Kommentar: Die Bankenkrise offenbart das Scheitern der Regulierer


Die Banken haben sie ein ambivalentes Verhältnis zum Staat.
Vertrauen ist der Anfang von allem. Was nach billigem Werbeslogan oder bestenfalls einer Plattitüde klingt, ist in der Bankenwelt bittere Realität. Glauben die Menschen, eine Bank habe ein Problem, bekommt die Bank eines. Das musste in diesen Tagen auch die Deutsche Bank erfahren, deren Aktie an den Börsen schwindelerregende und für ein Dax-Konzern unwürdige Ausschläge erleben musste.
Warum das Vertrauen bei Banken im Vergleich zu anderen Sektoren eine Sonderrolle spielt, ist schnell erklärt: Geht es ums Geld, reagieren die meisten Menschen hochsensibel. In der Regel liegt dieses Geld auf Konten einer Bank. Gibt es Gerüchte über Schwierigkeiten einer Bank, seien sie nur gerechtfertigt oder nicht, ziehen die Kunden vorsichtshalber ihre Gelder ab.
Das ist verständlich, aber auch ein Grundsatzproblem. Denn selbst das solventeste, mit ordentlich Eigenkapital ausgestattete Institut, ist mehr oder weniger machtlos und gerät zwangsläufig in Not, wenn es zum „Bankrun“ kommt. Die Tatsache, dass es inzwischen ein extrem umfangreiches und sensibles Instrumentarium gibt, um das Vertrauen zu messen, macht die Sache nicht unbedingt besser. Der Aktienmarkt ist hier nur der auffälligste Seismograf.
Darüber hinaus gibt es die Credit Default Swaps (CDS), jene handelbaren Papiere, mit denen sich Gläubiger gegen Kreditausfälle versichern können. Es gibt den Interbankenmarkt, wo sich ablesen lässt, unter welchen Zinskonditionen die Geldhäuser sich gegenseitig Liquidität zur Verfügung stellen; er ist damit ein Gradmesser für das Vertrauen der Banken untereinander.
Bewegen sich diese Indikatoren in den roten Bereich und ist die kritische Masse derjenigen, die darüber reden, groß genug, beginnen die Probleme. Da hilft es wenig, wenn Zentralbanker, Kanzler oder Finanzminister die Solidität des Finanzsystem versichern oder gar – wie zuletzt Olaf Scholz – die Stabilität eines einzelnen Instituts, der Deutschen Bank, beschwören.
Trotz vielfältiger Maßnahmen: Die Regulierer scheitern
Das bewirkt nicht selten sogar das Gegenteil des Beabsichtigten, weil es Misstrauen weckt. Im schlimmsten Fall verstärkt es sogar noch das Gefühl, es könne 15 Jahre nach der globalen Finanzkrise wieder zu einem ähnlichen Desaster kommen. Politiker, Aufseher und Notenbanker haben seit der Finanzkrise eine Menge unternommen, um das Bankensystem sicherer zu machen. Die Einlagensicherungen wurden ausgebaut, die Eigenkapitalvorschriften verschärft und Abwicklungsmechanismen entworfen.
Gleichzeitig müssen die Banken mehr Liquidität vorhalten und sich regelmäßigen Stresstests unterziehen, die feststellen sollen, wie resistent gegenüber bestimmten Marktszenarien sie sind. Die Notoperationen in den USA und in der Schweiz, wo der Staat am Ende doch wieder milliardenschwere Garantien abgeben muss, zeigen allerdings einmal mehr: Der Weg zu einem System, das ordnungspolitischen und marktwirtschaftlichen Kriterien entspricht und zugleich sicher ist, ist noch weit.
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Die Regulierer sind gemessen an den eigenen Ansprüchen gescheitert. Das hat mehrere Gründe. Die Basis des Bankgeschäfts, die sogenannte Fristentransformation, ist ein fragiles Konstrukt: Kurzfristig Geld leihen, langfristig Geld verleihen – das macht anfällig für einen Vertrauensverlust.
Hinzu kommt: Banken sind keine normalen Unternehmen, sie haben eine herausragende Stellung als Finanzierer der Wirtschaft und Kreditgeber des Staats. Deswegen kann ihr Geschäft nicht einfach so weit gestutzt werden, dass sie zwar harmlos sind, aber ihre Funktion nicht mehr erfüllen.
Vertrauen kommt per Einlagensicherung
Außerdem haben sie ein ambivalentes Verhältnis zum Staat. Dessen Aufseher regulieren die Banken, aber gleichzeitig ist er auf sie als Abnehmer seiner Anleihen angewiesen. Das führt dann zu der sonderbaren Regel, dass die Banken für Staatsanleihen kein Kapital hinterlegen müssen, weil diese Papiere angeblich sicher sind.
Dass die Finanzgeschichte auch eine Geschichte der Staatspleiten ist, auch die jüngere – sei es drum. Argentinien oder Griechenland haben gezeigt, dass auch Besitzer von Staatsanleihen Schuldenschnitte zu verkraften haben. Ein weiteres Problem: Die Zinswende führte selbst bei allen Staatsanleihen zu zunächst oft verborgenen Verlusten in den Bilanzen, die dann realisiert werden müssen, wenn die Banken aus Liquiditätsgründen gezwungen sind, diese Papiere zu verkaufen – so wie es bei der Silcon-Valley-Bank der Fall war.
Es gibt noch weitere Verstrickungen: Der Staat ist es, dessen Gerichte die Ansprüche der Banken gegenüber Schuldnern umsetzen, auf die er meistens als Wähler angewiesen ist. Der Staat ist es, der im Falle einer Pleite Verluste zuteilt – und das nicht immer nach klaren Grundsätzen.
So bestimmten die Schweizer Regulierer im Falle der Credit Suisse entgegen herkömmlicher Regeln, dass die Gläubiger nachrangiger Anleihen, also die Fremdkapitalgeber, leer ausgingen, während Aktionäre, also Eigenkapitalgeber, noch etwas bekamen. Bankenregulierung ist also ein ebenso hochkomplexes wie hochpolitisches Geschäft.
So ging es in der ersten Regulierungsphase nach der Pleite von Lehman Brothers 2008 vor allem darum, die Eigenkapitalpflichten als Versicherung gegen Solvenzprobleme zu verschärfen. Jetzt rücken die drei Bankenpleiten in den USA die Liquiditätsfrage in den Vordergrund.



Gegen einen Bankrun, den die US-Institute erlitten, aber hilft in erster Linie eine gut ausgestattete Einlagensicherung. Eine solche sollte übrigens diesseits des Atlantiks europaweit eingeführt werden, was am deutschen Widerstand scheiterte. In der Nachbetrachtung dürfte sich das als Fehler erweisen.
Denn auch das gilt: Vertrauen in eine gute Regulierung ist tatsächlich der Anfang. Vielleicht nicht von allem – aber zumindest von der Finanzstabilität. Und das ist nicht wenig.
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