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Kommentar Es bleibt bei einem Wahlkampf der Nebensächlichkeiten

Eine Kandidatin oder ein Kandidat hätte die echte Chance, nach 16 Jahren Angela Merkel für etwas Neues zu stehen. Doch im Wahlkampf verlieren sich alle im Belanglosen.
28.07.2021 - 04:05 Uhr 1 Kommentar
Den Kandidaten von Union, Grünen und SPD fehlt es an konkreten Forderungen. Quelle: dpa
Armin Laschet, Annalena Baerbock und Olaf Scholz

Den Kandidaten von Union, Grünen und SPD fehlt es an konkreten Forderungen.

(Foto: dpa)

Wahlkampfzeiten sollten eigentlich so etwas wie Festspiele der Demokratie sein. Was der geneigte Bürger allerdings bislang erleben darf, geht eher in Richtung Bagatelle. Der Wahlkampf dreht sich um alles, nur nicht um das Wichtige. Die größte News bei den Grünen war, dass Annalena Baerbock wahrscheinlich auch noch bei ihrem Co-Vorsitzenden Robert Habeck abgeschrieben hat. Dann entschuldigte sie sich für die Verwendung des N-Wortes in einem Interview.

Der Unions-Kanzlerkandidat Armin Laschet behauptete fälschlicherweise, die Zahl des Kompromisses beim Kohleausstieg sei von Naturschutzorganisationen abgesegnet, und SPD-Mann Olaf Scholz beherzigt seinen Ansatz, nur nicht aufzufallen, und verfolgt nur ein Mantra: Ich bin die bessere Angela Merkel.

Und dann gab es dann doch noch ein Thema, dass dem Wahlkampf eine gewisse Ernsthaftigkeit verlieh. Die Hochwasserkatastrophe sorgte dafür, dass sich die Politiker der grausamen Realität stellen mussten. Krisenmanagement war angesagt, der oberflächliche Wahlkampf trat in den Hintergrund. Dass Laschet unpassend lachte, als Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier seine Trauer kundtat, überdeckte dann aber doch vieles.

Es bleibt dabei: Deutschland erlebt einen Wahlkampf der Nebensächlichkeiten. Die Spitzenkandidaten liefern weder programmatische Inhalte, noch steigen sie mal mit einer steilen These ins Geschehen ein. Der politische Diskurs plätschert an der Oberfläche. Doch es reicht nicht als Tätigkeitsnachweis, einen Tweet abzusetzen oder Bilder von einer Radtour zu posten.

Alle drei Kanzlerkandidaten setzen auf den Schlussspurt und auf einen Wahlkampf der Fehlervermeidung. Nichts soll den Bürger und potenzielle Wähler verschrecken. Selbst Bundeskanzlerin Angela Merkel war mit ihrer asymmetrischen Demobilisierung agiler als die drei, die ihr nachfolgen wollen.

Alle wollen Kontinuität beweisen

Heute demobilisieren alle. Dabei hätte eine Kandidatin oder ein Kandidat nach 16 Jahren Merkel die echte Chance, für etwas Neues zu stehen. Für eine Politik, die innovativ, disruptiv und kreativ wirkt, eine Politik, die einen Aufbruch verkörpert. Aber alle drei scheuen das Risiko, wollen nur für eins stehen: Kontinuität.

Baerbock will die Mitte nicht mit zu krassen Forderungen wie Flugverboten oder teurem Benzin verschrecken. Laschet bleibt bei jedem Thema im Ungefähren. Von dem angekündigten Modernisierungsjahrzehnt ist im Moment nur noch das Wort übrig.

Auf den Social-Media-Kanälen ist gerade der sogenannte Lasch-O-Mat ein kleiner Renner. In dem Satiretool lassen sich Zitate von Laschet um beliebige Worte ergänzen, die ihm zugeordnet werden können. Vom Lasch-O-Mat zum Scholzomat ist es nicht weit. Obwohl die SPD weiterhin zwischen 15 und 16 Prozent vor sich hindümpelt, hört man weder etwas von der Parteispitze noch vom Spitzenkandidaten.

Der Einzige, dem die Einschläferungsversuche offensichtlich auf die Nerven gehen, ist der frustrierte bayerische Ministerpräsident Markus Söder. Er sagt öffentlich, man komme nicht im Schlafwagen ins Kanzleramt. Das wurde in Unionskreisen als eindeutige Spitze gegen den Unions-Kanzlerkandidaten gewertet. Der lächelte das weg und stellte die rhetorische Frage, ob damit Olaf Scholz gemeint wäre.

Der Bayer sucht dagegen den unionsinternen Streit. Etwa wenn es um Steuersenkungen geht, schärfere Corona-Regeln oder einen früheren Kohleausstieg. Söder würde schon Wahlkampf machen, wenn die CDU ihn ließe. Doch die lässt alles im Ungefähren auslaufen und steigt nirgends richtig ein.

Es fehlen konkrete Forderungen und Koalitionsaussagen

Natürlich ist das halbe Land noch in den Ferien. Doch die letzte Sommerpressekonferenz von Merkel kann man als erste Schlussbilanz ihrer 16-jährigen Amtszeit einordnen. Sie hat eingeräumt, dass bei den Megathemen Klimaschutz und Digitalisierung erheblicher Nachholbedarf in Deutschland besteht. Ein Zehn-Punkte-Programm zu diesen Themen hat danach keiner der Spitzenkandidaten vorgelegt. Es bleibt weiter bei einem Säuselwahlkampf mit all seinen Unwägbarkeiten.

Söder warnte schon vor Zufallsmehrheiten bei der Bundestagswahl. Das ist aus mehreren Gründen anmaßend. Die Union teilt nicht einfach die Wählerstimmen zu. Die Menschen entscheiden über Briefwahl oder an der Wahlurne.

Die Politik könnte auch konkrete Forderungen stellen, an denen sich die politischen Mitbewerber reiben können. Die Politik könnte auch eine Koalitionsaussage treffen, damit die Bürger wissen, woran sie sind. Das will sie aber nicht. Damit bekommen Fußnoten und Plagiatsdiskussionen einen Stellenwert, den sie eigentlich nicht haben sollten.

Mehr: Kampf ums Kanzleramt: Auch die Stärke in der Krise entscheidet die Wahl

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1 Kommentar zu "Kommentar: Es bleibt bei einem Wahlkampf der Nebensächlichkeiten"

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  • Absolut zutreffender Kommentar. Über mehrere dutzende Themen ließe sich wunderbar diskutieren und die Kandidaten könnten ihre Lösungsansätze aufzeigen, ihre Ideen unter das Volk bringen, sich mit den Gegnern über Inhalte streiten: Rente: Aufgrund des Demographieproblems bald nicht mehr finanzierbar - was soll getan werden? Infrastruktur - mittlerweile fallen schon Brücken in sich zusammen - wann kommt endlich hier ein richtiger Schub? Digitalisierung - wieso hat Merkel 16 Jahre davon gefaselt und nichts ist passiert, aber insbesondere was sind die Vorschläge der Kandidaten dazu? Die höchsten Steuersätze in der OECD - wieso kann der Bürger dann nicht eine erstklassige Bildung und Krankenversorgung sowie eine reibungslose Infrastruktur erwarten - wo bitte bleibt das ganze Geld; auch hier wären ein paar Antworten und Ideen super. Damit das nächste Stichwort: Gesundheitsversorgung und Pflege: Wie bitte soll es hier weitergehen? Warum wandern immer mehr Ärzte ins Ausland und Pflegestellen können nicht besetzt werden? Wie will man hier den Beitragsschock vermeiden und zusehen, dass es bezahlbar bleibt und die Qualität verbessert wird? Bundeswehr und äußere Bedrohungen: Wie genau soll die Verteidigungsbereitschaft aussehen und wie will Deutschland seinen Verpflichtungen nachkommen? Soll es weiter sinnfreie Auslandseinsätze wie Mali und Afghanistan geben, wo die führenden Verbündeten den Stecker ziehen, ohne die dummen Deutschen überhaupt zu informieren, weil die mit Brunnebohren beschäftigt sind und nichts zur Befriedung der Lage beizutragen haben? Wie soll es mit der EZB weitergehen - ist es wirklich fair, zu Gunsten von Südeuropa eine kalte Enteignung von Sparern zu betreiben? Wie stehen die Kandidaten zur sich abzeichnenden Inflation? EU: warum gibt es Geldgeschenke von den relativ armen deutschen Staaatsbürgern an relativ reiche Einwohner des ClubMed und was hat das mit Wiederaufbau zu tun? Zementiert man damit nicht Strukturen? So viele Themen und wir hören nur Unfug!

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