Prüfers Kolumne Multitasking ist nur eine Illusion

Tillmann Prüfer ist Mitglied der Chefredaktion des „Zeit-Magazins“.
Wir leben in einer Welt der Gleichzeitigkeit. In Zoom-Konferenzen schauen wir in eine Galerie von Teilnehmern, die uns alle gleichzeitig angucken. Nehme ich an einer Videokonferenz teil, bearbeite ich gleichzeitig meine Mails. Wenn ich fernsehe, dann schreibe ich nebenbei. Wenn ich koche, dann telefoniere ich. Wenn ich telefoniere, räume ich nebenbei auf. Und wenn ich jogge, läuft gleichzeitig ein Hörbuch. Ich mache immer das eine und dazu das andere. Und wenn ich doch mal nur eine Sache mache, denke ich, dass ich meine Zeit verschwende.
Ich frage mich manchmal, ob das sinnvoll ist. Oder ob ich nur keine rechte Lust habe, mich mit der einen Sache ganz zu beschäftigen, und mich deshalb noch einer anderen Sache widme. Oder ich habe vielleicht keine Lust, eine Aufgabe zu erledigen, weshalb ich sie halbherzig anfange, während ich fernsehe.
Ich mache ständig etwas halb, um es nicht ganz machen zu müssen. Dabei wäre es bestimmt viel vernünftiger, ich würde mit ganzem Herzen kochen, mit ganzer Hingabe einen Film gucken und mit ganzer Konzentration arbeiten oder konferieren.
Ich habe gelesen, dass es umstritten ist, ob Multitasking überhaupt möglich ist. Tatsächlich muss bei der sogenannten Mehrfachaufgabenperformanz die Aufmerksamkeit geteilt werden. Laborstudien zeigen: Wenn Menschen ein Auto durch den Verkehr steuern und gleichzeitig telefonieren, verdoppelt sich das Risiko, eine rote Ampel zu übersehen. Der Hirnforscher René Marois sagt, dass es eine Illusion ist, dass das menschliche Gehirn zwei Aufgaben gleichzeitig erledigen kann. Es vermag sich immer nur einer Aufgabe zu widmen. Was es kann: schnell zwischen zwei Aufgaben wechseln.
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Wer sich also als guter Multitasker sieht, ist jemand, der sich schnell auf eine Aufgabe fokussieren kann – und gleich danach auf eine andere. Dabei ist es offenbar kein Mythos, dass Frauen jenes besser können als Männer. Tim Killeen von der Universitätsklinik Zürich hat herausgefunden, dass Männer, wenn sie wortbasierte Aufgaben lösen müssen, in ihrem Gang unregelmäßiger werden als Frauen. Zumindest die Frauen, die vor ihren Wechseljahren stehen.
Wenn Männer ihr Gehirn benutzen müssen, während sie gehen, fangen ihre Arme an, unregelmäßig zu schwingen. Frauen hingegen können denken und dabei gerade gehen. Man vermutet, es hat etwas mit den Östrogenen zu tun.
Man kann also sagen, dass junge Frauen in dieser Hinsicht einen deutlichen biologischen Vorteil haben. Wie sich der ausgleichen lässt? Mein erster Vorschlag: Östrogengaben für männliche Angestellte. Dieser Text wurde übrigens während verschiedener Konferenzen geschrieben – nebenbei.
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