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Gastkommentar – Homo oeconomicusDie üblichen CO2-Vergleiche von Bahn und Flugzeug sind irreführend

Bei Klimaschutzrechnungen müssten die Emissionen aus dem Ausbau der Infrastruktur mit eingerechnet werden, fordert Daniel Stelter. Dann schneide das Flugzeug besser ab. 28.01.2022 - 13:22 Uhr Artikel anhören

Wer ist der größere Klimaschädling? Bei der Bewertung sind viele Faktoren miteinzubeziehen, nicht nur der CO2-Austoß.

Foto: EB-STOCK

Kaufleute kennen den Unterschied zwischen Voll- und Grenzkosten. Grenzkosten sind die Kosten, die durch eine zusätzlich produzierte Einheit anfallen, Vollkosten sind die Gesamtkosten des Unternehmens. Nur wer Letztere deckt, macht Gewinn. Nur die Grenzkosten zu verdienen bedeutet den sicheren Ruin.

Was banal klingt, wird beim Thema Klimaschutz gerne vergessen. Beispiel: die Klimawirkung von verschiedenen Verkehrsträgern. Bahnfahren gilt als gut und Fliegen als schlecht. Kein Wunder, dass die neue Bundesregierung den deutlichen Ausbau der Schiene anstrebt und Klimaaktivisten ein sofortiges Verbot der Inlandsflüge fordern. Begründet wird das mit einem rund fünfmal so hohen CO2-Ausstoß pro Passagierkilometer bei Inlandsflügen im Vergleich zur Nutzung der Bahn.

Doch die Rechnung ist falsch. Denn sie betrachtet nur die Grenzkosten, also den Ausstoß an Kohlendioxid durch die konkrete Reise, nicht hingegen die Systemkosten, also den CO2-Ausstoß, der entstanden ist, als man die Bahngleise aus Stahl und Beton produzierte, die Brücken und Tunnel baute, die nötig waren, damit die Reise stattfinden konnte. Doch nur wenn man diese mitberücksichtigt, kommt man zu den Vollkosten des Verkehrs in Tonnen CO2.

Pro Kilometer Bahnstrecke müssen rund 1,2 Millionen Passagierkilometer zusätzlich erbracht werden

Die Dimension des vernachlässigten CO2-Ausstoßes ist gigantisch, wie eine Studie der Universität St. Gallen vorrechnet. So verursacht die Stahlproduktion für einen Kilometer Gleis 240 Tonnen CO2 und ein Kilometer Bahntunnel 27.000 Tonnen CO2.

Pro Kilometer Bahnstrecke müssen danach rund 1,2 Millionen Passagierkilometer zusätzlich erbracht werden, damit die CO2-Vollkostenbilanz jener des Flugverkehrs entspricht. Sobald Tunnel gebaut werden müssen, lässt sich das Projekt endgültig nicht mehr mit dem Klimaschutz begründen.

Der Autor: Daniel Stelter ist Gründer des auf Strategie und Makroökonomie spezialisierten Diskussionsforums „beyond the obvious“, Unternehmensberater und Autor. Jeden Sonntag geht auf www.think-bto.com sein Podcast online.

Foto: Robert Recker/ Berlin
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Das zeigt auch das Beispiel „Stuttgart 21“. Selbst 20 Jahre nach Fertigstellung wird pro Bahnhofsnutzer noch ein Kilogramm Kohlendioxid anfallen, bevor überhaupt ein Transport stattfindet. Für bestehende Infrastruktur ist das egal, nicht jedoch, wenn massiv in neue Infrastruktur investiert werden soll. So baut die Stadt Berlin gerade neue Straßenbahnlinien, die aus Sicht der Benutzer komfortabler sein mögen, aber im Vergleich zu Bussen eine schlechtere CO2-Vollkostenbilanz haben.

Statt ganz Deutschland für den Klimaschutz zu einer Baustelle zu machen und dem Klima in Wirklichkeit zu schaden, sollten wir die bestehende Infrastruktur – Bahnstrecken, Straßen und Flughäfen – besser auslasten. Berechnungen zeigen, dass allein durch Digitalisierung bis zu 35 Prozent mehr Züge auf dem vorhandenen Netz unterwegs sein könnten. Nachteil aus Sicht der Politik: Solche Maßnahmen sind zwar wirksam, eignen sich aber nicht für Fototermine.

Deshalb dürfte es bei teurer und nutzloser Symbolpolitik bleiben. Wie dem Ruf nach Flugverboten, die weder begründet sind noch einen Beitrag zum Klimaschutz leisten.
Mehr: Luftfahrt - Airlines suchen verzweifelt nach der Klimalösung.

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