Kolumne „Out of the box“: Karriereende – Wenn die Leere kommt
Der wahre Weg ins Glück ist, gefeuert zu werden. Spreche ich mit Freunden und Topmanagern, die seit Kurzem nicht mehr in Amt und Würden sind, ist es das Beste, was passieren konnte. Endlich Zeit für die Familie, die Weltreise und für das Buch, das man so lange schon schreiben wollte. Man fühlt sich stark: Das Konto ist prall gefüllt (der Abfindung sei Dank), man ist austrainiert und mit Gott und der Welt vernetzt. Allem Anfang wohnt ein Zauber inne, auch der unerwarteten Auszeit.
Da platzt die Nachricht vom Suizidversuch des Unternehmers Wolfgang Grupp wie eine Bombe in die Welt der Wirtschaft und passt so gar nicht ins Bild. Ein Mann aus altem Schrot und Korn – diszipliniert und meinungsstark. Darauf trainiert, stets eine gute Figur abzugeben, braun gebrannt, tadellos gekleidet mit Krawatte und Krawattenstäbchen.
Doch die Leere nach der von ihm selbst geplanten und vollzogenen Übergabe des Unternehmens an seine Kinder hat ihn todunglücklich werden lassen. „Da macht man sich auch Gedanken darüber, ob man überhaupt noch gebraucht wird. Ich habe deswegen auch versucht, mein Leben zu beenden“, beschreibt Wolfgang Grupp seine Gefühlslage.
Diese Leere trifft viele der glücklich Gefeuerten früher oder später auch. Nach und nach schleicht sie sich ins Leben und breitet sich immer weiter aus. Wenn das Interesse der Headhunter, der Kollegen und Kolleginnen und der Medien nachlässt, niemand mehr anruft, die Kontaktliste abtelefoniert ist und die Einladungen zu Branchentreffs ausbleiben, kommen die Öde und die seelische Not. Das Rampenlicht erlischt, und man steht allein im Dunkeln.
Aus der Topetage ins Nichts zu fallen, geht tief. Beruf und Titel sind unlösbar mit dem Selbstbild verschmolzen. Der Jobverlust bedeutet Identitätsverlust. Eine Art psychologischer Amputation. Inklusiv Phantomschmerz. Was ist man noch wert, wenn man seinen Wert nicht durch Unternehmensergebnis und Gehaltsscheck dokumentieren kann?
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Die Betroffenen verlieren gleich dreifach: Geld, Status und Macht. Und das auch noch vor aller Augen – inklusive der eigenen Familie, den Studienkollegen und Golffreunden. Die Privilegien und der Firmenwagen sind weg, ebenso wie der Sitz im Verbandspräsidium. Die Leere wird unübersehbar, auch im Kalender. Jeden Tag aufs Neue. Was macht ein Macher, der nichts mehr machen kann?
Die fehlende Struktur wird zum ernsthaften Problem. Das getaktete Leben aus 30 Minuten Meetings und Sechzig-Stunden-Woche kommt zum Stillstand und wird durch nichts ersetzt. Der Alltag verliert seinen Rahmen und der Mensch seinen Halt.
All die Teammeetings und Townhalls, die Vorträge und die Interviews – nun will niemand mehr hören, was sie zu sagen haben. Entscheider, die nichts Entscheidendes mehr beitragen können, ersticken an der Trivialität des Alltäglichen. Die fehlende Anerkennung nagt über kurz oder lang am Selbstwertgefühl. Wo früher täglich Kopfnicken, Zustimmung oder sogar Applaus waren, ist nun Stille.
Die alte Boxerweisheit „They never come back“ gilt auch für die Schwergewichte der Wirtschaft. Das durchschnittliche Verfallsdatum für Topführungskräfte liegt zwischen fünf und sieben Jahren. Jeder, der zwischen vierzig und sechzig Jahre alt ist, hat also noch große Chancen, in seinem Berufsleben mindestens einmal gefeuert zu werden. Planen Sie die Möglichkeit ruhig mit ein.
Neue Perspektiven für die zweite Karrierehälfte
Im laufenden Betrieb ist das leichter gesagt als getan. Das Hamsterrad dreht sich mit 6.000 Umdrehungen, der Job verlangt vollen Fokus, da bleibt kaum Zeit für den Blick über den Tellerrand. Das Presseclipping beschäftigt sich in erster Linie mit dem Unternehmen und dem Wettbewerb – die Welt bleibt außen vor.
Die täglichen Projekte lenken den Blick auf die Details, Sie verlieren ganz allmählich den Blick für das Große und Ganze, und der Horizont wird kleiner. Ihr Netzwerk ist vor allem aus ehemaligen Kollegen, Partnern und Wettbewerbern geknüpft – der Sprung aus der eigenen Industrie hinaus ist so kaum möglich.
Wechseln Sie Ihre Perspektive. Sie sind nicht Ihr Job. Ihr Job ist ein Teil von Ihnen. Die lebensentscheidende Erkenntnis ist, zu entdecken, was Sie machen wollen. Welcher Job dafür geeignet ist, ist eine ganz andere Frage. Das „Was“ öffnet das Denken, die Möglichkeiten und den Bewegungsraum.
Entwickeln Sie ein Gespür für Situationen, in denen Sie besonders wirkungsvoll sind. Kultivieren Sie diese Fähigkeit über den Job hinaus. Selbstwirksamkeit ist ein wirkungsvoller Schutz gegen die Leere. Investoren schätzen Wissen, Erfahrung, bewährte Krisenmanagementfähigkeiten. Gut zu wissen: Sie sind nie zu alt, ein Unternehmen zu gründen.
Eine Analyse des MIT bestätigt, dass das Durchschnittsalter erfolgreicher Gründer in den USA bei 45 Jahren liegt, und in besonders anspruchsvollen Branchen zählt Erfahrung doppelt. Eine Studie der renommierten Wharton School beweist, Gründer und Gründerinnen ab 50 haben nahezu doppelt so hohe Chancen auf einen erfolgreichen Börsengang. Lassen Sie Ihren Gedanken freien Lauf, sammeln Sie Ideen, und packen Sie sie in die Schublade. Man weiß ja nie.