Kommentar: It’s the economy, Friedrich Merz


Friedrich Merz ist auf der internationalen Bühne angekommen. Der Besuch im Oval Office bei US-Präsident Donald Trump verlief ohne diplomatische Ausrutscher. Auf dem G7-Gipfel in Kanada war spürbar: Europa blickt auf Deutschland – und auf dessen Kanzler.
Seine Beziehungen zum britischen Premier und dem französischen Präsidenten gelten als eng und vertrauensvoll. Inmitten des Kriegs in Israel und der Ukraine rückt Deutschland, nicht zuletzt durch Merz, wieder stärker ins Zentrum des weltpolitischen Geschehens.
Doch während außenpolitisch das Parkett glänzt, wartet die deutsche Wirtschaft ungeduldig auf den Startschuss. Alle Akteure stehen in den Startlöchern, aber der Kanzler lässt den Startschuss noch nicht ertönen. Einzelne Fachminister liefern pflichtgemäß Ankündigungen und Entwürfe. Doch Merz selbst bleibt abwesend.
Gerade bei wirtschaftspolitischen Veranstaltungen ist seine Präsenz rar – eine bewusste Strategie: 70 Prozent Ausland, 30 Prozent Inland lautet die Formel aus dem Kanzleramt. Zieht man die Themen Migration und Sicherheit ab, bleibt für die Wirtschaft kaum noch Raum. Kommende Woche steht schon wieder der Nato-Gipfel auf dem Programm.
Innenpolitik hat derzeit keine Priorität
Das Bild rundet sich ab durch ein Ministerpräsidententreffen, das zur bloßen Ankündigung einer baldigen Geldübergabe geriet. Fragwürdige Signale sendet Merz auch mit seiner Entscheidung, dem SPD-Vorsitzenden und Vizekanzler Lars Klingbeil die Leitung einer Kabinettssitzung zu überlassen – ein Schritt, den seine Vorgänger stets zu vermeiden suchten, auch wenn der Flieger sich verspätete. Früher durften Stellvertreter allenfalls während der parlamentarischen Sommerpause übernehmen, und auch nur dann, wenn Düngemittelverordnungen auf der Tagesordnung standen. Die Botschaft, die Merz damit vermittelt: Die Innenpolitik hat derzeit keine Priorität.
Der Wachstumsbooster kommt nach drei Jahren Stagnation keinen Tag zu früh. Doch man fragt sich, was der Kanzler dazu sagt, dass seine Regierung gleichzeitig den Bauturbo zündet und die Mietpreisbremse verschärft. Kann man wirklich gleichzeitig auf dem Gas und auf der Bremse stehen? Ähnlich widersprüchlich ist das bei der Rente mit 63 und der Aktivrente: Auf der einen Seite gehen fitte Rentner früher in den Ruhestand, auf der anderen Seite sollen sie länger weiterarbeiten – finanziert vom Steuerzahler.
Natürlich wirkt das alles klein im Vergleich zu einem möglichen Angriff der USA auf den Iran. Aber Reformen des Rentensystems oder die Einführung eines gesetzlichen Mindestlohns sind keine Nebensächlichkeiten. Merz wurde gewählt, um den Bürokratieabbau zur Chefsache zu machen – auch wenn das ein mühsames Geschäft ist. Trotzdem muss die Politik konsequent und glaubwürdig handeln. Wer gleichzeitig widersprüchliche Maßnahmen umsetzt, verliert das Vertrauen der Bürger.
Das ist schade – und eine vertane Chance. Denn Merz verfügt über wirtschaftspolitische Kompetenz. Während ein Helmut Kohl Wirtschaftsvertreter bestenfalls als „Bimbes-Leute“ betrachtete und Angela Merkel zur Wirtschaft freundlich-distanzierte Beziehungen pflegte, wäre Merz eigentlich aus einem anderen Holz geschnitzt. Er könnte Wirtschaftskanzler. Doch er nimmt sich nicht die Zeit dafür.






Gewiss: Angesichts der Weltlage lässt sich verstehen, warum Merz nicht mit Arbeitsministerin Bärbel Bas das Bürgergeld diskutieren möchte. Aber am Ende zählt, ob er die Wirtschaft in Schwung bringt. Nur wenn Deutschland wirtschaftlich stark bleibt, wird es auf der internationalen Bühne auch weiterhin Gewicht haben.
It’s the economy, Friedrich Merz.






