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Homo oeconomicusWarum die Corona-Inflation ausfällt

Wenn die Zentralbank mehr Geld in den Kreislauf pumpt, muss das nicht unbedingt zu mehr Inflation führen. Das haben schon vergangene Krisen gezeigt.Holger Schmieding 16.07.2020 - 08:47 Uhr Artikel anhören

Holger Schmieding ist Chefvolkswirt der Berenberg Bank.

Foto: Berenberg-Bank

Jedes Land hat so seine Marotten. Zu den deutschen Eigenarten gehört es, in jeder Krise gleich große Inflationsgefahren zu wittern. Historisch ist das verständlich, sachlich ist es zumeist falsch, politisch gelegentlich sogar gefährlich.

Aber halt. Die Staatsschulden steigen, die Zentralbank pumpt immer mehr Geld in den Kreislauf. Das muss doch zu immer mehr Inflation führen, oder? Nein, muss es nicht. Schon nach der Lehman-Krise 2008/2009 und der Euro-Krise 2011/2012 haben sich deutsche Kassandras bis auf die Knochen blamiert mit der Warnung, jetzt käme die große Inflation. Das Gegenteil war der Fall. So stabil wie in den Jahren danach waren die Verbraucherpreise in Deutschland noch nie zuvor.

Es beginnt mit einem simplen Gedankenfehler. Mehr Geld allein führt nicht zu Inflation. In der Wirtschaft geht es immer um Angebot und Nachfrage. Inflation entsteht dann, wenn das Angebot an Geld die Nachfrage nach Geld erheblich übersteigt. Ist der Geldmantel dagegen zu eng geschneidert, droht die Deflation, die nach 1929 die Weltwirtschaft zerstört und zu Deutschlands politischer Jahrhundertkatastrophe beigetragen hat.

In einer Krise suchen die Menschen nach Sicherheit. Haushalte, Unternehmen und Banken wollen mehr Vorsichtskasse halten. Liquidität ist Trumpf. Die Nachfrage nach Geld schießt in die Höhe. Wird Geld daraufhin knapp, muss sein Preis steigen. Das heißt, in der Binnenwirtschaft müssen Preise und Löhne sinken. Nach außen wertet sich der Wechselkurs auf. Denn der Wert des Geldes steigt dadurch, dass man sich mit ihm mehr kaufen kann.

Um Deflation zu verhindern, muss die Zentralbank heute die zusätzliche Geldnachfrage mit einem höheren Geldangebot ausgleichen. Bei ohnehin niedrigen Zinsen kann sie dies zielgenau und schnell tun, indem sie mit frisch geschöpftem Geld Anleihen kauft. Genau das tut die EZB derzeit.

Haushalte und Unternehmen sind verunsichert

Auch nach der Corona-Krise werden die Inflationsgefahren für einige Jahre außerordentlich gering sein. Haushalte und Unternehmen sind verunsichert. Es droht weder ein inflationärer Kaufrausch noch ein übermäßiger Lohndruck. Nach dem Auslaufen der Corona-Beschränkungen wird die gesamtwirtschaftliche Nachfrage die wieder eröffneten Angebotskapazitäten nicht auslasten. Die staatliche Nachfrage kann diese Lücke verringern, aber vorläufig nicht schließen. Daraus ergibt sich ein Abwärtsdruck auf die Preise.

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Allerdings nicht für immer. In zwei bis drei Jahren kann sich das Verhalten der Menschen normalisiert haben. Bei abnehmender Nachfrage nach Vorsichtskasse werden die Zentralbanken ihre Bilanz verkürzen müssen, indem sie fällige Anleihen nicht länger ersetzen. Mehr Staatseingriffe in die Wirtschaft, kürzere Lieferketten und eine abnehmende Zahl von Arbeitskräften können dann bei uns langsam für Inflationsdruck sorgen.

Ab etwa 2023 dürfte es der EZB gelingen, den Preisauftrieb im Trend auf das von ihr gewünschte Maß von etwa zwei Prozent anzuheben. Mehr zeichnet sich nicht ab. Dann können auch die Zinsen endlich wieder etwas steigen.

Mehr: Die EZB könnte nach den Worten der deutschen Direktorin Isabel Schnabel auch im Zuge der Strategieprüfung an ihrem Inflationsziel festhalten.

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