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Kolumne „Kreative Zerstörung“Klima-Karaoke am Persischen Golf

Bei der COP in Dubai wollen 80.000 Menschen das Klima retten. Entscheidungen werden hier im Konsens getroffen: Wer trotzdem daran glaubt, betrügt sich selbst, meint Miriam Meckel. 05.12.2023 - 21:55 Uhr

Im „Museum der Zukunft“ feiern sie das Jahr 2071. Das futuristische Gebäude ist eine riesige dreidimensionale Ellipse, verziert mit beleuchteter arabischer Schrift. Es steht inmitten einer mehrspurigen Autobahn, die quer durch das lang gezogene Zentrum Dubais verläuft. Auf der fahren derzeit besonders viele Menschen. Denn in Dubai tagt die UN-Klimakonferenz (COP), und fast 80.000 Besucher aus aller Welt, Staatspräsidenten, CEOs und Social-Media-Influencer bemühen sich, das Klima zu retten.

In Dubai ist es heiß, Millionen von Klimaanlagen summen, und die Autokolonnen stehen im Stau. Derweil kann man im Zukunftsmuseum betrachten, wie die Lösung für all das bald aussehen soll – natürlich in einer Simulation: Solarpanels umkreisen den Mond und schicken Energie zur Erde. Technologie wird uns alle vor dem retten, was wir selbst nicht zu lösen vermögen – dem Klimakollaps.

Auf der Erde hingegen klingt ein mehrstimmiges Chaos aus dem Wüstenstaat. Die „Conference of the Parties“ in den Vereinigten Arabischen Emiraten (VAE), einem Ölstaatenverbund? Absurd, anmaßend, abstoßend.

Schon die Tatsache, dass Sultan Ahmed Al Jaber, Minister für Industrie und Fortschrittstechnologien der VAE und gleichzeitig CEO der staatlichen Ölgesellschaft, den Vorsitz hat, mache die Konferenz „zu einem kompletten Witz“, sagte Greta Thunberg.

Mit solchen Bewertungen ist der globale Norden ja gerne mal schnell zu Hand. Nach getaner Konferenzarbeit am Strand Dubais mit einem Kaltgetränk in der Hand lässt sich die antiquierte Abhängigkeit von fossilen Energien besonders leidenschaftlich diskutieren.

Die UN-Klimakonferenz: Keine Erfolgsgeschichte

Umgekehrt hilft es auch nicht, wenn die Gastgeber die Konferenz nutzen wollen, um Gespräche über Öl- und Gasabkommen mit anderen Teilnehmerstaaten zu führen, wie sie laut Briefingdokumenten offenbar geplant waren. Was kann rauskommen, wenn die Fronten so verhärtet sind?

COP, das ist bislang keine Erfolgsgeschichte. 27 bisherige Konferenzen haben sich nicht darauf einigen können, wie sich die Meinungsverschiedenheiten beilegen lassen. Entscheidungen müssen im Konsens getroffen werden, deshalb werden meist nur solche verabschiedet, die wenig besagen – oder die schlicht ignoriert werden. Es gibt zu viele Interessen im Kampf ums Klima, als dass aus COP ein stimmiges globales Lied der Nachhaltigkeit erklingen könnte.

Vor acht Jahren wurde auf der COP21 im Pariser Abkommen vereinbart, den globalen Temperaturanstieg auf deutlich unter zwei, idealerweise auf 1,5 Grad Celsius gegenüber der vorindustriellen Zeit zu begrenzen. Inzwischen sagen die Vereinten Nationen voraus, dass die Welt auf einen Anstieg von bis zu 2,9 Grad zusteuert, selbst wenn alle Zusagen der Regierungen eingehalten werden.

Es klafft eine große Lücke zwischen Verpflichtung und Verantwortung. So groß, dass darin Teile der Welt ertrinken oder den Hitzetod sterben können.

Binäres Denken in Ausschlussalternativen hat im Fortschrittsprozess noch nie zum Erfolg geführt.
Miriam Meckel
Kommunikationswissenschaftlerin

Für die diesjährigen Gastgeber ist das eine Last und eine Chance zugleich. Bislang haben die Öl fördernden Staaten vor allem auf Zeit gespielt. Für das Ziel einer Netto-Null-Emission müsste die Öl- und Gasindustrie die Emissionen aus Produktion und Verarbeitung bis 2030 um etwa 60 Prozent senken. Das wird, realwirtschaftlich betrachtet, nicht klappen.

Geht es mit der Erderwärmung aber weiter, wird der überwiegende Teil der Bevölkerung in den Emiraten bald wegen Hitzestress sein Leben drinnen verbringen müssen, wie eine aktuelle Studie berechnet hat. Deshalb wissen die Emiratis, dass sie ökonomisch diversifizieren und umstrukturieren müssen. Eine Analyse der „Financial Times“ zeigt, dass sich die VAE-Investitionen in nachhaltige Energien rund um die Welt auf etwa 200 Milliarden Dollar belaufen.

Wollen wir etwas für die Umwelt tun, müssen wir mit dem Diskussionsklima beginnen. Binäres Denken in Ausschlussalternativen hat im Fortschrittsprozess noch nie zum Erfolg geführt.

Der Weg in die Zukunft wird für viele verhandelnde Staaten eine Zweibahnstraße sein: ein „Outphasing“ von Öl und Gas bei gleichzeitig wachsendem Investment in alternative Energien und in Technologien wie die CO2-Abscheidung („Carbon Capturing“). Auf solch ein Modell haben sich soeben 57 Staaten – inklusive der USA – für die Kohle verständigt, ein gutes Signal aus Dubai. Und ja, so schlimm es vor allem für deutsche Klimakämpfer ist: Auch die Kernenergie wird dabei weiter eine Rolle spielen.

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Denn wir eröffnen gerade eine weitere Rechnung mit einer weiteren Unbekannten: Künstliche Intelligenz. Die Herstellung eines KI-generierten Bildes verbraucht so viel Energie wie das Laden eines Smartphones, wie eine neue Studie zeigt. Wie soll das in die Klimarechnung eingehen?

Die Zukunft des Klimas, das ist harte Verhandlung und in Dubai drum herum ganz viel Festival, Vorträge und Klima-Karaoke. 80.000 Menschen retten das Weltklima? Wer daran glaubt, dem sei ein Besuch in einem anderen Museum Dubais empfohlen: dem „Museum der Illusionen“. Es lädt dazu ein, neue Perspektiven zu gewinnen, und verspricht die Erkenntnis, „dass nichts je so ist, wie es aussieht“.

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