Handelsblatt testet Krankenversicherung: Diese gesetzlichen Krankenkassen punkten mit guter Leistung

Mit einem Wechsel der Krankenkasse können gesetzlich versicherte Arbeitnehmer bares Geld sparen. Alle zwölf Monate haben sie Gelegenheit dazu.
Düsseldorf Rund 73 Millionen Menschen in Deutschland waren im Juli 2021 bei einer gesetzlichen Krankversicherung (GKV) versichert. 57 Millionen davon haben Beiträge für sich und ihre kostenfrei mitversicherten Familienangehörigen gezahlt. Die gute Nachricht ist: Aller Voraussicht nach werden sie 2022 nicht mehr für ihren Krankenversicherungsschutz zahlen müssen.
Doch genau das wäre eigentlich geboten. „Im kommenden Jahr fehlen den gesetzlichen Krankenkassen nach jetzigem Stand sieben Milliarden Euro“, weiß Thomas Adolph, Geschäftsführer der Kassensuche GmbH. Nach Aussagen des derzeit noch geschäftsführenden Gesundheitsministers Jens Spahn (CDU) ist geplant, das Defizit aus dem Bundeshaushalt zu begleichen.
So will die scheidende Bundesregierung ihr Ziel erreichen, die Sozialbeiträge in Summe unter der Marke von 40 Prozent zu halten. So hatte es die Große Koalition mit der „Sozialgarantie 2021“ im vergangenen Jahr beschlossen.
In puncto drohend höherer Beiträge können die Versicherten also scheinbar aufatmen. Doch das ist ein Trugschluss. Indirekt werden sie heute stärker zur Kasse gebeten als noch vor einem Jahr. Denn immer mehr Kassen streichen freiwillige Zusatzleistungen oder üppige Bonusprogramme.
„Die perspektivische Frage ist also weniger: Welche Kassen werden ihre Beiträge stabil halten? Sondern: Was bekommen die Versicherten dort für ihr Geld?“, sagt Thomas Lemke. Lemke gilt als profunder Kenner des deutschen Krankenversicherungsmarkts.
Beitragsunterschiede sind fast so hoch wie beim letztjährigen Vergleich
Exklusiv für das Handelsblatt hat das Deutsche Finanz-Service Institut (DFSI) in Köln nicht nur Beitragssätze und Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherungen, sondern auch ihren Service und ihre Finanzkraft unter die Lupe genommen und systematisch ausgewertet. Auf dieser Basis hat das DFSI dann Ratingnoten vergeben.
Das Ergebnis belegt schwarz auf weiß: Die Beitragsunterschiede fallen annähernd so hoch aus wie beim letztjährigen Vergleich. Kostengünstigste Kasse mit 14,99 Prozent ist nach wie vor die Handelskrankenkasse (HKK). Die Differenz zu den teuersten Anbietern beträgt in der Spitze über zwei Prozentpunkte.
Das Leistungsniveau hingegen ist marktbreit gesunken. Bestes Beispiel dafür: die Techniker Krankasse (TK). Den ersten Platz im Gesamtklassement konnten die Hamburger gegenüber dem Vorjahr zwar verteidigen. Doch während die TK vor einem Jahr mit einem „Exzellent“ über die Ziellinie gegangen ist, hat es dieses Mal nur zu einem „Sehr gut“ gereicht.
Der Grund dafür: Neben dem schwächeren Abschneiden bei der Finanzkraft ist das Ergebnis im Bereich Leistungsangebot im Vergleich zum Vorjahr rund vier Punkte schwächer ausgefallen. Ähnlich ist auch die Tendenz bei den beiden Drittplatzierten unter den bundesweit tätigen Kassen, Hanseatische Krankenkasse (HEK) und Handelskrankenkasse (HKK). Auf Platz zwei hat sich die nur regional geöffnete AOK Plus geschoben.
Vor dem Wechsel: Versicherte sollten Leistungen der neuen Kasse prüfen
Mit einem Wechsel der Krankenkasse können gesetzlich versicherte Arbeitnehmer bares Geld sparen. Alle zwölf Monate haben sie Gelegenheit dazu. Ein Sonderkündigungsrecht besteht allerdings zum Beispiel bei der Erhöhung des Zusatzbeitrags oder auch bei einem Arbeitgeberwechsel.
Die bestehende Kasse müssen Versicherte nicht mehr selbst kündigen. Die neue Kasse übernimmt das. Die Kündigungsfrist beträgt zwei Monate zum Monatsende. Vor einem Wechsel sollten Versicherte aber auch auf die Leistungen des neuen Anbieters achten.
„Um hier keine bösen Überraschungen zu erleben, ist es besonders wichtig, auf Qualität und Transparenz zu achten“, sagt Kassensuche-Chef Adolph. „Gesetzliche Krankenkassen haben grundsätzlich einen hohen Anspruch an ihre Arbeit. Aber es gibt deutliche Unterschiede, wie das bei den Versicherten ankommt.“
Das GKV-Unternehmensqualitätsrating des Handelsblatts hilft Versicherten, sich zu orientieren, welcher Anbieter den Spagat schafft: in puncto Leistung die Nase vorn zu haben und dennoch einen günstigen Beitragssatz zu berechnen. Mehr noch: Anhand der DFSI-Analyse kann sich jeder gesetzlich Krankenversicherte diejenige Kasse herauspicken, deren Angebote für seine Gesundheitsbedürfnisse besonders relevant sind.
Die Top-Platzierten unter den bundesweit geöffneten Kassen bieten über alle Bereiche hinweg solide gute Leistungen. Dazu kommen regionale Anbieter, die im Einzelfall bei den Leistungen oder mit gutem Service zu punkten wissen.
Um bei den regional geöffneten Kassen Mitglied zu werden, muss entweder der Versicherte oder der Arbeitgeber seinen Sitz im jeweiligen Geschäftsgebiet haben. Ein genauer Vergleich mit den überregionalen Platzhirschen lohnt sich.
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