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KommentarRechtsstaatlichkeit: Stunde der Wahrheit für die deutsche Ratspräsidentschaft

Ob die Europabilanz der Bundesregierung am Ende des Jahres positiv ausfällt, hängt vor allem auch davon ab, was sie in Fragen der Rechtsstaatlichkeit erreicht.Hans-Peter Siebenhaar 29.09.2020 - 21:37 Uhr Artikel anhören

Auch wenn die Rechtsstaatlichkeit auf dem EU-Gipfel gar nicht offiziell auf der Tagesordnung steht, die deutsche Ratspräsidentschaft muss sie zum Thema machen.

Foto: AFP

Mit Geschick und Diplomatie hat die deutsche Ratspräsidentschaft seit Anfang Juli die Europäische Union durch die womöglich härteste Krise seit Jahren geführt. Bei einem Marathongipfel beschlossen die 27 Staats- und Regierungschefs das insgesamt mehr als 1,8 Billionen Euro schwere Finanzpaket, das den Haushaltsrahmen und den Corona-Wiederaufbaufonds umfasst.

Doch nun kommt gleich die nächste Bewährungsprobe: die Frage nämlich, wie Europa es mit den demokratischen Grundwerten hält.

Mit der für den kommenden EU-Gipfel vorgeschlagenen Aufweichung des Mechanismus zur Rechtsstaatlichkeit hat Berlin das Europaparlament jetzt schon in Rage gebracht. Und ohne die Zustimmung des Parlaments kann das in den Mitgliedsländern dringend gebrauchte Geld aus dem Wiederaufbaufonds nicht ausgezahlt werden. Die seit Wochen andauernden Gespräche zwischen Rat, Kommissionen und Parlament drohen in die Sackgasse zu geraten, obwohl die Zeit drängt.

Der vom Europaparlament seit Langem geforderte Mechanismus für Rechtsstaatlichkeit ist das zentrale Werkzeug, um den Abbau von demokratischen Rechten und Werten in Ländern wie Ungarn und Polen, aber auch anderswo in der EU zu verhindern. Mit ihm sollen künftig EU-Finanzmittel ausgesetzt werden, wenn einzelne Mitgliedsländer beispielsweise ihre Justiz demontieren und die Medienfreiheit einschränken. Doch mit dem neuen Kompromissvorschlag und seiner Abschwächung des Instrumentariums wird das sehr schwierig werden.

Das Geld ist zweifellos das stärkste Druckmittel, um demokratische Werte zu verteidigen. Regierungschefs wie Ungarns Premier Viktor Orbán haben die EU seit jeher als Geldautomat begriffen – was ihn aber nicht davon abhielt, gegen den heftigen Widerstand Brüssels die Justiz im Lande mehr oder weniger ihrer Unabhängigkeit zu berauben.

Bestärkt durch den windelweichen Vorschlag der deutschen Ratspräsidentschaft fordert Orbán von EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen sogar den Rücktritt ihrer Stellvertreterin Vera Jourova. Der Grund für die gezielte Provokation liegt auf der Hand: Die liberale Tschechin gilt als starke Verfechterin für mehr Rechtsstaatlichkeit in Europa.

Auch wenn die Rechtsstaatlichkeit auf dem Gipfel gar nicht offiziell auf der Tagesordnung steht, die deutsche Ratspräsidentschaft muss sie zum Thema machen. Denn die einmalige Möglichkeit, demokratischen Grundwerten über einen wirkungsvollen Sanktionsmechanismus Geltung zu verschaffen, darf nicht verspielt werden.

Mehr: Verwässerter Vorschlag der deutschen EU-Ratspräsidentschaft schützt Ungarn und Polen

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