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BuchrezensionMensch*innen, muss das wirklich sein? – 20 gute Gründe, nicht zu gendern

Wer die deutsche Sprache richtig versteht, muss nicht gendern, schreibt Autor Fabian Payr. Er selbst hat jedenfalls eine Reihe von Argumenten gefunden, es nicht zu tun.Claudia Panster 18.07.2021 - 14:03 Uhr Artikel anhören

Sprache muss laut Fabian Payr „Gegenstand von Reflexion“ sein.

Foto: imago images / Christian Ohde

Düsseldorf. Es ist ein Thema, das viele aktuell umtreibt. Wie kann Geschlechtergerechtigkeit hergestellt werden? In den Führungsetagen, in der Kindererziehung, in der Sprache. Bei Letzterem hat es in den vergangenen Jahren immer neue Formen gegeben – Nennung beider Geschlechter (Bürger und Bürgerinnen), Gendergap (Bürger_innen), dazu BürgerInnen, Bürger:innen, Bürger*innen. Das Sternchen ist momentan besonders verbreitet.

Fabian Payr, daraus macht er keinen Hehl, kann keiner dieser Varianten etwas abgewinnen. Um es vorweg zu sagen: Er steht dem Gendern äußerst kritisch gegenüber. Payr ist Autor des Buchs „Von Menschen und Mensch*innen. 20 gute Gründe, mit dem Gendern aufzuhören“. Was populistisch anmuten mag, ist eine im Ergebnis zwar von vornherein klare, in der Herleitung aber sehr dezidierte und keinesfalls reißerische Analyse.

In kurzen, prägnanten Kapiteln argumentiert Payr, manchmal arg sprachwissenschaftlich, aber durch Beispiele sehr anschaulich – und vor allem aufschlussreich. Sprache müsse „Gegenstand von Reflexion“ sein, schreibt er – und bezieht sich selbst da durchaus mit ein.

Sie sei ein kostbares Kulturgut, das wir mit Respekt benutzen sollten. Denn: „Der feministischen Sprachkritik verdanken wir durchaus sinnvolle Impulse für unseren Sprachgebrauch.“ Bürgermeisterin, Bundeskanzlerin, Kauffrau, all das sei heute selbstverständlich.

Es hört für Payr jedoch da auf, wo Sprache durch Gendern ihre Klarheit und Ausdruckskraft verliert und die Grammatik nicht eingehalten wird. Die Verwendung des Gendersterns führt dazu, dass im Prinzip nur noch die feminine Variante geschrieben wird. Beispiel: Ärzt*innen. In der maskulinen Form heißt es Ärzte – das Endungs-E allerdings wird beim Gendern unterschlagen.

Frauen sichtbar machen, wo es angemessen ist

Frauen sollten seiner Meinung nach dort sichtbar gemacht werden, wo es angemessen ist und ohne große sprachliche Mühe zu bewerkstelligen sei, aber nicht des ideologischen Prinzips wegen. Denn die deutsche Grammatik bietet bereits in ihrer Grundstruktur eine passende Form, um alle sichtbar zu machen: das generische Maskulinum.

Fabian Payr: Von Menschen und Mensch*innen. Springer Wiesbaden 2021 192 Seiten 19,99 Euro Foto: Handelsblatt

Das generische steht im Gegensatz zum spezifischen Maskulinum. Letzteres bezieht sich immer konkret auf das Geschlecht, also den Mann. Das generische Maskulinum jedoch bezieht alle ein. Wer diesen Unterschied verstanden hat, so argumentiert Payr, braucht kein Gendern mehr. So, wie bei „die Person“ niemand zwingend an eine Frau denkt, denkt auch bei „der Mensch“ niemand zwingend an einen Mann.

Payr hat es sich zur Aufgabe gemacht, die Argumente der Befürworter des Gendersprechs zu widerlegen. Etwa das Argument, Frauen seien in der deutschen Sprache unsichtbar, müssten immer mitgedacht werden.

Von wegen, sagt Payr, im Deutschen sei es viel leichter, eine Frau sichtbar zu machen als einen Mann. „Die maskuline Form der Lehrer oszilliert semantisch zwischen der spezifischen Bezeichnung eines Mannes (Sexus) und einer geschlechtsneutralen Personenbezeichnung (generisches Maskulinum).“ Hänge man jedoch ein -in an, sei das weibliche Geschlecht eindeutig markiert. Auch der Mann ist beim generischen Maskulinum also immer nur mitgedacht.

„Der ständige Hinweis auf die Kategorie Geschlecht zementiert genau die Differenz“

Oder das Argument, immer nur die maskuline Form zu nennen, sei sexistisch und widerspreche dem Ansatz von Gleichberechtigung. Im Gegenteil, sagt Payr. „Der ständige Hinweis auf die Kategorie Geschlecht zementiert genau die Differenz, die durch Gleichberechtigung eigentlich aufgehoben werden soll.“ Und: „Das sprachliche Äquivalent der Gleichberechtigung ist eine neutrale Formulierung, die alle Menschen inkludiert.“

Oder das Argument, Gendern trage zur Präzisierung der Aussage bei. Auch das widerlegt Payr: Da wo die weibliche Form angebracht ist, solle sie verwendet werden. Wurde sie aber auch schon immer. Jedoch: „Der ständige und entbehrliche Verweis auf das Geschlecht verwässert die Kernaussage von Texten und erschwert damit ihre Verständlichkeit.“

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So dekliniert Payr Kapitel für Kapitel durch, immer unterlegt mit sprachwissenschaftlichen Hinweisen und unter Heranziehung von Studien. Sein Fazit: „Man kann das generische Maskulinum als patriarchalisches Relikt in der Sprache bekämpfen, man kann es aber auch – als sicherlich nicht perfekte, aber seit Jahrhunderten etablierte Form – akzeptieren und es mit fortschrittlichen Inhalten füllen.“ Man muss seine Meinung nicht teilen. Aber man kann ihm nicht vorwerfen, nicht gut argumentiert zu haben.

Mehr: Mutig in die Zukunft – 100 Frauen, die Deutschland bewegen.

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