Gastkommentar: Für mehr Wohlstand braucht Deutschland mehr aktive Rentner

Für Wachstum und Wohlstand müssen alle mit anpacken. Wir müssen produktiver werden, um im internationalen Wettbewerb wieder ganz vorne mitspielen zu können.
Als Erstes müssen wir aufhören, Nichtleistung zu belohnen. Deshalb schaffen wir das „Bürgergeld“ ab und ersetzen es durch die „Neue Grundsicherung“. Wir sorgen dafür, dass die Menschen schneller wieder in Arbeit kommen, und entziehen Arbeitsverweigerern die Leistungen.
Zweitens müssen wir mehr Anreize für Leistung setzen. Deshalb müssen die im Koalitionsvertrag verankerten steuerfreien Überstundenzuschläge jetzt schnell kommen. Es braucht diesen Schub, damit alle, die mehr arbeiten wollen, dies auch tun und es sich für sie lohnt.
Drittens müssen wir an die Vereinbarkeit von Familie und Beruf ran: Mit rund 30 Prozent haben wir derzeit eine überdurchschnittlich hohe Teilzeitquote – Tendenz steigend, vor allem unter den Frauen, bei denen nahezu jede zweite in Teilzeit arbeitet. Oft fehlt es an geeigneten Betreuungsangeboten für Kinder oder pflegebedürftige Angehörige.
Viertens müssen wir Flexibilität für alle Arbeitnehmer schaffen. Sie wissen im Austausch mit ihren Arbeitgebern selbst am besten, wann sie wie viel arbeiten können. Deshalb führen wir die Wochenhöchstarbeitszeit ein.
Deutsche arbeiten weniger als andere
Für dauerhaften Wohlstand brauchen wir eine generationenübergreifende Kraftanstrengung. Das heißt, dass wir auch den demografischen Wandel und den daraus resultierenden Arbeits- und Fachkräftemangel adressieren müssen.
Bis 2036 gehen rund 13 Millionen Menschen in Rente. Das ist gut ein Viertel aller Erwerbstätigen in Deutschland, die den Arbeitsmarkt in den nächsten Jahren verlassen werden. Fachkräftezuzug allein kann das nicht auffangen. Es bräuchte laut Experten einen Zuwachs von 400.000 Personen pro Jahr, die sich dauerhaft in den Arbeitsmarkt integrieren.
Zwar ist der Zuzug von Fachkräften in jüngerer Vergangenheit gestiegen, gleichzeitig verlassen aber jedes Jahr rund 200.000 Menschen mit deutscher Staatsbürgerschaft im Alter von 20 bis 40 Jahren unser Land.
Hinzu kommt, dass wir derzeit statistisch gesehen weniger arbeiten als Menschen in anderen Ländern – über 100 Stunden pro Jahr weniger als in Griechenland, nahezu 200 weniger als im OECD-Durchschnitt.
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Die gute Nachricht: Es gibt viele Menschen in unserem Land, die gerne freiwillig mehr und länger arbeiten möchten. Das sind nicht nur junge Menschen, das sind auch viele Menschen im Rentenalter.
Sie werden viel zu wenig beachtet. Deshalb habe ich diese für unseren Wohlstand weitläufig unterschätzte Gruppe in der vergangenen Woche bei „Caren Miosga“ direkt angesprochen.
Schon heute sind etwa 20 Prozent der 65- bis 69-Jährigen in Deutschland erwerbstätig. Ein Blick auf unsere europäischen Nachbarn zeigt gleichzeitig, dass noch viel Potenzial in dieser Gruppe liegt: In Dänemark arbeiten 31, in Lettland 32 und in Estland sogar 39 Prozent dieser Altersgruppe.
2000 Euro steuerfreies Gehalt für aktive Rentner
Ich möchte dafür sensibilisieren, wie groß der Beitrag der älteren Menschen ist, die über das Renteneintrittsalter hinaus freiwillig weiterarbeiten wollen. Ich sage klar und deutlich: Wir brauchen auch aktive Rentnerinnen und Rentner, um Deutschland wieder nach vorne zu bringen!
Die Idee der „Aktivrente“ ist ein wichtiger Baustein, um die Menschen im Rentenalter zu motivieren, die freiwillig länger arbeiten wollen. Sie ist komplett neu, auch international gibt es keine Blaupause.
Dabei ist sie sehr simpel. Indem wir bis zu 2000 Euro Gehalt pro Monat für Rentnerinnen und Rentner steuerfrei stellen, wird deren Erwerbstätigkeit deutlich steigen. Denn es gibt jetzt schon viele, die länger arbeiten beziehungsweise länger arbeiten wollen.
Am Ende gewinnen alle: Die Rentnerinnen und Rentner, weil sie mehr Kaufkraft haben, ihr Wissen teilen und stärker an der Gesellschaft teilhaben können; die Arbeitgeber, weil die Fachkräftelücke nicht zu groß wird und Erfahrungswissen nicht verloren geht; der Staat, weil er zusätzliche Einnahmen generiert.






Natürlich dürfen wir auch die Menschen nicht vergessen, die nicht mehr in ihrem eigentlichen Beruf arbeiten können, etwa den allseits bekannten „Dachdecker“ oder andere körperlich stark beanspruchende Tätigkeiten. Für sie haben wir in den vergangenen Jahren die Erwerbsminderungsrente ausgebaut. Wir müssen aber auch alles dafür tun, dass ihr Wissen und ihre Erfahrungen für die Gesellschaft nicht verloren gehen.
Der Autor: Carsten Linnemann ist Generalsekretär der CDU.
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