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Heizen im WinterWie sich Japaner ohne Zentralheizung wärmen

Deutschland richtet sich auf kalte Wohnungen ein. In Japan sind die Alltag. So wärmen sich Japaner auch mit Atemfahne vor dem Gesicht.Martin Kölling 09.11.2022 - 08:12 Uhr Artikel anhören

So sieht einer der elektrisch geheizten Tische mit Decke aus.

Foto: Tim Notari (tastefulTN), CC BY-SA 2.0

Tokio. Ich habe mich kürzlich über den Vorschlag von Ex-Finanzminister Wolfgang Schäuble gewundert. Er riet, dass man ja Pullover anziehen könnte, um in schwach geheizten Räumen nicht zu frieren. Aber geht das nicht moderner – wie etwa hier in Japan mit einer tragbaren Klimaanlage?

Sony hat bereits 2020 ein Produkt namens Reon Pocket auf den Markt gebracht, das den Körper kühlen oder wärmen kann. Dabei handelt es sich um ein kleines Gerät, in etwa so groß wie eine Apple-Mouse, das wir uns kurz unter dem Nacken zwischen die Schulterblätter setzen können. Es kühlt den Körper im Sommer und wärmt ihn im Winter.

Sony nutzt für sein etwa 100 Euro teures Gerät ein sogenanntes Peltier-Element. Das ist ein elektromagnetischer Wandler, der mit Halbleitern entweder Kühle oder Wärme erzeugen kann. Die Technologie ist in diesem Fall aber Nebensache.

Die Zentralheizung ist in Japan unbekannt

Wichtiger ist, dass Sony ein traditionelles japanisches Konzept des winterlichen Lebens in kaum beheizten Wohnungen in die Moderne übertragen hat: Mit Punktheizungen erzeugen sie kleine Wärmeinseln, anstatt den gesamten Raum zu heizen.

Für viele Deutsche mag es vielleicht erstaunlich sein: In Japan sind Zentralheizungen unbekannt. Zudem sind in den meisten Gegenden die Gebäude schlecht isoliert. Doppelverglasung wurde erst in den vergangenen 20 Jahren üblicher. Die meisten Japaner leben mit einfach verglasten Fenstern im Alurahmen.

Japans Hightech-Klimaanlagen

Selbst in Tokio, wo die Temperaturen im Winter selten unter null Grad Celsius fallen und fast täglich die Sonne scheint, wird es in Wohnungen daher gern empfindlich kalt. Eine meiner früheren Bleiben wurde in den 1990er-Jahren gebaut. Sie bildete die verschiedenen Klimazonen des Landes daher perfekt ab. Das südliche Wohnzimmer war meine subtropische Wärmeinsel Okinawa.

Es wurde tagsüber durch die Sonnenstrahlen auf 16 bis 18 Grad erwärmt. Mein Arbeitszimmer im Norden war mit morgendlichen Werten von vier bis sieben Grad meine nordjapanische Insel Hokkaido, die im Winter einem Minisibirien glich.

Die Japaner haben nun Techniken entwickelt, von denen sich einige auch in Deutschland integrieren ließen. Fragwürdig ist die Erwärmung der Raumluft mit Gas- oder Kerosinbrennern, die ins Zimmer gestellt werden und in den relativ kurzen Zeiten des Betriebs Wärme wie Abgase in die Raumluft abgeben.

In älteren Wohnungen kann man das relativ gefahrlos machen, da die Fenster nicht nur dünn sind, sondern meist auch nicht luftdicht schließen. Als ich aber in eine moderne Wohnung mit Doppelverglasung zog, wurde mir gesagt: „Nutzen Sie die Öfen nicht, Sie sind sonst innerhalb einer halben Stunde tot.“

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Eine andere Heizform, die sich angesichts der heißen deutschen Sommer zu kopieren lohnt, sind Japans Hightech-Klimaanlagen. In Japan hängen sie in vielen Zimmern, um im Sommer zu kühlen und im Winter zu wärmen. Mit Strom zu heizen ist dank riesiger Wärmetauscher inzwischen recht energieeffizient. Die neueren Exemplare identifizieren zudem anwesende Personen, um dann die kühlende oder wärmende Luft punktgenau zu den Menschen zu leiten.

Kotatsu: Ein Esstisch mit Heizplatte

Nur ist es dennoch teuer, mit ihnen den gesamten Raum zu heizen. Besonders wenn hier in Japan die Wärme umgehend durch Fenster und Wände wieder entweicht. Daher lebt das Konzept weiter, in der Wohnung nur kleine Wärmeinseln zu erzeugen und sich ansonsten warm anzuziehen.

Das wichtigste Kleidungsstück ist der Hanten, eine wattierte Joppe, die über dem Pullover getragen wird. Und das wichtigste Möbelstück ist der Kotatsu. Dabei handelt es sich um den kniehohen Esstisch mit einer Heizplatte unter der Tischplatte. Er ist traditionell der Lebensmittelpunkt im Haushalt. Denn früher saßen fast alle Japaner auf Reisstrohmatten auf dem Boden und nicht auf Stühlen.

In der wöchentlichen Kolumne schreiben Handelsblatt-Korrespondenten im Wechsel über Innovations- und Wirtschaftstrends in Asien.

Foto: Klawe Rzeczy

Im Winter verwandelt sich der Tisch vom Gemütlichkeitsfaktor her zum Äquivalent eines deutschen Kachelofens. Zwischen die abnehmbare Tischplatte und die Heizplatte wird eine mehr oder wenig gefütterte Decke gelegt, die bis auf den Boden hängt.

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Dann stecken wir unsere Beine darunter, die dann mollig warm werden, selbst wenn sich vor dem Gesicht eine winterliche Atemfahne bildet. Inzwischen gibt es auch höhere Kotatsus mit Stühlen – für einen westlicheren Lebensstil.

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Eine andere Form der Punktheizung sind die beheizbaren Klobrillen. Billigversionen sind Standard. Aber die meisten Haushalte verfügen inzwischen über Kloroboter, die auch mit wohltemperiertem Wasser den Po spülen. Gehobene Modelle föhnen sogar den Hintern trocken, filtern die Abluft, spülen, schließen den Deckel automatisch und reinigen sich teilweise selbst.

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Erstpublikation: 02.11.2022, 10:52 Uhr.

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