Kommentar: Keine Zinsen auf Tagesgeld? Das Kalkül der Banken ist nachvollziehbar, am Ende aber selbstschädigend


Die meisten Banken zahlen noch keine Zinsen auf Tagesgeld. Ihre Kunden laufen auch so nicht weg.
Die Europäische Zentralbank (EZB) hat die Zinsen mehrfach angehoben. Die für die Geschäftsbanken entscheidenden Einlagezinsen betragen 2,5 Prozent. Und doch zahlen die meisten Kreditinstitute in Deutschland ihren Kundinnen und Kunden für kurzfristige Einlagen nichts. 0,0 Prozent aufs Tagesgeld, das Gleiche gilt für das Girokonto, wo es üblicherweise ohnehin keine Verzinsung gibt.
Viele Menschen halten das vor allem vor dem Hintergrund der hohen Inflationsraten für skandalös. Bei ihnen entsteht der Eindruck, die Banken nutzten die aktuelle Situation aus. Tatsächlich profitieren die Kreditinstitute von den gestiegenen – und voraussichtlich weiter steigenden – Zinsen. Kredite, Baufinanzierungen beispielsweise, sind bereits deutlich teurer geworden.
Die Banken tragen also die Schuld? Das wäre zu einfach. Am Ende profitieren sie auch von der Trägheit der Kunden. Der Großteil der Kunden schichtet eben kein Geld um, um zwei oder 2,3 Prozent Zinsen pro Jahr aufs Tagesgeld zu erhalten. Denn solche Angebote sind im Markt inzwischen zu finden – in der Regel für Neukunden.
Wer höhere Zinsen haben möchte, bekommt sie also. Dafür sorgt schon der Wettbewerb auf dem deutschen Bankenmarkt. Es gibt Vergleichs- und Zinsplattformen, die die unterschiedlichen Angebote übersichtlich zeigen. Der Wettbewerb führt, neben der gesunkenen Nachfrage, auch dazu, dass die Bauzinsen nicht weiter steigen. Sie lagen im Schnitt sogar schon höher als aktuell.
Hinzu kommt, dass viele Menschen derzeit abwarten. Zinsen auf Tages- wie Festgeld werden wahrscheinlich noch steigen. Für andere wiederum lohnt sich ein Umschichten aktuell nicht. Und manch einer mag resignieren angesichts der Inflation von fast neun Prozent.
Zinsen auch für bestehende Kunden anbieten
Wer kaum Geld beiseitelegen kann, wird eher kein neues Tagesgeldkonto eröffnen. Laut einer Umfrage der Onlinebank ING verfügten Ende 2022 fast ein Drittel der Verbraucherinnen und Verbraucher über keinerlei Ersparnisse.
Dennoch sollten die Banken, gerade die Sparkasse, nicht zu lange warten, ihren bestehenden Kundinnen und Kunden Zinsen auf Tagesgeld anzubieten. Viele haben bei ihrer Bank noch ein Tagesgeldkonto, das sie angesichts der langen Negativzinsphase nur gerade nicht nutzen.
Denn nicht nur Kunden mit größerem Vermögen werden sich irgendwann, wenn die Zinsen noch etwas steigen, bewegen. Die Geldhäuser, die zu spät reagieren, dürften im Kampf um Einlagen schlecht dastehen.



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Letztlich geht es auch um die Reputation. Wenn Kunden dauerhaft das Gefühl haben, die Banken nutzten die Zinssituation für sich aus, leidet der Ruf der Branche. Das gilt besonders für die Sparkassen, die sich in der Vergangenheit auch schon als „Schutzmacht der Sparer“ initiiert haben.
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