Ausstellung: Isa Genzken: Skulpturales Kontrastprogramm
Berlin. Vor der Neuen Nationalgalerie lockt eine acht Meter hohe Rose aus bemaltem Stahl Besucher an. Beim Eintritt in die große Halle fällt der Blick zuerst auf zwei dreieinhalb Meter hohe durchsichtige Paravents, die in ihrer Raum teilenden Präsenz ein Monument der Leere und des Intimitätsverlusts darstellen.
Die Berliner Ausstellung zum 75. Geburtstag der international gefeierten Bildhauerin Isa Genzken ist mit 75 Werken bestückt, die einen hohen Wiedererkennungswert haben (bis 27.11.). Viele dieser Skulpturen sind betont vertikale Kompositionen, die auf den ersten Blick als solche wirken, aber bei näherer Betrachtung mit Accessoires wie Puppen, Kunstblumen, Fotografien aufgeladen sind.
Die Ausstellung ist so transparent und chronologisch gebaut, dass die Wege und Wandlungen des Werks auf Anhieb zu erkennen sind. Schon vor zehn Jahren hat das New Yorker Museum of Modern Art der deutschen Künstlerin eine Retrospektive gewidmet, die ihrem Stilpluralismus verpflichtet war. „In vierzig Jahren hat sie in so vielen Stilrichtungen gearbeitet, dass man staunen muss“, betonte damals die Kuratorin Lara Hoptman.
Um ein Jahrzehnt erweitert, lässt sich jetzt in Berlin das durch Hauptwerke repräsentierte Gesamtwerk als skulpturales Kontrastprogramm durchschreiten. Hier zeigt sich, dass die stärkste Periode der Künstlerin in den ersten 20 Jahren ihres Schaffens liegt.
Am Anfang stehen 1977 entstandene elliptische Bodenskulpturen in lackiertem Holz. Das einsame Fundobjekt eines Weltempfängers (1982) wird zum Urbild einer Serie von Betonskulpturen mit und ohne Antennen, die auf ihren Sockeltischen wie brutalistische Architekturmodelle wirken.
Es sind Arbeiten, in denen nach dem Muster der Arte povera ein bewusst unästhetisches Material zum ästhetischen Augenfänger wird. Von den Betonfenstern, die ein begrenztes Blickfeld rahmen, führt der Weg zu den Kunstharz-Rahmen der Paravents und einer X-förmigen Bodenskulptur, die jetzt als Leihgabe aus Londoner Privatbesitz figuriert.
Es folgen Säulen und Stelen, die sie nach Menschen nennt, die ihr nahe stehen. Ihre Liebe zu New York und seinen Alltagsmaterialien schlägt sich in Assemblagen der 2000 entstandenen Serie „Fuck the Bauhaus“ nieder, in denen aus Spiegeln, Pizzakarton, Plastikblumen, Fotografien und Maschendraht eine collagierte Spielzeug-Architektur gebastelt wird.
2008 komponiert sie für die Ausstellung „Ground Zero“ Hochhaus-Modelle, die Vorschläge für Neubauten an Stelle des 2001 durch den Terrorangriff zerstörten World Trade Center sind. Das hier gezeigte Exemplar wirkt in seinem Aufbau auf einem Servierwagen, mit seiner getapten Plastikhülle und dem krönenden Kunstblumenstrauß als eine sarkastische Absage an die seinerzeit schwelende Architekturdebatte.
Gleichzeitig aber zeigt sich hier eine geschmäcklerische Komponente, die auch so manches andere Werk mit Elementen aus einer trivialen Vorratskiste bestücken. Die bebrillte Nofretete ist eher ein Joke als ein Kunstwerk, das man hinterfragen sollte. Vollends banal wirken die drapierten Schaufensterfiguren der Jahre 2012 bis 2014, in denen sich Einfallslosigkeit mit dem Anspruch auf Bedeutung paart.
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Als Marktfigur kann die Bildhauerin mit einer Garde von Galerien wuchern. Parallel zur Nationalgalerie zeigen Neugerriemschneider Assemblagen, die vor 20 Jahren zur ersten Isa Genzken-Schau in dieser Berliner Galerie entstanden. Als vielfache Leihgeber der Museumsausstellung erscheinen der Kölner Ex-Galerist Thomas Borgmann, die Galerie Buchholz und die Megahändler Hauser & Wirth und David Zwirner.
In den Auktionen sind Werke Isa Genzkens rar. Hochpreise erlösten ihre Arbeiten erst nach der New Yorker Retrospektive, was die bei Grisebach im November 2013 für die Betonskulptur „Wiese“ erzielten 318.750 Euro brutto zeigen.

Die meisten Werke kamen bei Sotheby’s unter den Hammer. So erlöste hier eines der „Fenster“ aus Beton und Stahl im Oktober 2015 starke 677.000 Pfund und als eine der jüngsten Spitzennotierungen sind die 604.800 Pfund frisch in Erinnerung, die die zwei Meter hohe Skulptur „X“ von 1992 erzielte. Sie ist eines der kraftvollen frühen Werke in der Berliner Ausstellung.
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