Der Chefökonom: Es ist Zeit für den Euro als neue Weltwährung


Der US-Dollar wurde durch das Abkommen von Bretton Woods im Sommer 1944 zur Weltwährung erklärt. Auch nach dem Zusammenbruch dieses Festkurssystems im Jahr 1973 behielt diese Währung ihre geopolitische Vorrangstellung – bis heute.
Jetzt aber ist US-Präsident Donald Trump auf dem besten Weg, das Vertrauen in die Währung seines Landes nachhaltig zu beschädigen. Auf offener Bühne leistet er sich einen Schlagabtausch mit Jerome Powell, dem Präsidenten der US-amerikanischen Zentralbank, der mächtigsten Institution im Weltfinanzsystem.
Trump verlangt im Interesse seines „Big Beautiful Bill Act“ getauften Haushaltsgesetzes kräftige Leitzinssenkungen der Federal Reserve. Powell blieb bislang standhaft, aber die von Trump geplante Schuldenorgie wird er nicht verhindern können.
Der wirtschaftspolitische Kurs des US-Präsidenten – sofern man bei Trump von Kurs sprechen kann – steht für eine bislang nicht gekannte Ausweitung der Staatsverschuldung zur Finanzierung massiver Steuersenkungen sowie für eine auf Autarkie abzielende Zoll- und Wirtschaftspolitik. Dieses Programm schwächt die weltwirtschaftliche Vormachtstellung des Dollars. Konsequenterweise entzog daraufhin Moody’s als letzte der drei großen Ratingagenturen den USA das „AAA“-Rating, stufte also die Kreditwürdigkeit herab.
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Die Reaktionen der Finanzmärkte lesen sich wie aus dem Lehrbuch: Der Vertrauensverlust führte zu einer Abwertung des Dollars und höheren Marktzinsen für US-Anleihen. In der Spitze verlor der US-Dollar in den vergangenen Wochen gegenüber dem Euro fast 15 Prozent an Wert, während die Leitzinsen in den USA doppelt so hoch sind wie im Euro-Raum.
Bislang hat Trumps Politik wohl nur deshalb nicht zu einer Kernschmelze des Weltfinanzsystems geführt, weil Investoren und Zentralbanken keine echte Alternative zum US-Dollar bei der Anlage ihrer Währungsreserven sehen. Der Schweizer Franken ist zu unbedeutend, der chinesische Yuan politisch gesteuert, der japanische Yen zu wenig liquide, und Newcomer-Währungen wie die indische Rupie oder der Dirham der Vereinigten Arabischen Emirate gelten als nicht sicher genug. Was bleibt, ist der Euro.
Was dieser noch recht jungen Gemeinschaftswährung jedoch fehlt, ist ein ausreichend großes Angebot an sicheren Staatsanleihen. Italienische oder französische Anleihen gelten als deutlich unsicherer als deutsche. Nur mit der Ausgabe gemeinsamer europäischer Staatsanleihen, vulgo Euro-Bonds, als verzinsliche Währungsreserve für andere Zentralbanken könnte der Euro zu einem echten ökonomischen und politischen Gegengewicht zum Dollar werden.
Investoren richten ihre Portfolios neu aus
In der Folge müssten sich Unternehmen des Euro-Raums im globalen Handel seltener gegen Wechselkursschwankungen absichern und könnten Transaktionskosten sparen. Überdies könnten sich Schuldner problemloser in einem größeren und liquideren Finanzmarkt finanzieren. Und die höhere Euro-Nachfrage würde womöglich niedrigere Zinsen und damit geringere Finanzierungskosten ermöglichen.
US-Staatsanleihen gelten nach wie vor als „sicherer Hafen“, auch wenn deren Mythos angekratzt ist. Typisch für solche als „sicher“ eingeschätzten Anleihen ist, dass Anleger in Krisen in diese Währung fliehen. Die Folge: Die Kurse der Staatsanleihen und der Wert der Währung solcher Länder steigen, während die Aktienkurse rund um den Globus nachgeben.
Nunmehr stellt sich jedoch die Frage, ob die USA und der Dollar unter Trump wirklich noch als „sicher“ gelten können. Spekulationen über ein „Mar-a-Lago-Abkommen“, das auf eine gezielte Abwertung des Dollars und eine Teilenteignung der Inhaber US-amerikanischer Anleihen abzielt, hat das Weiße Haus nie dementiert.
Angesichts solch eines denkbaren Zahlungsausfalls verwundert es nicht, dass viele Investoren gerade ihre Portfolios regional neu austarieren. Womöglich werden gerade sogar die bisherigen Annahmen über die Stabilität und Resilienz des von den USA getragenen globalen Finanzsystems neu bewertet.
Europa wäre gut beraten, jetzt die Initiative zu ergreifen und mehr Verantwortung für die Stabilität des Weltfinanzsystems zu übernehmen. Wie dies gelingen könnte, hat der in Princeton lehrende, deutsche Ökonom Markus Brunnermeier vor geraumer Zeit skizziert: Mit „European Safe Bonds“ (ESB) könnten europäische Anleihen aufgelegt werden, ohne dass damit einer – aus verschiedenen Gründen – problematischen Vergemeinschaftung von Schulden der Mitgliedstaaten Vorschub geleistet würde.
In einem ersten Schritt würden dazu emittierte Staatsanleihen verschiedener Euro-Länder gebündelt – beispielsweise entsprechend dem Anteil ihrer Wirtschaftskraft in der Euro-Zone.
In einem zweiten Schritt würden zwei Tranchen mit unterschiedlichen Ausfallwahrscheinlichkeiten gebildet: Die beispielsweise 70 Prozent umfassende Senior-Tranche sind die „ESBies“ mit vorrangiger Bedienung; die verbleibende Junior-Tranche dient als Sicherheitspuffer; denn nur diese Papiere wären bei Problemen eines Euro-Landes ausfallgefährdet. Entsprechend höher wäre deren Rendite. Die so verbrieften Papiere könnte die EZB am Markt verkaufen und im Gegenzug weitere Staatsanleihen der Mitgliedstaaten erwerben, damit die Bilanzsumme der EZB nicht schnell sinkt.
Schritt in Richtung Weltwährung
Die Vorteile liegen auf der Hand: Die überwiegend von Banken gehaltenen Staatsanleihen wären diversifiziert und Klumpenrisiken gemindert. Die Verflechtungen zwischen Banken und Staaten würden gelockert, und der Teufelskreis aus Staatsschulden- und Bankenkrisen würde durchbrochen. Solch eine Option wurde bereits während der Euro-Krise (2010 bis 2012) diskutiert – und verdient es nun, angesichts der aktuellen US-Fiskalpolitik erneut näher geprüft zu werden.
Der Charme dieses Ansatzes ist, ohne die in einer Reihe von EU-Staaten dezidiert abgelehnte Gemeinschaftshaftung auszukommen. Dennoch würde es politisch einfacher werden, sichere Staatsanleihen der Euro-Gemeinschaft am Markt zu etablieren. Der Euro würde damit einen großen Schritt in Richtung Weltwährung tun.
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Da sich US-Präsidenten wie Trump ohne die Stärke des Dollars ihre Eskapaden kaum erlauben könnten, sollte es die Mühen der politischen Eliten des alten Kontinents Europa wert sein, die skeptische Bevölkerung von der Notwendigkeit gemeinsamer Anleihen zu überzeugen. Erinnert sei nur daran, dass die zunächst stark ausgeprägte Skepsis gegenüber dem Euro inzwischen einer hohen Zustimmung zur Gemeinschaftswährung gewichen ist.
So rasch wie Kanzler Friedrich Merz seine frühere äußerst ablehnende Position zur Schuldenbremse geräumt hat, so rasch sollte er die strikten Vorbehalte seiner Partei gegen solche neuen Formen eines gemeinsamen europäischen Schuldenmanagements überdenken. Denn sicher ist: Nur die konservativen Unionsparteien können die Deutschen von den Vorteilen solch einer unkonventionellen Reform überzeugen.






Wer über eine gemeinsame europäische Verteidigungspolitik nachdenkt, der sollte nicht vor gemeinsamen europäischen Schulden zurückschrecken.






