Kommentar: Was Spahn und Habeck mit dem Krieg im Nahen Osten verbindet


Oft erschließt sich das Wesentliche erst, wenn man versucht, hinter die Schlagzeilen zu blicken. Das gilt besonders für die Debatte über Unionsfraktionschef Jens Spahn und verschwendetes Steuergeld beim Maskenkauf. Geht es bei den Berichten über Misswirtschaft in der Coronazeit tatsächlich nur um individuelle Fehler? Oder geht es letztlich um sehr viel mehr? Um die Frage, wie groß die wirtschaftspolitischen Versäumnisse der Vergangenheit waren und wie hoch der Preis ist, den wir heute dafür zahlen?
Aus dieser Perspektive müssen die Maskendeals gemeinsam mit der Pleite des Batterieherstellers Northvolt und dem Scheitern der Intel-Pläne für eine Chipfabrik in Magdeburg betrachtet werden. Drei Fälle, jeder davon ein spektakulärer Rückschlag bei den Bestrebungen, die Versorgungssicherheit Deutschlands in Zeiten internationaler Spannungen zu erhöhen.
Die Misserfolge liefern Stoff, aus dem sich Empörung erzeugen lässt, politische Kampagnen schreiben sich derzeit von selbst. CDU und CSU greifen Robert Habeck an, der als Wirtschaftsminister für die staatlichen Investitionshilfen an Intel und Northvolt geworben hat. Habecks grüne Parteifreunde revanchieren sich, stürzen sich auf Spahn und fordern seinen Rücktritt.
Schwarzer Filz, grüne Misswirtschaft
Im Streit um schwarzen Filz und grüne Misswirtschaft wird es jedoch nur Verlierer geben. So wichtig die Aufklärung politischer Fehlentscheidungen auch ist, es wäre schädlich, ein Konzept mit polemischer Schärfe zu diskreditieren, das wahrscheinlich noch nie so wichtig war wie jetzt. Der Handelskrieg mit den USA, die Sorge um Energielieferungen aus dem Nahen Osten und Chinas Exportkontrollen für seltene Erden zeigen erneut, wie ökonomische Abhängigkeiten für eine Erpressungspolitik gegen Deutschland und Europa genutzt werden können.
Schließt Trump den US-Markt, gerät die zarte Erholung der deutschen Wirtschaft in Gefahr. Blockiert der Iran die Straße von Hormus, lösen hohe Ölpreise einen neuen Inflationsschub aus. Wenn China die Lieferung kritischer Rohstoffe verweigert, stehen in deutschen Fabriken die Bänder still. Letzteres ist kein Szenario mehr, sondern in einigen Betrieben schon Realität.
„Wirtschaftssicherheit“ lautete das Konzept, mit dem Europa seine Verwundbarkeiten reduzieren wollte. Die EU-Staaten wollten sich nicht allein dem Kostensenkungskalkül von Unternehmen anvertrauen, sie wollten kritische Lieferketten absichern und die Zusammenarbeit bei sicherheitsrelevanter Forschung und Entwicklung stärken. Das waren die Lehren aus der Coronakrise, dem Ukrainekrieg und der Energiekrise. Sie umzusetzen kostet Geld, aber sie zu ignorieren, ist noch teurer.






Die Erfahrungen mit Intel und Northvolt zeigen gleichzeitig, wie riskant es ist, Subventionen an einzelne Unternehmen auszuschütten. Jedes firmenspezifische Hilfsprogramm ist eine Wette, deren Ausgang ungewiss ist. Nur so viel ist klar: Je akuter der Handlungsdruck, desto größer die Gefahr von Fehlinvestitionen. Die Milliardenschäden bei den Maskendeals in der Pandemie belegen dies eindrucksvoll.
Sind industrielle Kapazitäten erst einmal verloren, ist es schwer, sie wieder aufzubauen. Deshalb braucht Europa einen neuen Ehrgeiz, seine kritischen Versorgungsdefizite zu verringern. Das wichtigste Element dabei ist die Stärkung der eigenen Innovationskraft. Bei Batterien und Chips hinkt Europa hinterher. Das darf auf Zukunftsfeldern wie Künstlicher Intelligenz, Drohnen und Quantencomputern nicht noch einmal passieren. Es ist besser, Abhängigkeiten gar nicht erst entstehen zu lassen, als nachträglich mit Staatsmilliarden gegen sie anzukämpfen.
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