Steigende Preise Osteuropas Notenbanken reagieren auf hohe Inflation mit Zinserhöhungen

Die polnische Wirtschaft wächst kräftig.
Wien Geldpolitiker alter Schule dürften an den Notenbankern Zentraleuropas ihre Freude haben. Während die US-Notenbank Fed die Geldpolitik höchstens in Ansätzen etwas strafft und die Europäische Zentralbank (EZB) noch zögert, sind die Zentraleuropäer bereits energisch zur Tat geschritten: Diverse Notenbanken der Region haben die Leitzinsen angehoben und klargemacht, dass dies wahrscheinlich bloß erste Schritte waren.
Die hohe Inflation hat die Notenbanker der Region aufgeschreckt. Am höchsten fällt die Teuerungsrate in Polen aus, im Oktober erreichte sie einen Wert von 6,8 Prozent. Vor drei Wochen hat die Notenbank des Landes daher etwas überraschend den Leitzins erhöht. Am Mittwoch hob sie den Satz erneut an – von 0,5 Prozent auf 1,25 Prozent.
Damit folgte sie den Zentralbanken Ungarns und Tschechiens, die bereits im Juni als Erste in der EU eine Wende bei der Geldpolitik eingeleitet hatten. Forsch ging die tschechische Zentralbank vor, als sie Ende September den Leitzins um 75 Basispunkte auf 1,5 Prozent anhob. Dies war die stärkste Erhöhung seit 24 Jahren, doch dabei blieb es nicht. Am Donnerstag legte die Notenbank nach und hob den Satz um weitere 125 Basispunkte auf 2,75 Prozent an. Kaum ein Ökonom hatte mit einem solchen Anstieg gerechnet.
Mit der neuesten Maßnahme will die Notenbank erreichen, dass die Teuerung wieder in Richtung ihres mittelfristigen Inflationsziels von zwei Prozent sinkt. Zudem soll so eine Lohn-Preis-Spirale verhindert werden, die entsteht, wenn sich beide Faktoren gegenseitig hochschaukeln. Dies kann zum Beispiel dann passieren, wenn die Tarifparteien von einer höheren Inflation ausgehen und entsprechend höhere Löhne vereinbaren.
Um klare Aussagen sind die Notenbanker der Region nicht verlegen. Jene Tschechiens würden derzeit in einem „kämpferischen Tonfall“ sprechen, schreiben die Ökonomen der österreichischen Bank Erste Group. Tomas Nidetzky, der Vizechef der tschechischen Zentralbank, hatte erst vor wenigen Tagen gesagt: „Sofern nichts Ungewöhnliches geschieht, werden wir den Leitzins auf 2,5 bis drei Prozent erhöhen.“ Die hohen Energiepreise würden, so meinte Nidetzky, möglicherweise wieder sinken; trotzdem sei die Gefahr eines weiteren Preisauftriebs hoch. Der Notenbanker sprach damit den Boom am heimischen Immobilienmarkt und den Aufwärtsdruck bei den Löhnen an. Tschechien hat mit 2,8 Prozent die niedrigste Arbeitslosenquote in Europa.
Notenbank Ungarns: Höhere Inflationsraten werden länger anhalten als angenommen
Sorgen macht sich auch der geldpolitische Rat von Ungarns Notenbank. Eines der Mitglieder sagte jüngst, die Zeitspanne mit höheren Inflationsraten werde wohl länger dauern als angenommen.
Die Länder Zentraleuropas boomen, in mancher Hinsicht stehen sie besser da als die westeuropäischen Staaten. Das betrifft nicht nur die erstaunlich niedrige Arbeitslosenquote Tschechiens, sondern etwa auch die stabile Entwicklung Polens. Im zweiten Quartal 2021 wuchs die Wirtschaft des Landes um 10,7 Prozent. Der Wert ist vor allem deshalb bemerkenswert, weil die polnische Wirtschaft in der Pandemie weniger stark eingebrochen ist. In anderen Ländern, in denen zum Beispiel der Tourismus eine große Rolle spielt, schrumpfte die Wirtschaft deutlich stärker. Daher sind dort die Vergleichswerte aus dem vergangenen Jahr besonders niedrig und die Wachstumsraten jetzt entsprechend hoch. In Polen dagegen ist die Wirtschaft im Pandemiejahr 2020 lediglich um 2,5 Prozent geschrumpft. Dies verdankt das Land einem vorteilhaften Branchenmix: Der gebeutelte Tourismussektor hat nur eine geringe Bedeutung; stark sind dagegen die Industrie und die IT-Branche, die von der Pandemie wenig in Mitleidenschaft gezogen worden sind.
Ganz risikolos ist die straffere Geldpolitik der zentraleuropäischen Notenbanken allerdings nicht, denn die Aussichten haben sich auch in der Region wieder etwas verschlechtert. Das hängt mit den steigenden Energiepreisen und den Problemen der Autoindustrie zusammen. Die deutschen Hersteller sind besonders in Ungarn und Tschechien mit Fabriken stark vertreten. Und diese mussten jüngst ihre Produktion drosseln, unter anderem weil Halbleiter knapp sind.
Ob die Notenbanker in Zentraleuropa die Geldpolitik zu früh gestrafft haben, wird sich erst in den nächsten Monaten zeigen. Noch sind die Wirtschaftszahlen wegen Nachholeffekten durch die Pandemie und andere Verzerrungen schwer zu interpretieren.
Ökonomen erwarten weitere Zunahme der Inflation
Zunächst erwarten Ökonomen eine weitere Zunahme der Inflation. Jiri Rusnok, der Chef der tschechischen Notenbank, prognostiziert, dass die Teuerung im Winter auf sieben Prozent zunehmen werde. Und im Fall von Polen erwarten die Analysten der Erste Group für Ende des Jahres den Höchstwert bei der Inflation. Sie prognostizieren acht Prozent. Zudem heißt es: „Selbst ein höherer Wert kann nicht ausgeschlossen werden.“
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