Benachrichtigung aktivieren Dürfen wir Sie in Ihrem Browser über die wichtigsten Nachrichten des Handelsblatts informieren? Sie erhalten 2-5 Meldungen pro Tag.
Fast geschafft Erlauben Sie handelsblatt.com Ihnen Benachrichtigungen zu schicken. Dies können Sie in der Meldung Ihres Browsers bestätigen.
Benachrichtigungen erfolgreich aktiviert Wir halten Sie ab sofort über die wichtigsten Nachrichten des Handelsblatts auf dem Laufenden. Sie erhalten 2-5 Meldungen pro Tag.
Jetzt Aktivieren
Nein, danke

Kommentar Der große Kryptoraub zeigt, dass an einer härteren Regulierung kein Weg vorbeiführt

Die Avantgarde der Kryptowelt droht Opfer ihres eigenen Erfolgs zu werden. Je erfolgreicher die dezentralen Netze werden, desto strenger müssen sie kontrolliert werden.
13.08.2021 - 11:22 Uhr Kommentieren
Die dezentrale Finanzwelt ist anfällig gegen kriminelle Energie und gegen technische Pannen. Quelle: Reuters
Ein Bildschirm mit den Kursen verschiedener Kryptowährungen in der Bitcoin Embassy Bar in Mexiko City

Die dezentrale Finanzwelt ist anfällig gegen kriminelle Energie und gegen technische Pannen.

(Foto: Reuters)

Im anarchischen Reich der Kryptowährungen tragen sich viele wunderliche Geschichten zu. Der große Raubzug, dem die Plattform Poly-Network gerade zum Opfer fiel, dürfte es aber ohne Probleme auf einen Spitzenplatz in der Hitparade der Merkwürdigkeiten schaffen: Zuerst stahl ein gewiefter Hacker über eine halbe Milliarde Dollar an Kryptowährungen aus den Datenbanken, dann gab er den größten Teil der Beute wieder zurück.

Endgültig aufgelöst ist die Geschichte noch immer nicht, aber im Moment spricht einiges für die Lesart, dass hinter dem Ganzen nicht unbedingt kriminelle Energie steckt, sondern dass der Täter mit seiner tolldreisten Aktion Schwachstellen im technischen Protokoll von Poly-Network offenlegen wollte. Ein „White Hat“ also, so heißen im Jargon der Sicherheitsbranche gutartige Hacker.

Zu den Merkwürdigkeiten des Falls gehört auch, dass der Täter offenbar ein Faible für deutsche Philosophen hat. In einem längeren Traktat auf Englisch, dass der Hacker in öffentlich einsehbaren Transaktionsdaten versteckt hat, findet sich eine Passage über Martin Heidegger und auf Deutsch die drei Worte: „Sein zum Tode“ – Heideggers These, dass jede Existenz von ihrer Endlichkeit geprägt ist.

Zyniker könnten zu dem Schluss gelangen, dass sich dieses Motto nach dem Chaos rund um den Riesenraubzug auf die gesamte Avantgarde der Kryptoszene anwenden lässt, zu der Poly-Network gehört.

Ganz so schlimm ist es nicht. Aber die Affäre beweist, dass sich die Utopie eines basisdemokratischen Finanzsystems, das ohne große Spieler wie Banken und Börsen auskommt, allenfalls in sehr bescheidenem Rahmen verwirklichen lässt. Wachsen solche Netzwerke in eine nennenswerte Größenordnung, müssen sie genauso streng reguliert werden wie die klassischen Spieler im Finanzmarkt.

Eine Welt ohne Banken und Börsen

Poly-Network ist Teil einer Bewegung, die sich Decentralized Finance nennt, kurz Defi. Der Begriff steht für ein kaum reguliertes dezentrales Netzwerk junger Firmen, die auf Basis der Blockchain-Technik, die hinter Kryptowährungen wie Bitcoin steckt, ein alternatives Finanzsystem entwickeln. Ein Finanzsystem ohne Barrieren, bei dem in der Theorie ein Internetzugang für die Teilnahme reicht. Große zentrale Spieler wie Banken und Börsen wären in einer echten Defi-Welt nicht mehr nötig.

Schade nur, dass das nicht wirklich funktioniert. Schon vor dem großen Kryptoraub bei Poly-Network hat sich gezeigt, dass Defi ziemlich anfällig für kleine und größere Unfälle ist. Daten der Kryptofirma Ciphertrace zufolge erbeuteten Kriminelle bei Defi-Firmen von Januar bis Juli bereits knapp eine halbe Milliarde Dollar, ein Rekordwert.

Allein diese Summe zeigt, dass Gary Gensler recht hat. Der Chef der US-Börsenaufsicht SEC hat gerade erst eine Regulierungsoffensive für die Kryptoszene und das Defi-Universum angekündigt.

Solange es sich bei Defi um eine Art Versuchslabor handelt, in dem vernachlässigbare Summen gehandelt werden, könnte man die eklatanten Lücken bei Verbraucherschutz und Geldwäscheprävention vielleicht ignorieren. Aber die Szene wächst rasant. Innerhalb eines Jahres ist das in Defi-Anwendungen verwaltete Geld von quasi null in Richtung 100 Milliarden Dollar gewachsen.

Die Regulierung ist nötig – leider

In einem gewissen Sinn ist es schade, dass die Regulierer jetzt eingreifen müssen, denn die strengen Regeln in der Finanzbranche wirken wie eine Innovationsbremse und gleichzeitig wie ein Schutzzaun für die etablierten Spieler. Aber leider sind diese Regeln nötig, weil das Finanzsystem so etwas wie der Blutkreislauf der gesamten Ökonomie ist. 2008 hat sich gezeigt, wie schnell ein Vertrauensverlust in einer exotischen Ecke des Finanzsystems zu einer ausgewachsenen Weltwirtschaftskrise mutieren kann.

Der utopische Impetus, der hinter der Defi-Idee steckt, steht schlicht im Gegensatz zu einem regulierten Finanzsystem. Wenn es in einem dezentralen Netzwerk keine Kontrollinstanz gibt, mit wem sollen die Aufseher dann sprechen? Deshalb leidet Defi an einem unauflösbaren inneren Widerspruch, je erfolgreicher die Pioniere ihre Projekte vorantreiben, desto stärker arbeiten sie an ihrer Selbstabschaffung.

Das heißt nicht, dass sich der Innovationsgeist der Bewegung verflüchtigen wird, er wird nach und nach in den Mainstream einsickern. Es werden sich immer mehr Anknüpfungspunkte zwischen der Defi-Szene und der etablierten Finanzbranche entwickeln, und damit werden beide Welten nach und nach ein Stück weit zusammenwachsen.

Mehr: Die Defi-Branche alarmiert Regulierer weltweit

Startseite
0 Kommentare zu "Kommentar: Der große Kryptoraub zeigt, dass an einer härteren Regulierung kein Weg vorbeiführt"

Das Kommentieren dieses Artikels wurde deaktiviert.

Zur Startseite
-0%1%2%3%4%5%6%7%8%9%10%11%12%13%14%15%16%17%18%19%20%21%22%23%24%25%26%27%28%29%30%31%32%33%34%35%36%37%38%39%40%41%42%43%44%45%46%47%48%49%50%51%52%53%54%55%56%57%58%59%60%61%62%63%64%65%66%67%68%69%70%71%72%73%74%75%76%77%78%79%80%81%82%83%84%85%86%87%88%89%90%91%92%93%94%95%96%97%98%99%100%