Kommentar: FTI-Übernahme - Lindner vernebelt Subvention für US-Finanzfirma

Was sich Christian Lindners Finanzministerium ausgedacht hat, um bei der Rettung des angeschlagenen Touristikriesen FTI den öffentlichen Aufschrei so leise wie möglich zu halten, erinnert in Teilen an ein Hütchenspiel.
Einen Schuldenerlass für FTI werde es nicht geben, hatte Deutschlands oberster Kassenwart vor kaum zwei Wochen noch dem Bundestag mitteilen lassen. Dem Steuerzahler sei kaum erklärbar, lobten Parlamentarier daraufhin, weshalb man einer ägyptischen Milliardärsfamilie auf der Verkäuferseite oder einem milliardenschweren US-Finanzinvestor als Erwerber Staatskredite in dreistelliger Millionenhöhe erlassen sollte.
Der Münchener Tourismuskonzern hatte während der Pandemie 595 Millionen Euro aus dem staatlichen Wirtschaftsstabilisierungsfonds (WSF) in Anspruch genommen, von dem er laut Geschäftsbericht bislang nur eine mittlere zweistellige Millionensumme an den Staat zurückführte.
Für den designierten Käufer von FTI, den US-Finanzinvestor Certares, kommt der Schuldenschnitt nun doch. Aber in derart verkleideter Form, dass ihn kaum noch jemand erkennt.
So hatte das Bundesfinanzministerium schon vor knapp zwei Wochen durchblicken lassen, dass es die Forderungen gegenüber FTI „zum Marktpreis“ an einen Dritten verkaufen werde. Bei wackligen Krediten, mit deren kompletter Rückzahlung kaum noch jemand rechnet, ist ein solches „Forfaiting“ nichts Ungewöhnliches. Ein Teil der Außenstände, so schien es auch hier zunächst, sollte dem Steuerzahler durch diesen Schachzug erhalten bleiben.
Certares kauft eigene Schulden zum Discountpreis
Doch keineswegs ein Hedgefonds erwirbt wie erwartet das FTI-Darlehen. Der Käufer ist stattdessen derselbe wie bei FTI, nämlich Certares. Was die merkwürdige Aktion vernebelt: Durch den Deal übernehmen die US-Amerikaner Europas drittgrößten Tourismusanbieter nicht nur für einen Euro und erhalten dort eine durch Reiseanzahlungen prall gefüllte Kundengeldkasse. Certares ersteht darüber hinaus die Schulden des eigenen Kaufobjekts zum Discountpreis. Was der Preisabschlag den Steuerzahler kostet, hält das Bundesfinanzministerium geheim.
Die Dummen sind dabei nicht nur die Steuerzahler, die nun doch für einen kaum „systemrelevanten“ Betrieb zur Kasse gebeten werden. Übertölpelt fühlen dürften sich auch Wettbewerber aus der Reisebranche wie Tui oder Lufthansa. Sie nämlich zahlten ihre Staatskredite nach Corona komplett zurück – im Fall von Tui unter hohem Finanzeinsatz der Aktionäre, die per Kapitalerhöhung Milliardensummen nachschießen mussten.
Noch mehr ärgern werden sich die familiengeführten Tourismus-Konkurrenten Alltours und Schauinsland-Reisen. Sie hatten sich in den Jahren vor der Pandemie – anders als FTI – durch besonnene Preiskalkulation ein Finanzpolster zugelegt und konnten auf Staatskredite verzichten. Schon deshalb wird es einen Schuldenschnitt aus dem Hause Lindner für sie nicht geben.