Prüfers Kolumne: Seltene Erden in meinem Keller: Wenn Horten ein Umweltverbrechen wird

Tillmann Prüfer ist Mitglied der Chefredaktion des „Zeit-Magazins“.
Wir leben ja in einer Wegwerfgesellschaft. Alles Mögliche und Unmögliche werfen wir weg. Ich habe gerade in der „Süddeutschen Zeitung“ gelesen, dass unsere Umwelt mittlerweile so von Mikroplastik durchsetzt ist, dass man kaum etwas findet, in dem es nicht enthalten ist. Wir atmen Mikroplastik sogar ein, wir essen und trinken es. Wir leben also gewissermaßen in und mit unserem Abfall, irgendwann werden wir wahrscheinlich aus Abfall bestehen.
Hinzu kommt aber das weniger bekannte Problem der Nicht-Wegwerf-Gesellschaft, die sogenannte „Storage-Society“. Wir lagern alles mögliche und unmögliche in Kellern und Schubladen ein – wo es dann vergammelt. Allein in Deutschland werden 200 Millionen kaputte Handys gebunkert.
Das ist in mancher Hinsicht ein Problem. Wenn ein Gerät in einer Schublade ist, kann es nicht recycelt werden. Zudem enthält ein Mobiltelefon zum Beispiel mehr Gold als ein Klumpen Golderz. Es wäre für die Goldgewinnung also einträglicher, wir würden Mobiltelefone einschmelzen statt der Bodeninhalte ganzer Landstriche. In Mobiltelefonen sind auch allerhand Seltene Erden enthalten, für deren Gewinnung man Berge mit Säure wegätzen muss oder so. Sein Handy also nicht in das Recycling abzugeben, ist schon nicht mehr nur nachlässig, sondern ein Umweltverbrechen.
Ein großer Teil dieser 200 Millionen Mobiltelefone lagert in meinem Haushalt. Ich habe, seit ich Handys besitze, noch nie eins weggeworfen, ich weiß nicht warum, ich kann es einfach nicht. Ich werfe grundsätzlich nichts weg, zumindest nicht, wenn es elektronisch ist. Es ist ein mehrstufiger Prozess. Wenn es nicht kaputt ist, denke ich mir: Das ist ja noch gut, das kann ich noch einmal benutzen, das Handy. Etwa wenn mein Neues kaputtgeht.
Natürlich passiert das nie, stattdessen kommt irgendwann ein weiteres Handy hinzu. Mittlerweile habe ich ein kleines Funkmuseum. Das leicht beschädigte erste iPhone ist darin genauso vertreten wie ein Siemens S4. Wer mit diesem Namen noch etwas anfangen kann, darf sich selbst als Boomer fühlen.
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Es geht mir nicht nur mit Mobiltelefonen so. Ich habe auch Schwierigkeiten, alte Radios zu entsorgen. Ich habe sogar noch eins mit Mittelwellen-Empfänger. Ich habe gelesen, dass Mittelwelle eine Technologie ist, die auch beim Ausfall großer Teile der Infrastruktur noch funktioniert, weil die Wellen über Hunderte Kilometer übertragen werden können.
Einige europäische Länder (natürlich nicht Deutschland) würden deshalb diese Technologie in Reserve halten. Sie schmeißen es nicht weg. Wenn also der große Blackout da ist, kommt die Zeit wieder für mich und mein Batterieradio. Ich sag euch Bescheid, was los ist.





