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Lars Felds OrdnungsrufDer Finanzminister sollte Rücklagen für die Ukraine-Milliarden bilden

Der Europäische Rat hat eine Lösung gefunden, nachdem der Plan von Kanzler Merz, die eingefrorenen Guthaben Russlands für Kredite an die Ukraine zu verwenden, gescheitert ist.Lars P. Feld 24.12.2025 - 08:53 Uhr Artikel anhören
Lars Feld ist Professor für Wirtschaftspolitik an der Universität Freiburg und Direktor des dort ansässigen Walter-Eucken-Instituts. Foto: Getty Images [M]

Die Finanzierung der Ukraine-Hilfen steht – vorerst. Der Europäische Rat hat eine Lösung gefunden, nachdem der Plan von Bundeskanzler Friedrich Merz, die eingefrorenen Guthaben Russlands für Kredite an die Ukraine zu verwenden, zu viele Gegner unter den Staats- und Regierungschefs der Europäischen Union (EU) hatte.

Der Plan B bestand von vornherein aus Gemeinschaftsschulden der Europäer, einer Option, die der Bundeskanzler im Vorfeld immer wieder von sich gewiesen hatte. Schnell sind Beobachter dabei, diese Lösung als „Euro-Bonds“ einzuordnen und, je nachdem, ob es sich um Gegner oder Befürworter von Euro-Bonds handelt, die deutsche Zustimmung heftig zu kritisieren oder zu bejubeln.

Weder der Aufschrei der Empörung noch der Jubel sind angebracht. Jenseits der Tatsache, dass die Ukraine sich mit den zusätzlichen Mitteln weiter gegen den russischen Aggressor verteidigen kann, lohnt es sich, bei der gewählten Finanzierung genau hinzuschauen. Unter dem Stichwort Euro-Bonds firmiert in der öffentlichen Debatte alles Mögliche, was sich die EU-Mitgliedstaaten an gemeinsamer Finanzierung ausdenken.

Schon in der Euro-Schuldenkrise gelang es den Gegnern der Währungsunion, die getroffenen Lösungen – wie die Europäische Finanzstabilisierungsfazilität (EFSF) als temporären Rettungsschirm für in finanzielle Schwierigkeiten geratene Mitgliedstaaten oder den Europäischen Stabilitätsmechanismus (ESM) als dauerhaften Krisenmechanismus – zu desavouieren. Ähnlich erging es während der Coronakrise dem Aufbau und der Resilienzfazilität von Next Generation EU (NGEU).

Da während der Schuldenkrise im Euro-Raum viele verschiedene Vorschläge kursierten, ist es verständlich, wenn der Überblick verloren geht. Gleichwohl sind Euro-Bonds – richtig definiert – gemeinsame Anleihen der EU-Mitgliedstaaten mit gesamtschuldnerischer Haftung, sodass jeder Mitgliedstaat für die gesamte Summe einer Anleihe gegenüber den Gläubigern haftet. Dies wäre vor allem für kleinere Mitgliedstaaten finanziell nicht verkraftbar und wird deshalb nicht mehr ernsthaft erwogen. Insofern ist die jetzt gefundene Lösung auch kein Euro-Bond im eigentlichen Sinn. Es handelt sich um eine Lösung eigener Art.

Der Bundestag muss nicht zustimmen

Der Beschluss des Europäischen Rates sieht vor, dass die Ukraine einen zinslosen Kredit in Höhe von 90 Milliarden Euro erhalten soll. Die EU begibt dazu eigene Anleihen, die durch den üblichen Spielraum im EU-Haushalt abgesichert sind. Der Mehrjährige Finanzrahmen der EU sieht einen maximalen Anteil am Bruttoinlandsprodukt (BIP) vor, den die Mitgliedstaaten sich zu finanzieren verpflichten, der aber nicht vollständig ausgenutzt wird (Budgetpuffer oder „budget headroom“).

Dies ist wiederum durch Garantien von 24 der 27 Mitgliedstaaten im Rahmen der verstärkten Zusammenarbeit gemäß Artikel 20 des EU-Vertrags (EUV) und Titel III des Vertrags über die Arbeitsweise der EU (AEUV) gedeckt. Ungarn, Tschechien und die Slowakei werden nicht an den Kosten beteiligt. Offen ist zudem, wer die Zinsausgaben trägt.

Diese Konstruktion erinnert an NGEU: Die Mitgliedstaaten haften gemäß ihren Anteilen am BIP der EU, hier nun korrigiert um die Anteile Ungarns, Tschechiens und der Slowakei, die entsprechend zugerechnet werden. Es wäre das zweite Mal, dass sich die EU auf Basis von Artikel 122 AEUV in nennenswertem Umfang verschuldet. Da der Mehrjährige Finanzrahmen der EU zusammen mit NGEU bereits vom Deutschen Bundestag beschlossen wurde, dürfte kein weiterer Beschluss notwendig sein.

Lars Felds Ordnungsruf

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Allerdings hatte das Bundesverfassungsgericht NGEU nur als einmalige Ausnahme passieren lassen, sodass die jetzt gefundene Lösung durchaus Risiken birgt. Dabei dürfte die Frage der Zuschussverpflichtung, wenn einzelne Mitgliedstaaten ausfallen, wieder eine Rolle spielen.

Daher ist diese Lösung nicht mit der NGEU-Finanzierung gleichzusetzen, weil sich nur 24 Mitgliedstaaten über eine verstärkte Zusammenarbeit dazu bereit erklären. Insofern enthält dieses Arrangement Elemente des temporären Rettungsschirms EFSF, jedoch ohne unmittelbar für die nationalen Haushalte finanzwirksam zu werden.

Außerdem ist – im Unterschied zu den Programmländern der Euro-Schuldenkrise – die Wahrscheinlichkeit sehr gering, dass die Ukraine den gewährten Kredit zurückzahlen kann. Nur die Wahrscheinlichkeit, dass Russland mit Reparationszahlungen dafür einsteht, ist noch geringer.

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Alles in allem ist das schließlich gefundene Arrangement also kein Euro-Bond im eigentlichen Sinne, sondern eine gemeinschaftliche, teilschuldnerische Haftung der Mitgliedstaaten, die über den EU-Haushalt läuft. Die Mitgliedstaaten schieben die Belastung dieser Ukraine-Hilfe für ihre nationalen Haushalte damit in die Zukunft. Sie wird unweigerlich in Höhe des deutschen Anteils auf den Bundeshaushalt zukommen. Der Bundesfinanzminister sollte dafür schon jetzt Rücklagen bilden.

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