Caroline Scheufele im Interview Chopard-Chefin will die Schmuckbranche aufrütteln

Die Chopard-Chefin sieht sich mit ihrem Ethik-Projekt als Vorreiterin.
Lange Zeit hat sich Caroline Scheufele, die gemeinsam mit ihrem Bruder das Genfer Uhren- und Schmuckhaus Chopard führt, kaum Gedanken darüber gemacht, wo ihre kostbaren Rohstoffe eigentlich herkommen. Ausgerechnet in der Luxusbranche war Ethik und Nachhaltigkeit kein Thema. Das begann sich erst zu drehen, als sich auch die Einstellungen ihrer Kunden veränderten.
Immer mehr begannen sich zu fragen: Woher kommt eigentlich der Pelz an meinem Mantel? Wie ist die Gänseleberpastete aus dem Feinkostgeschäft entstanden? Oder auch: Unter welchen Bedingungen wurde eigentlich das Gold geschürft, das ich als Schmuck an Finger oder Hals trage?
So begann auch in Scheufele ein Umdenkungsprozess, mit dem sie sich in der feinen Uhren- und Schmuckbranche noch immer ziemlich allein fühlt. Immerhin für ihr eigenes Unternehmen kann sie nun erste echte Erfolge vorweisen.
Frau Scheufele, seit Sommer verarbeitet Chopard nur noch Gold, das unter verantwortungsvollen Bedingungen produziert wurde. Wie kann man so ein hehres Ziel sicherstellen?
Dabei können einem Nicht-Regierungs-Organisationen und Vereinigungen wie etwa die Swiss Better Gold Association (SBGA) oder die Alliance for Responsible Mining (ARM) sehr helfen. Aber entscheidend war vor allen Dingen, dass wir schon seit 1978 in Genf bei uns eine Goldschmelze betreiben, wo unsere eigenen 18-Karat-Goldlegierungen entstehen. Man muss einfach mal anfangen. Auch wenn der Weg mühevoll ist, beginnt alles mit einem ersten Schritt.
Wie sah der bei Ihnen aus?
Meine Freundin Livia Firth fragte mich vor einigen Jahren am Rande der Oscar-Verleihung in Los Angeles, wo eigentlich unser Gold herkomme. Ich war etwas verunsichert und antwortete: „Von der Bank.“
Livia Firths Beratungsfirma Eco-Age will auch bei anderen Unternehmen wie Gucci das ökologische Gewissen stärken.
Und so begann für uns bei Chopard im Jahr 2013 eine Art Reise. Wir nannten sie „Eine Reise zum nachhaltigen Luxus“ – und sie führte uns nicht nur in verschiedenste Länder, sondern auch in eine andere Welt, in der eben leider noch an vielen Stellen Kinderarbeit, Ausbeutung, Umweltverschmutzung und Elend vorherrschen.
Wie haben Sie begonnen, daran etwas zu ändern?
Wir fingen an, in Kolumbien und Bolivien zwei kleine Bergbau-Gemeinden zu unterstützen. Das heißt, für kontinuierliche Bezahlung zu sorgen, bessere und sicherere Arbeitsbedingungen, soziale Sicherung. Bislang werden die Arbeiter ja oft nur nach einzelnen Funden bezahlt. Übrigens müssen auch die Regierungen solche Projekte unterstützen, denn oft sind die Staaten ja selbst an den Minen beteiligt. Nur so können diese Kollektive am Ende auch eine Fairmined-Zertifizierung bekommen, womit sie dann wiederum höhere Preise auf dem Weltmarkt verlangen können. Gemeinsam mit ARM bereiten wir derzeit zum Beispiel eine neue Mine im peruanischen Ancash auf die Zertifizierung vor. Dieses System wächst langsam, aber stetig.
Sie haben mal gesagt, Sie fühlten sich mit dem Ethik-Projekt wie ein Don Quichotte Ihrer Branche...
...woran sich noch nichts geändert hat, ja. Ich reite aber gern weiter gegen Windmühlenflügel an.
Ernteten Sie auch Kritik aus der Schmuck-Industrie?
Anfangs ja. Inzwischen sind die Kritiker verstummt, was mir zeigt, dass wir auf dem richtigen Weg sind. Der schwierigste Schritt ist es, aus der eigenen Komfortzone unserer Branche herauszutreten und sich zu entscheiden: Wir ändern uns.
Man fragt sich unwillkürlich: Woher kommt eigentlich bislang das Gold, der Rohstoff einer so feinen Branche wie der Haute Joaillerie?
Das meiste Gold wird in Afrika geschürft. Auch Russland und Kasachstan haben noch große Vorkommen. Aber auch in vielen anderen Regionen der Erde sind die Arbeits- und Umweltbedingungen rund um die Minen leider nach wie vor extrem schlecht. Für die Verarbeitung des Goldes wird zum Beispiel Quecksilber in großen Mengen verwendet, das dann vielerorts ungefiltert in Flüsse und Meere geleitet wird.
Der Großteil der globalen Goldproduktion würde uns demnach weiterhin schockieren?
Da liegt bislang leider viel im Argen, ja. Es stimmt mich allerdings optimistisch, dass mittlerweile eben auch die Banken und große Investoren auf Faktoren wie Nachhaltigkeit, Umwelt- und Gesundheitsstandards größeren Wert legen, so dass der Veränderungsprozess erste Früchte trägt. Auch die jüngeren Kunden-Generationen achten verstärkt darauf...
...aber bezahlen die das auch? Immerhin ist Schmuck aus fairem Gold ja auch etwa fünf bis zehn Prozent teuer, oder?
Wir versuchen, die höheren Kosten nicht an die Endkunden weiterzugeben, die sich ja auch in einem allmählichen Prozess der Bewusstseinsveränderung befinden, was dieses Thema angeht. Uns als Familienunternehmen war ethisches Handeln und verantwortungsvoller Umgang mit der Natur einfach immer schon wichtig. Inzwischen bekommen wir jede Menge Zuspruch für unseren, den sauberen Chopard-Weg.
Angeblich beziehen Sie vier Tonnen Gold jährlich aus nachhaltigem Abbau. Werden Sie sich nach dem Gold auch darum bemühen, die Lieferketten bei anderen wertvollen Rohstoffen zu verbessern.
Das ist mein Ziel, ja.
Da geht es dann um Silber oder Platin?
Viel stärker um die Gewinnung von Edelsteinen aller Art. Zum Beispiel weiß man ja nicht erst seit Leonardo Di Caprios Film „Blood Diamond“, wie schlimm die Bedingungen in den Diamantminen oft sind. Meine Vision ist, dass wir jedes Jahr eine Edelstein-Art mehr zertifizieren können, bei der wir uns dann wie beim Gold hundertprozentig auf ethische Schürf-Bedingungen verlassen können.
Warum ist ausgerechnet in Ihrer Branche das Interesse an Themen wie Nachhaltigkeit bislang so gering ausgeprägt?
Angesichts der vielen Zwischenhändler wollte man es vielleicht gar nicht so genau wissen, getreu dem alten Motto: Was ich nicht weiß, macht mich nicht heiß. Ich selbst war da ja anfangs auch durchaus unbedarft, hatte durch Livia Firth dann aber eine Art Erweckungserlebnis.
In vielen Ländern gibt es bislang kaum rechtliche Rahmenbedingungen. Würden Sie sich da auch ein stärkeres Engagement der Politik wünschen?
Auf jeden Fall... auch auf europäischer Ebene. Da braucht es letztlich Standards, die für alle gelten, auch wenn wir mit Chopard gern vorangehen. Nur mit Gesetzen lässt sich auf Dauer wirkungsvoll eine Änderung der bestehenden Verhältnisse herbeiführen.
Mit Ihrem Bruder teilen Sie sich die Verantwortung über Chopard. Er ist für die Herren-, Sie für die Damenuhren zuständig sowie das Schmuckgeschäft. Wie erwarten Sie sich für 2019?
Wir sind sehr optimistisch. China zum Beispiel kehrt ja nicht nur auf dem Uhrenmarkt zurück, sondern entdeckt Schmuck gerade erst als Wertanlage. Chinesen sind da noch sehr neugierig und offen, nicht so satt wie manche anderen Nationen. Wir sind aber seit je her geografisch sehr breit aufgestellt und können als familiengeführtes und daher unabhängiges Unternehmen auch sehr schnell und flexibel auf neue Kundenbedürfnisse eingehen.
Wie viele eigene Shops unterhält Chopard in China?
Mittlerweile 13.
Und wieviel des Chopard-Umsatzes steuert Asien mittlerweile bei?
Einen guten Anteil, aber wir haben immer darauf geachtet, sozusagen nicht alle Eier in einen Korb zu legen. Das Risiko muss also immer gut verteilt sein.
Chopard ist traditionell auch der Hersteller der Goldenen Palmen, die bei den Filmfestspielen in Cannes alljährlich vergeben werden. Die Preise sind sicher auch aus ethisch vertretbarem Gold, oder?
Oh ja, die waren neben unserer „Green Carpet Collection“ natürlich die ersten Stücke, bei denen wir die Fertigung umstellten. Schon seit 2014 sind die Goldenen Palmen aus „Fairmined Gold“. Wir bringen die Nachhaltigkeit also auch ein kleines bisschen ins Filmgeschäft.
Frau Scheufele, vielen Dank für das Interview.
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