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Gastkommentar – Homo oeconomicusMit einer CO2-Grenzabgabe droht Protektionismus

Die Einfuhrsteuer auf Kohlendioxid belastet vor allem Entwicklungsländer und könnte darüber hinaus zur Abwanderung unserer Industrie führen, warnt Daniel Stelter. 19.11.2021 - 16:38 Uhr Artikel anhören

Richtig ernst wird es ab 2026, wenn Importeure von Stahl, Aluminium, Zement, Düngemitteln und Strom schätzungsweise 75 Euro pro Tonne CO2-Emissionen zahlen müssen.

Foto: dpa

Das Konzept des „Carbon Pricing“ – also der Erhebung einer Gebühr für jede von der Industrie emittierte Tonne Kohlendioxid – ist in vielen Ländern fest in der Klima- und Nachhaltigkeitspolitik verankert. Das gilt auch für die EU. Je höher der CO2-Preis steigt, desto mehr sind hiesige Produzenten dem Risiko des „Carbon Leakage“ ausgesetzt, das heißt, das CO2 wird einfach anderswo emittiert, und sie verlieren gegenüber billigeren Importen aus Ländern mit weniger strengen Klimaregulierungen Marktanteile.

Bisher haben EU-Hersteller kostenlose CO2-Zertifikate erhalten, um solche CO2-Verschiebungen zu verhindern. Diese kostenlosen Zuteilungen werden nun auslaufen. Stattdessen soll eine CO2-Grenzsteuer eingeführt werden, um die Verlagerung von Produktion zur Vermeidung von EU-Klimakosten zu unterbinden. Theoretisch ist das ein gutes Konzept. In der Praxis bringt es einige Probleme mit sich.

Bereits ab Januar 2023 werden Importeure mit einem erheblichen Verwaltungsaufwand konfrontiert. Sie müssen die in ihren Produkten enthaltenen Emissionen berechnen und diese Daten unabhängig überprüfen lassen. Darüber hinaus müssen sie sicherstellen, dass die Emissionen den zuständigen Behörden ordnungsgemäß gemeldet werden.

Importeure haften, wenn sie sich nicht an die Regeln halten. Faktisch verteuert die EU so Importe durch nichttarifäre Hemmnisse, andere nennen es Protektionismus. Und es dürfte auch so aufgefasst werden.

Richtig ernst wird es ab 2026, wenn Importeure von Stahl, Aluminium, Zement, Düngemitteln und Strom schätzungsweise 75 Euro pro Tonne CO2-Emissionen zahlen müssen. Bis 2030 soll der Steuersatz bei 100 Euro pro Tonne liegen, und dann werden wahrscheinlich mehr Produkte erfasst werden.

Die Rückabwicklung der Globalisierung geht zulasten der Armen

Die Boston Consulting Group rechnet mit Kostensteigerungen von 15 bis 30 Prozent und empfiehlt als eine Reaktion die Rückverlagerung von Produktion in die EU. Politisch wäre eine solche Rückverlagerung sicherlich höchst willkommen, könnte man es doch als Beweis für die Schaffung von „klimagerechtem Wohlstand“ (Wahlprogramm der Grünen) anführen.

Der Autor: Daniel Stelter ist Gründer des auf Strategie und Makroökonomie spezialisierten Diskussionsforums „beyond the obvious“, Unternehmensberater und Autor. Jeden Sonntag geht auf www.think-bto.com sein Podcast online.

Foto: Robert Recker/ Berlin

Diese Rückabwicklung der Globalisierung geht allerdings zulasten der Ärmsten der Welt und verlagert die Lasten der Klimapolitik der Industrieländer auf die Entwicklungsländer, die ungleich schwierigere Voraussetzungen haben, den Umbau Richtung CO2-Neutralität zu bewältigen. Gerecht ist das nicht.

Aus deutschem Blickwinkel kommt ein anderer Aspekt hinzu. Für nicht wenige exportorientierte Unternehmen dürfte sich auch mit Blick auf die demografische Entwicklung der umgekehrte Weg lohnen: die Verlagerung der Produktion in die Märkte der Zukunft.

Verwandte Themen CO2-Steuer Steuern Klimawandel Umweltschutz Europäische Union

Auch für die CO2-Grenzsteuer hier gilt: Das Gegenteil von „gut“ ist „gut gemeint“. Die Bundesregierung sollte sich für bessere Lösungen in der EU einsetzen.

Mehr: Kolumne – „Globale Trends“: Der Klimawandel kennt keine nationalen Grenzen, der Klimaschutz dagegen schon

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