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Asia TechonomicsJapan will ausgerechnet mit Beton das Klima schützen

Auf der Klimakonferenz in Glasgow stellt das Land vor, wie mit Kohlendioxidrecycling fossile Energien sauberer werden können. Eine Idee ist CO2-negativer Zement.Martin Kölling 10.11.2021 - 10:55 Uhr Artikel anhören

Die Tetrapoden sollen künftig nicht nur dem Küstenschutz, sondern auch dem Kampf gegen den Klimawandel dienen.

Foto: AP

Tokio. Fans von Beton kommen auf der Homepage des japanischen Wellenbrecherverbands voll auf ihre Kosten. Mehr als 80 verschiedene Formen massiver Betonblöcke, die seit Jahrzehnten zum Küstenschutz vor Strände und Kaimauern gekippt werden, werden detailliert beschrieben. Die säuberlich aufgeschichteten Tetrapoden gehören in Japan zum Badeurlaub dazu wie der Sandstrand – für die Industrielobby aus gutem Grund.

„Es ist notwendig, sich auf die Bedrohungen der Natur vorzubereiten, die durch die globale Erwärmung immer stärker wird“, erklären die Hersteller. Sie loben die „hervorragende katastrophenvorbeugende Funktion von wellenverteilenden Zementblöcken“. Doch geht es nach der Regierung in Tokio, tragen diese auch schon bald aktiv zum Klimaschutz bei.

Bisher steht Beton im Ruf, einer der größten Treiber des Klimawandels zu sein. Die globale Zementproduktion ist laut Schätzungen für immerhin acht Prozent der Kohlendioxidemissionen verantwortlich. Doch Japans Regierung demonstriert auf der Klimakonferenz in Glasgow, wie sie Zement vom Problem zum Teil der Lösung machen will.

In seinem Pavillon bewirbt das Land 32 heimische Technologien zur Abscheidung, Nutzung und Speicherung von Kohlendioxid (CCUS). Und eine ist laut Wirtschaftsministerium der „weltweit erste kommerzielle karbonnegative Zement“, der der Umwelt CO2 entzieht, anstatt es auszustoßen.

„CO2-Suicom“ nennt der Baukonzern Kajima das Produkt. Er hat es mit dem Stromkonzern Chugoku Electric, dem Baumaterialhersteller Denka sowie dem Handelshaus Mitsubishi entwickelt, das für den globalen Vertrieb zuständig ist.

Die Idee: Abgase von Kohlekraftwerken des regionalen Stromversorgers oder von anderen Großverschmutzern wie der Stahlindustrie werden in dem Beton gebunden. Gleichzeitig werden Hochofenschlacke und andere Abfallprodukte aus der Industrie verwendet, um den Einsatz des herkömmlichen Kalksteins zu reduzieren, der hoch erhitzt werden muss.

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Foto: Klawe Rzeczy

So versprechen die Partner, dass pro Kubikmeter dieses Betons nicht mehr 288 Kilogramm Kohlendioxid in die Atmosphäre gepustet werden, sondern unter dem Strich 18 Kilogramm dauerhaft im Baustoff eingeschlossen werden. Und das ist noch nicht einmal ein japanischer Spitzenwert.

Kajimas Konkurrent Taisei stellte dieses Jahr seinen „T-eConcrete“ vor, der mit jedem zubetonierten Kubikmeter Erde der Atmosphäre sogar 55 Kilogramm Kohlendioxid entziehen kann. Doch die Entwickler schätzen, dass das Produkt erst 2030 marktreif sein wird.

Betonförderung als Industriepolitik

Die japanischen Baukonzerne stehen mit ihren Versuchen, die Klimabombe Beton zu entschärfen, weltweit nicht allein. Überall versuchen meist Start-ups, Zement mit weniger Kohlendioxid zu produzieren oder CO2-negative Produkte zu entwickeln. In Japan sind es die Großunternehmen, die die Entwicklung tragen.

Die Zementproduktion in dem Land hat sich in den vergangenen 20 Jahren zwar von fast 100 Millionen Tonnen pro Jahr nahezu halbiert. Damit ist Japan auf den zehnten Rang der größten Hersteller zurückgefallen, weit hinter China, Indien und Vietnam. Aber die Konzerne profitieren weiterhin von den Bau- und Materialtechnologien, die sie während des japanischen Baubooms entwickelt haben.

Die Regierung knüpft an die Innovationskraft an, um mit ihrer Klimaschutzpolitik auch die globale Wettbewerbsfähigkeit zu erhöhen. Hiroshi Tsuchiya vom Wirtschaftsministerium erklärt die Idee: „Kohlenstoffrecycling ist eine Schlüsseltechnologie für die Verwirklichung einer CO2-neutralen Gesellschaft, die Kohlendioxid auch als Rohstoff nutzt.“ Japan habe auf diesem Gebiet einen Wettbewerbsvorteil.

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Allein in diesem Jahr fördert die Regierung CCUS-Technologien mit umgerechnet rund 400 Millionen Euro. Japan setzt sich nicht nur weltweit unter dem Slogan „Unterschiedliche Pfade für den Weg zur Klimaneutralität“ dafür ein, den Einsatz von fossilen Brennstoffen nicht zu verteufeln. Doch die sollen künftig sauberer verbrennen, vorzugsweise mit CCUS-Technologien made in Japan.

Ungeachtet dieser Fortschritte hat Beton in den Augen des Wellenbrecherverbands allerdings auch einen ästhetischen und ökologischen Nutzen. Unter der Überschrift „Amazing“ wirbt er auf seiner Homepage, wie in Großserie gegossene Betongebilde sich bemalt oder beleuchtet in Kunst verwandeln. Außerdem gewährten die Betonwälle unter Wasser Pflanzen und Fischen ein neues Zuhause. Offenbar glauben die Hersteller weiterhin, dass Beton eine höhere Mission erfüllt, nämlich „zur Verbesserung des Lebens der Menschen beizutragen“.

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