Kommentar: Die Rente wird 65 – ein guter Zeitpunkt für etwas Neues

Das aktuelle Rentensystem sollte ergänzt werden.
Das deutsche Rentensystem feiert demnächst seinen 65. Geburtstag. Für Menschen ist dies oft ein Anlass, zunächst auf das Erreichte zurückzuschauen – und den nächsten Lebensabschnitt zu planen.
Vor der Rentenreform 1957 war Altersarmut in Deutschland verbreitet. Mit der Reform wurden die Renten kräftig erhöht, was die Popularität der amtierenden Adenauer-Regierung steigen ließ.
Welche Probleme damit künftigen Generationen aufgeladen wurden, ahnte niemand.
Damals wuchs die Wirtschaft um kräftige sechs Prozent, im Schnitt bekamen Frauen 2,3 Kinder und Rentner bezogen neun Jahre Rente. Begriffe wie „demografische Bombe“ waren unbekannt; von Kanzler Konrad Adenauer ist der Satz überliefert, „Kinder bekommen die Leute immer“ – womit er gewaltig irrte.
Heute steuert Deutschland auf einen Alterungsschub zu, der die umlagefinanzierte Rente an ihre Grenzen bringt. Kommendes Jahrzehnt werden zwei Erwerbstätige nicht nur für sich selbst sorgen, sondern auch für einen Rentner aufkommen müssen. Um das System zu stabilisieren, wird die nächste Regierung nicht um eine Reform herumkommen.
Rente braucht gestärktes Fundament
Gleichzeitig gilt es, der Rente langfristig das Fundament zu stärken. Rentensysteme sind widerstandsfähiger, wenn sie nicht nur auf die inländischen Löhne zurückgreifen, sondern auf alle Einkommen. Insofern war 2002 die Idee von Rot-Grün richtig, mit der Riester-Rente eine subventionierte private Altersvorsorge aufzubauen – auch wenn Fehler in der Umsetzung gemacht wurden.
Ein aktienbasierter Neustart ist also überfällig; mehrere Vorschläge dazu liegen auf dem Tisch. Ihnen gemein ist, dass allen Deutschen eine kostengünstige aktienbasierte Anlage ermöglicht wird. Durch Bündelung der Beiträge kann das Fondsmanagement das Geld effizient investieren und Risiken minimieren.
Bis zum Rentenalter kann so ein stattliches Vermögen aufgebaut werden, mit dem die Rente der heutigen Jungen aufgebessert werden kann. Hätten die Eltern eines 1957 Geborenen damals einen durchschnittlichen Monatsbruttoverdienst in Höhe von 216 Euro in deutsche Aktien investiert und für ihr Kind liegen gelassen, würde dieses Investment dem Nachkommen heute – bei einer Lebenserwartung von dann noch 19 Jahren – eine lebenslange jährliche Rente von rund 2000 Euro bescheren.
Solche Chancen gilt es zu institutionalisieren. Angenommen, der Staat schenkt jedem Neugeborenen ein Depot mit 500 Euro. Jeden Monat fließen weitere 20 Euro in das Depot, die Hälfte davon aus dem bisherigen Kindergeld, die andere Hälfte als neuer Zuschlag. Mit 18 Jahren hätte dann jeder junge Erwachsene einen Grundstock.
Verzicht auf Kapitalgarantien
Der Staat könnte den weiteren Vermögensaufbau haushaltsneutral bezuschussen, indem er die wirkungslose Wohnungsbauprämie und Arbeitnehmersparzulage sowie die Riester-Förderung zu einer neuen Prämie bündelt.
Auf Kapitalgarantien sollte verzichtet werden; schließlich sagt diese nichts darüber aus, ob und wie sicher das Investment wirklich ist. Unterstellt man wie manch ein Krisenprophet eine Hyperinflation, ist eine Nominalgarantie wertlos. Selbst wenn dauerhaft der EZB-Zielwert von zwei Prozent Inflation gehalten würde, wäre ein heute gesparter Euro in 60 Jahren noch 30 Cent wert.
Es reicht, die Volatilität zu reduzieren, wenn der Rentenbeginn in Sicht kommt, also Aktien in Anleihen zu tauschen. Beginnt der Ruhestand, wird das Vermögen in einen lebenslangen Auszahlplan umgewandelt.
Wer fürchtet, Renten würden so zum Spielball der Finanzmärkte und wer aus Angst vor Spekulation und Crash einen Anstieg von Altersarmut an die Wand malt, der irrt. Denn ein anhaltender Renditevorsprung der umlagefinanzierten Rente würde voraussetzen, dass die Kapitalmarktrendite dauerhaft geringer als das inländische Lohnwachstum ist – was kaum möglich ist. Der Verzicht auf Aktien kostet spätere Rente.
Versicherungswirtschaft gescheitert




Die Versicherungswirtschaft hatte zwei Dekaden Zeit, renditestarke und kostengünstige Produkte zu entwickeln – und ist gescheitert. Die nächste Regierung sollte daher handeln; hohe Kosten und niedrige Renditen kann Deutschland sich nicht länger leisten.
Eine staatsferne Stiftung könnte solche, nach Lebenszyklusmodellen gemanagte Depots anbieten. Sicher, die umlagefinanzierte Rente hat sich in den vergangenen knapp 65 Jahren insgesamt bewährt. Doch um die Alterseinkommen künftiger Generationen zu sichern, bedarf es neuer Wege. Der 65. Geburtstag wäre ein guter Zeitpunkt, etwas Neues auszuprobieren.
Mehr: Von der Bildung bis zur Rente: Die Wahlprogramme im großen Vergleich





