von Kenny Schachter ist eine spielerische und zugleich kritische Auseinandersetzung mit der zeitgenössischen Kultur. Schachter ist eine „Kreuzung von Künstler, Kritiker, Dozent und Händler“, für den Galeristen Christian Nagel ein einflussreiches Gesamtkunstwerk. „Er erforscht, wie Instagram und andere Plattformen die Art und Weise verändert haben, wie Kunst erlebt, kommuniziert und konsumiert wird.“
Die Ausstellung „Photo Face“ soll gelesen werden als provokativer Kommentar zur sich entwickelnden Beziehung zwischen traditionellen Medien, der digitalen Welt, dem Kunstmarkt und deren Codes (bis 25.10.). Den berühmten „Like“-Daumen kann man erwerben als rot konturierte Skulptur oder in einer erweiterten Edition zusätzlich mit einer Animation und einem NFT.


Man sieht, Schachter denkt zweigleisig: Seine Zielgruppe sind „Digital Natives sowie Menschen, die, wie der Künstler selbst, noch mit einem Fuß im vordigitalen Kunstzeitalter stehen“, sagt Nagel. Und alle, die an einem Wochenende mit verlängerten Öffnungszeiten durch Galerien schlendern möchten, um Entdeckungen zu machen.
16. DC Open 2024.
Galerieeröffnungen in Düsseldorf und Köln:
Fr 30.08.24 18–21 Uhr,
Sa 31.08.24 13–19 Uhr,
So 01.09.24 13–17 Uhr.
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