Corona-Pandemie Kooperationen werden für Banken und Fintechs immer wichtiger – und für deren Kunden

Banken brauchen die Technologie von Fintechs.
Berlin, Frankfurt Noch vor zwei Monaten beklagte Marko Wenthin, dass nur Hausbanken die begehrten Corona-Schnellkredite der KfW vergeben dürfen. Seine Online-Geschäftskundenbank Penta blieb außen vor. Dann kam die überraschende Lösung: Die Volksbank Bielefeld-Gütersloh ist dem Fintech zur Seite gesprungen und nun können Penta-Kunden aus der Region über die Volksbank KfW-Hilfen beantragen.
Auch die Kreditplattform Kapilendo hat sich gerade mit einer Bank verbündet. Dank der Varengold Bank können kleine und mittelständische Firmen auch über die Plattform dieses Fintechs an KfW-Schnellkredite gelangen.
Kooperationen zwischen etablierten Banken und aufstrebenden Finanz-Start-ups gehören längst zum Alltag. Doch in der Coronakrise gewinnen sie an Bedeutung. Sandra Ficht, Digitalisierungsexpertin bei der Unternehmensberatung Capgemini Invent, erklärt das so: „Während der Corona-Beschränkungen sind mobile und Online-Lösungen wichtiger geworden“, sagt sie.
„Nicht nur beim Bezahlen hat sich das Verhalten der Kunden verändert. Viele werden wohl auch die Filialen künftig noch seltener aufsuchen.“ Die Notwendigkeit moderner Technologien werde jetzt besonders deutlich. „Ich hoffe, dass nun viele Banken endgültig wachgerüttelt sind und dass der Kostendruck neue Kooperationen nicht im Keim erstickt“, sagt Ficht.
Ulrich Scheppan, Vorstand der Volksbank Bielefeld-Gütersloh, ist von der Zusammenarbeit mit Penta, das gerade seine jüngste Finanzierungsrunde von 18,5 auf knapp 23 Millionen Euro erweitert hat, begeistert: „Wir haben den Ball aufgegriffen und in kürzester Zeit ist daraus eine Kooperation geworden“, sagte er dem Handelsblatt. Eine Verbindung zu dem Start-up bestand schon vorher: Über VR Ventures, den Wagniskapitalfonds einiger Volksbanken, ist seine Bank an Penta beteiligt.
Auch Fintech-Chef Wenthin lobt den Partner: „Das Institut hatte keine Berührungsängste, Konkurrenzbefindlichkeiten wurden abgelegt.“ Und seinen Kunden bleibe nun ein weiterer „lästiger Kontoeröffnungsprozess“ erspart.
Banken und Fintechs sind voneinander abhängig und die Kooperationen werden tiefgreifender. Nach Ansicht von Beraterin Ficht haben sich Banken bei ihren ersten Kooperationsversuchen meist vor allem beim Frontend, also der Benutzeroberfläche einer Smartphone-App oder einer Internetseite, helfen lassen.
„Das sieht auf den ersten Blick schick aus, aber nach wenigen Klicks zeigen sich die darunterliegenden alten Systeme. Für die Kunden wird es dann unbequem“, sagt sie. Besonders wertvolle Kooperationspartner seien daher Fintechs, die dabei helfen, Abläufe mit moderner Technologie von Anfang bis Ende zu vereinfachen – sogenannte Enabler.
Ein solcher „Befähiger“ könnte auch Penta für die Volksbank Bielefeld-Gütersloh werden. „Penta bietet einen interessanten Ansatz bei der automatisierten Prüfung persönlicher Daten und Geschäftsdaten von Kunden, kurz KYC-Prozess genannt“, so Scheppan. KYC steht dabei für Know Your Customer, und Scheppan kann sich vorstellen, das Fintech für diesen Prozess als Dienstleister zu nutzen.
Technologie für Lieferantenfinanzierung
Auch die Hypo-Vereinsbank (HVB) hat ihre Fintech-Kooperationen jüngst intensiviert. Auf der Einlagenseite arbeitet das Geldhaus, das zur Unicredit gehört, seit Kurzem mit Weltsparen zusammen.
Über die Anlageplattform aus Berlin bietet die Bank Festgeld mit drei unterschiedlichen Laufzeiten an. Auf der Finanzierungsseite hat Unicredit gerade ihre Kooperation mit Taulia verstärkt, einem Unternehmen, das bereits in Deutschland, Österreich und den USA aktiv ist.
Das Fintech mit Sitz in San Francisco bietet unter anderem eine Technologie für die Lieferantenfinanzierung. Diese hat die Hypo-Vereinsbank mit einer eigenen Plattform verknüpft. „Taulia liefert das technische Know-how, dank dessen unsere Kunden automatisiert eine hohe Anzahl von Lieferanten in ihre Finanzierungsmodelle einbinden können“, erklärt Jan Kupfer, Vorstand Corporate und Investment-Banking der HVB.
Knackpunkt dabei sei eine Verbindung zum Warenwirtschaftssystem (Enterprise Resource Planning) der Unternehmen. Dadurch könnten die notwendigen Daten automatisch verarbeitet werden.
„Die Kooperation ist aktuell besonders nützlich, denn die Nachfrage nach Lösungen für das Liquiditätsmanagement hat sich während der Coronakrise deutlich erhöht“, sagt Kupfer. „Das liegt unter anderem daran, dass die Lieferketten zeitweise unterbrochen waren und die Produktionen nun rasch wieder hochgefahren werden.“
Bei Kooperationen mit Fintechs gehe es der Bank meist darum, „Abläufe zu automatisieren und von neuen Technologien zu profitieren“, so Kupfer. Taulia wiederum kann mit der Zusammenarbeit seine Bekanntheit in Europa steigern.
Auch die Privatbank Berenberg hat mit ihrem neuen Partner im aktuellen Marktumfeld ein gutes Timing. Über die Berliner Plattform Moonfare können vermögende Kunden jetzt in Private-Equity-Fonds investieren und sich damit beispielsweise an Wagnisfinanzierungen oder Firmenübernahmen beteiligen.
Bislang war ein direkter Einstieg in solche Fonds meist erst ab zweistelligen Millionenbeträgen möglich. Über Moonfare können Anleger sich schon mit 200.000 Euro beteiligen.
„Alternative Investments wie etwa Private Equity werden immer wichtiger für die Diversifizierung der Vermögensanlage“, sagte Klaus Naeve, Leiter der Berenberg-Vermögensverwaltung in Deutschland, zum Kooperationsstart dem Handelsblatt. Das gelte umso mehr, weil die Coronakrise das Zinstief nochmals verlängere.
Kooperationen stehen aber nicht nur bei Banken hoch im Kurs. Vor zwei Jahren gründeten die Deutsche Vermögensberatung AG (DVAG) und der Berliner Fintech-Entwickler Finleap das paritätische Joint Venture Deutsche Fintech Solutions. Auch hier geht es um moderne Technologie: Mit einer App sollen die 17.000 Mitarbeiter des größten deutschen eigenständigen Finanzberaters ihre Kunden über digitale Kanäle beraten können.
Ursprünglich sollte das digitale Tool erst im zweiten Halbjahr 2020 live geschaltet werden. Durch die Coronakrise wurde die Einführung vorverlegt, nachdem eine Testphase positiv verlief. „Mit dieser Anwendung wird das Beratungsgespräch für unsere Kunden und Berater noch effektiver“, meint Markus Knapp, der im DVAG-Vorstand für den Bereich Vertriebsentwicklung zuständig ist. Nach dem erfolgreichen Start soll das Joint Venture um zwei weitere Jahre fortgeführt werden.
Unterstützung aus dem Vorstand
Zu Beginn von Kooperationen ist die Euphorie auf beiden Seiten oft groß. Damit sie tatsächlich erfolgreich sind, müssen etablierte Finanzinstitute Fintechs laut Ficht noch ernster nehmen. „Oftmals arbeiten die Fintechs in der Bank mit einem Innovations- oder Technologieteam zusammen, das keine Entscheidungsmacht hat“, sagt sie. Dann bestehe die Gefahr, dass entwickelte Technologien nie live geschaltet werden. Es fehle meist der Zugang zu den Entscheidern im Vorstand.
Auch müssten die Institute ihre Geschwindigkeit steigern. In Befragungen von Capgemini für den World Fintech Report 2020 gaben mehr als 70 Prozent der Fintechs an, dass sie über die Prozesse der etablierten Banken frustriert seien. „Wenn Entscheidungen zu lange dauern, kann das sogar die Existenz von Fintechs bedrohen, denn sie haben nicht die Ressourcen, ihre Mitarbeiter lange an Projekte zu binden, in denen es nicht vorangeht“, so Ficht.
Penta ist gleich beim Vorstand gelandet, und der zeigt sich vom Tempo des jungen Anbieters begeistert: „Wofür wir manchmal zwei, drei Wochen brauchen, brauchen die zwei, drei Tage“, staunt Scheppan. Er glaube daran, dass Banken und Fintechs nur über Kooperationen erfolgreich sein werden.
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