Kommentar: Deutschland wiederholt mit russischem Gasprojekt einen Fehler

Pipeline für Flüssiggas.
Nach dem Chemiewaffenangriff auf den Kremlkritiker Alexej Nawalny schließt selbst die Kanzlerin nicht mehr aus, den Bau der Ostseepipeline Nord Stream 2 zu stoppen. Doch gleichzeitig hat die Bundesregierung noch nicht einmal die Prüfung einer neuen 300 Millionen Dollar umfassenden Hermes-Staatsbürgschaft für ein deutsch-russisches Energieprojekt abgesagt.
Die staatliche Exporthilfe soll deutschen Ausrüstern eines umstrittenen russischen Flüssiggasprojekts helfen. Arctic LNG 2 heißt das 21 Milliarden Dollar teure Vorhaben. Dahinter stehen zwei russische Geschäftsleute, die seit Jahren auf der US-Sanktionsliste stehen.
Sollten die USA gegen Arctic LNG 2 genauso scharf vorgehen wie gegen Nord Stream 2, bedeutet eine Bürgschaft ein erhebliches Risiko für deutsche Steuerzahler. Die beteiligten deutschen Zulieferer würden auf Kosten der Bundesrepublik entschädigt. Das allein ist schon angesichts der beteiligten dubiosen russischen Geschäftsleute fahrlässig.
Noch absurder aber wird die Förderung des Flüssiggasprojekts aus energiepolitischer Sicht: Deutschland und Europa wollen sich unabhängiger von russischen Gaslieferungen machen und stärker diversifizieren. Aber ein Fünftel des arktischen Flüssiggases soll zusätzlich nach Europa kommen. Das widerspricht vollkommen der erklärten Politik, und Deutschland darf dies nicht auch noch staatlich fördern.
Die Bundesregierung muss die Exporthilfe schleunigst stoppen, will sie nicht noch stärker unter Druck ihrer europäischen Partner in Sachen Nord Stream 2 geraten. Sonst wird Deutschland in Sachen Russland zu Absurdistan.
Es ist verwunderlich, dass das federführende Wirtschaftsministerium nicht schon längst die Reißleine gezogen hat. Denn im Hause Altmaier ist man bestens über Moskaus Energiepolitik, die immer wieder auch in Erpressung mündet, informiert: Sein Ministerium hat die langwierigen Verhandlungen zwischen Russland und der Ukraine moderiert.
Und dass die Ukraine ihr jahrzehntelang funktionierendes Transitpipelinenetz als Backup für die beiden Stränge von Nord Stream aufrechterhalten soll, weiß man in Berlin auch. Denn die beiden russischen Rohrleitungen sind anfällig, da sie nur mit je einem Kompressor ausgerüstet sind.
Fällt einer der Kompressoren aus oder muss repariert werden, soll die Ukraine einspringen. Wirtschaftlich lohnt sich das für die Ukraine kaum noch. Es ist also nicht unwahrscheinlich, dass das Land seine Pipelines eines Tages stilllegt. Das würde Deutschland noch weiter abhängig von der Versorgung aus Russland machen.




Die Bundesregierung muss ihre Energieversorgung also diversifizieren, anstatt immer neue russische Gasprojekte zu fördern.
Mehr: Bundesregierung plant offenbar Bürgschaft für russisches Flüssiggasprojekt.





