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Prüfers KolumneBesser regieren ohne Behörden

Deutschlands Ämtern droht der Antragsinfarkt. Für die Bundesregierung eröffnet das eine ungeahnte Option: Sie kann Dinge beschließen, die niemals den Orbit des öffentlichen Diensts verlassen.Tillmann Prüfer 03.12.2022 - 12:58 Uhr Artikel anhören

Tillmann Prüfer ist Mitglied der Chefredaktion des „Zeit-Magazins“.

Foto: Handelsblatt

Ich habe beim Bürgeramt meiner Stadt einen Antrag auf die Verlängerung meines Anwohnerparkausweises gestellt. Man braucht einen solchen Schein, damit man vor der Haustür parken kann, ansonsten bekommt man einen Strafzettel. Ich habe vier Wochen vor Ablauf meines Parkausweises einen neuen beantragt. Das geht heute online. Danach – passierte nichts.

Mein Ausweis war irgendwann ungültig und ich bekam einen Strafbescheid. Das, immerhin, bekam die Behörde hin. Ich legte einen Zettel hinter die Windschutzscheibe, dass ich bereits einen Antrag auf Verlängerung gestellt habe. Und tatsächlich, seitdem wurde ich nicht mehr behelligt.

Es gibt viele solcher Zettel hinter Windschutzscheiben in Berlin. Von Menschen, die die genauen Umstände erklären, warum ein Fahrzeug dort steht, obwohl eine dafür erforderliche Marke fehlt. Mein Eindruck ist, dass diese Art von Schutzzauber ganz gut funktioniert. Offenbar sind solche Zettel sehr glaubwürdig.

Ich habe auch mal eine Einkommensteuererklärung abgegeben, im Frühjahr ungefähr. Seitdem warte ich, dass das Finanzamt mir einen Steuerbescheid schickt. Ich dachte schon, die Behörde gäbe es einfach nicht mehr, alle Mitarbeiter hätten sich aus dem Staub gemacht, aber dann kam beruhigenderweise eine Mahnung, weil ich vergessen hatte, die Kirchensteuer zu überweisen. Es funktioniert also noch irgendetwas da draußen.

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Ich habe gelesen, dass es die Sorge gibt, die deutschen Behörden könnten für die kommenden Herausforderungen nicht gewappnet sein. Die Bürger sollen ja in Bälde auf verschiedene Weise entlastet werden. Es gibt eine Wohngeldreform, außerdem soll Bürgergeld gezahlt werden. Und dann greift auch noch die Gaspreisbremse. In der „Welt am Sonntag“ las ich, es drohe in Deutschland ein „Verwaltungsstau“.

Schon heute müssten Bürger in München zehn bis zwölf Monate warten, bis Anträge überhaupt bearbeitet würden. Die Behörden wollen mehr Mitarbeiter anstellen, allerdings gibt es auch Probleme, genügend Leute zu finden, die diese Anträge bearbeiten wollen. Verwaltungssachbearbeiter:in ist zwar ein ziemlich sicherer Beruf, aber offenbar nicht der allerbeliebteste. Dazu kommt, dass der Krankenstand in den Behörden ziemlich hoch ist. Es bleibt also einiges liegen.

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Wir haben also offenbar eine Situation, in der die Politik alles Mögliche beschließt, aber beim Bürger lange nichts davon ankommt, weil sich im Amt niemand darum kümmern kann. Das macht das Regieren dann umso einfacher.
Laut dem Zeitungsbericht wird der große Verwaltungsstau erst 2023 kommen. Das bedeutet, bislang leben wir demnach in der Verwaltungsnormalität. Während ich auf den Steuerbescheid 2021 also noch hoffen darf, wird mich der Bescheid 2022 wohl erst am Sterbebett erreichen. Immerhin hat man etwas, auf das man sich freuen darf.

Der Parkausweis mit Plakette kam neulich an, ich war richtig gerührt. Leider ist das Auto mittlerweile kaputt.

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