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Gastkommentar – ExpertenratLerchen versus Eulen: Gibt es das optimale Zeitfenster für Sport?

Wer seinen Sport am Tagesrhythmus plant, trainiert effizienter und reduziert Verletzungen. Auch Früh- und Spätaufsteher sollten unterschiedlich trainieren.Curt Diehm 22.01.2022 - 10:00 Uhr Artikel anhören

Vor allem Frühaufsteher (Lerchen) profitieren von morgendlicher Sportroutine. Wer spät aufsteht, ist dagegen auch noch abends leistungsfähig.

Foto: dpa

Schon der Boxer Wladimir Klitschko hat vor einigen Jahren gesagt, er wisse zwar nicht warum, aber für ihn seien Ausdauerläufe vor dem Frühstück ideal, um Gewicht abzubauen. Worüber der ehemalige Weltmeister noch im Dunkeln tappte, wird inzwischen recht intensiv erforscht. Wann ist die beste Tageszeit für welche sportliche Betätigung, wann sind diese besonders effektiv? Immer mehr Studien stellen diese Fragen.

Die Antworten sind durchaus relevant. Gerade von Führungskräften weiß man, dass sie die Bedeutung von Bewegung als entscheidendes Mittel gegen Zivilisationskrankheiten wie Bluthochdruck, Übergewicht, Diabetes mellitus, Herzinfarkt und Schlaganfall kennen und Sport daher bei dem Großteil auf der To-do-Liste weit oben steht.

Allein es fehlt vor lauter beruflichen Aufgaben die Zeit. Und die Überwindung des inneren Schweinehunds ist auch nicht immer ganz einfach. Da hilft es für die Tagesplanung zu wissen, wann Training den höchsten Nutzen hat.

Es zeigt sich, dass es (leider) keine simple Antwort gibt. Der ideale Trainingszeitpunkt ist immer verbunden mit der inneren Uhr des Körpers. Und diese tickt individuell unterschiedlich. Der Biorhythmus und unserer Schlaf-Wach-Verhalten werden im Zwischenhirn gesteuert.

Zwei wichtige Hormone werden dort gebildet. Einmal Melatonin, das „Schlafhormon“ macht uns müde und sorgt für einen guten Schlaf. Zum anderen Serotonin, es macht uns wach und frisch.

Tageslicht ist entscheidend

Viele Trainingswillige machen den Fehler, diesen Zusammenhang für die Trainingseffizienz zu unterschätzen. Wichtigster Faktor dabei ist das Tageslicht. Studien haben gezeigt, dass die Leistungsfähigkeit im Tagesverlauf um etwa 26 Prozent variieren kann. So wachen die sogenannten „Lerchen“ früh auf und sind abends relativ früh müde.

„Lerchen“ haben als Frühaufsteher morgens einen hohen Cortison-Spiegel, der Blutdruck, Puls, Körpertemperatur und den Testosteronspiegel erhöht. In diesem Zeitraum sind auch die meisten roten Blutkörperchen in der Skelettmuskulatur unterwegs.

Der Morgen ist für „Lerchen“ also die beste Zeit für intensives Ausdauertraining, beispielsweise nach einem Kaffee und vor der Arbeit. Wegen des hohen Testosteronspiegels macht für „Lerchen“ auch Krafttraining am Morgen Sinn. Morgenmuffel („Eulen“) sollten demnach vormittags nicht trainieren, der Geist sträubt sich zu Recht.

Die meisten Menschen haben mittags von 13.00 bis 15.00 Uhr ein Leistungstief. Sie fühlen sich müde. Die Stoffwechselvorgänge laufen auf Sparflamme. Viel Blut befindet sich im Magen-Darm-Trakt und wird zur Verdauung benötigt. Das entzieht den Muskeln Blut. Zu diesem Zeitpunkt ist die Verletzungsgefahr am größten. Allerdings können einzelne Sportarten wie leichte Formen des Yoga mit niedriger Belastungsintensität oder auch ein strammer Spaziergang in der Mittagspause gut ausgeübt werden.

Nach dem Mittagstief folgt wieder eine Phase mit zunehmender Leistungsbereitschaft und einem deutlich höheren Blutdruck. Das passiert zwischen 15.00 und 16.00 Uhr. Gut für Sportarten, die Koordination und Flexibilität verlangen. Ideal auch für Skaten und Radfahren. Dieses Zeitfenster hat positive Auswirkungen auf die Konzentration und die Koordination.

Krafttraining lieber abends

Für Wettkämpfe ist die Zeit zwischen 17.00 und 19.00 Uhr am besten. Unser Körper läuft zur Hochform auf. Auch das Testosteron steigt wieder an. Der frühe Abend ist also auch passend für Krafttraining.

Die Temperatur der Muskulatur ist zu diesem Zeitpunkt am höchsten. Das ist entscheidend für die Beschleunigung von Stoffwechselprozessen und auch für die Energiebereitstellung. Ähnliche Effekte erreicht man auch durch Aufwärmtraining.

Spät abends sollte man nicht unbedingt trainieren. Das würde zu einem unruhigen Schlaf führen. Die „Eulen“, die vergleichsweise spät müde werden und einschlafen können, sind abends durchaus noch sehr leistungsfähig.

Dieser Typ kann noch zu einem späteren Zeitpunkt Sport treiben, weil er im Anschluss daran immer noch ausreichend Zeit hat, den Stoffwechsel herunterzufahren.

Statistische Berichte sagen uns, dass im Fitnessstudio die bevorzugte Tageszeit für Training der Abend ist. Da sind sicherlich auch viele Frühaufsteher darunter, für die Sport am Abend nicht optimal ist.

Die Nacht dient dann der Regeneration. Wir sehen die höchsten Spiegel von Melatonin im Blut. Cortison ist auf einem Minimum. Wachstumshormone steigen deutlich an. Deshalb findet Muskelaufbau jetzt statt.

Biorhythmus, Gene und die Frage, welcher Typ wir sind, definieren also die beste Zeit fürs Training. Wir müssen uns dessen lediglich bewusst sein.

Fazit:

    Die optimale Trainingszeit wird maßgeblich von unserem natürlichen Biorhythmus bestimmt.Die beste Trainingszeit ist dabei stark individuell geprägt. Eine pauschale beste Uhrzeit gibt es nicht.„Lerchen“ trainieren am besten morgens früh vor der Arbeit oder am späten Vormittag.Für „Eulen“ liegt die beste Trainingszeit am späten Nachmittag und in den Abendstunden.Zu Top-Leistungen ist der Körper zwischen 10:00 Uhr und 12:00 Uhr und zwischen 17:00 Uhr und 19:00 Uhr in der Lage.Am Nachmittag ist der ideale Zeitpunkt für Krafttraining und technische Sportarten.Am ineffektivsten ist Training in der Mittagszeit.Zu spätes Training am Abend stört den Schlafrhythmus und gefährdet die Regeneration.Der Versuch, den individuellen Biorhythmus zu verschieben, funktioniert nicht und ist deshalb kontraproduktiv.
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Curt Diehm ist ärztlicher Direktor der auf Führungskräfte spezialisierten Max-Grundig-Klinik. Der Internist lehrt zudem als außerplanmäßiger Professor an der Universität Heidelberg und ist Autor von über 200 wissenschaftlichen Originalpublikationen sowie vielen Sachbüchern. Foto: Handelsblatt


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